Originaltitel: The Abominable Bride Episodennummer: Sx01 Bewertung: Erstausstrahlung UK: 01. Januar 2016 Erstausstrahlung D: Noch nicht bekannt Drehbuch: Steven Moffat & Mark Gatiss Regie: Douglas Mackinnon Hauptdarsteller:
Benedict Cumberbatch als Sherlock Holmes,
Martin Freeman als Dr. John Watson.
Gastdarsteller:
Una Stubbs als Mrs Hudson,
Rupert Graves als Inspector Lestrade,
Mark Gatiss als Mycroft Holmes,
Andrew Scott als Professor Moriarty,
Louise Brealey als Hooper,
Amanda Abbington als Mary Watson,
Jonathan Aris als Anderson,
Yasmine Akram als Janine Donlevy,
David Nellist als Stamford,
Catherine McCormack als Lady Carmichael,
Tim McInnerny als Sir Eustace Carmichael,
Natasha O'Keeffe als Emelia Ricoletti,
Tim Barlow als Wilder,
Gerald Kyd als Thomas Ricoletti u.a.
Kurzinhalt:
Im viktorianischen London des Dezembers 1984 erhalten Sherlock Holmes und Dr. Watson in ihrem Quartier in der Baker Street 221b Besuch von Inspektor Lestrade von Scotland Yard, der sie auf den mysteriösen Fall von Emelia Ricoletti aufmerksam macht, die von der Presse als "Braut des Grauens" bezeichnet wird. So wurde sie dabei beobachtet, wie sie, in einem weißen Brautkleid gekleidet, von einem Balkon aus zuerst in die Menge schoss, ehe sie die Waffe in den Mund steckte und Selbstmord begann. Nur wenige Stunden später wird sie dann jedoch von mehreren Zeugen dabei gesehen, wie sie aus einer Kutsche steigt und ihren Mann erschießt. Doch wie ist das möglich? Zu Beginn scheint selbst Sherlock Holmes überfragt zu sein. Erst einige Monate später, nachdem immer mehr Morde auf das Konto der Braut des Grauens zu gehen scheinen, und die Ehefrau eines hoch angesehenen Mannes ihn darum ersucht, diesen vor der Braut zu beschützen, kommt der Fall wieder ins Rollen…
Spoiler-Hinweis!
Zwar werde ich die Auflösung des Falls nicht vorwegnehmen, sehr wohl jedoch auf die eine oder andere Entwicklung aus "Die Braut des Grauens" eingehen. Wer das Special bislang noch nicht gesehen und Berichte bisher ganz bewusst vermieden hat, um es so unvorbereitet wie möglich anschauen zu können, sollte daher besser nur mein Fazit lesen.
Review:
Fans der Neuinterpretation "Sherlock" mussten auf eine Fortsetzung der Serie lange warten. Fast zwei Jahre war es zur Ausstrahlung von "Die Braut des Grauens" auf der englischen BBC schon wieder her, dass Benedict Cumberbatch und Martin Freeman als Sherlock Holmes und Doktor Watson in "Sein letzter Schwur" ihren vorerst letzten Fall gelöst hatten. Danach machte die zunehmende Popularität und der Erfolg der beiden Hauptdarsteller einer weiteren Fortsetzung bislang einen Strich durch die Rechnung. Und auch im letzten Jahr konnte man ihre Terminkalender erst mal nur soweit aufeinander abstimmen, dass eine Episode gedreht werden konnte. Anstatt diese Gelegenheit ungenutzt verstreichen zu lassen, nahmen sich die beiden Serienschöpfer Steven Moffat und Mark Gatiss ein Beispiel an "Doctor Who", wo sie 2010 die Agenden von Russell T. Davies (der "New Who" auf den Weg brachte) übernommen hatten, und präsentierten mit "Die Braut des Grauens" also nun ein eigenes Special. Für Überraschung sorgte dabei im Vorfeld die Ankündigung, dass dieses nicht etwa an die ersten drei Staffeln der Serie anknüpfen, sondern vielmehr im viktorianischen London spielen sollte.
Wie mittlerweile alle, welche sich das Special schon angesehen haben, wissen sollten: Ganz so war es dann doch nicht. Bereits die Rückblende zu Beginn, welche die wichtigsten Ereignisse der ersten drei Staffeln noch einmal aufrollte, deutete schon an, dass es einen klareren Bezug zur Serie geben könnte, als man uns das im Vorfeld Glauben machen wollte. Und so stellte sich ca. zur Mitte des Specials alles im viktorianischen London letztendlich als "Vision" von Sherlock heraus, der sich in seinen Gedankenpalast zurückgezogen hatte, um herauszufinden, wie Moriarty nur zurückgekehrt sein kann. Nun gebe ich unumwunden zu, dass ich die Idee, das Special im viktorianischen London anzusiedeln, ursprünglich doch eher schräg fand. Dennoch hatte der Gedanke doch auch irgendwie seinen Reiz, und vor allem auch war alles rund ums alte London derart großartig gemacht, dass ich persönlich diese Verbindung absolut nicht gebraucht und "Die Braut des Grauens" problemlos als alternative Interpretation hätte akzeptieren können. Tatsächlich sehe ich sogar in dieser Auflösung den größten Schwachpunkt des ansonsten durchaus gelungenen Specials. Dies liegt sicherlich einerseits daran, dass ich persönlich mit dem von Gatiss, Moffat und Scott gewählten Zugang zur Darstellung Moriartys nach wie vor herzlich wenig anfangen kann; dementsprechend nahm ich seine Rückkehr hier nur mit großem Widerwillen zur Kenntnis. Schade auch, dass es die meines Erachtens bessere und interessantere Handlung als reines Hirngespinst entlarvt – was dem Ganzen leider auch gänzlich die Spannung raubte. Und dann ist da noch das Problem, dass einige für sich genommen tolle Szenen (wie das Gespräch zwischen Sherlock und Watson, während sie auf den Auftritt der Braut des Grauens warten) unter dem Gesichtspunkt, dass sich der moderne Sherlock all dies ja nur einbildet, keinen Sinn ergeben (und jegliche emotionale Wirkung verlieren). In meinen Augen wollten die beiden Serienschöpfer hier jedenfalls wieder einmal zu clever sein – was für mich letztendlich auf Kosten des Endprodukts ging.
Besonders schade ist dies insofern, als ich den Fall rund um die titelspendende Braut überaus gelungen fand. Das Rätsel war tatsächlich knifflig, und mir gefiel vor allem auch, dass trotz einer ursprünglich angedeuteten Übersinnlichkeit letztendlich eine ganz natürliche, wissenschaftliche Erklärung für das Ganze gefunden wurde. Wunderbar fand ich zudem, wie sich die Fall dann weiterentwickelt hat, sowie vor allem auch die Auflösung. Die war wirklich Klasse. Generell muss ich sagen, dass mir die komplette Handlung im viktorianischen London – vielleicht mit Ausnahme des fettleibigen Mycroft – sehr gut gefallen hat. Angefangen von der Neuinterpretation bestimmter Figuren aus der in der Gegenwart angesiedelten Serie, über amüsante Anmerkungen rund um Sherlock Holmes und/oder die Erzählungen von Doktor Watson (wie die Vernachlässigung von Mrs. Hudson) bis hin zu den zahlreichen Anspielungen auf die Vorlage von Sir Arthur Conan Doyle. Tatsächlich fand ich die Szenen im viktorianischen London derart gelungen, dass ich es in der ersten Hälfte zunehmend zu Bedauern begann, dass Gatiss und Moffat ihre Serie nicht generell in dieser Epoche angesiedelt haben.
Jedenfalls erwiesen sich Benedict Cumberbatch und Martin Freeman auch im Setting des London aus 1890 als grandiose Besetzung für ihre jeweiligen Rollen. Ohne groß etwas an ihren Darstellungen zu verändern, passten sie für meinen Geschmack mit ihren Interpretationen auch perfekt in die damalige Zeit. Freeman überzeugt auch in "Die Braut des Grauens" wieder mit seiner Warmherzigkeit, während Cumberbatch die Arroganz, die soziale Unnahbarkeit und die kühle Logik, die Sherlocks Wesen bestimmt, wieder einmal perfekt verkörpert. Was auch wieder einmal gefallen konnte, ist die Inszenierung. "Die Braut des Grauens" sah absolut phantastisch aus, und mir gefiel, dass man trotz des Settings auf einige in der modernen Interpretation liebgewonnene Einfälle wie das Einblenden von Text (hier z.B. ein Telegramm) oder auch das Stoppen einer Szene, während Sherlock die Ereignisse analysiert, nicht verzichten muss. Auch die Darstellung des viktorianischen Londons ist ihnen sehr gut gelungen, egal ob es die Kostüme, die Sets, die Gebäude/Landschaften oder auch die Effekte betrifft. Aber auch davon abgesehen stach "Die Braut des Grauens" mit einigen optisch imposanten und/oder phantastisch inszenierten Momenten hervor, wie z.B. der Nebel im Irrgarten, oder auch die Szene am Wasserfall. Letztere war überhaupt ein nettes kleines Highlight des Specials für mich, wo man der Vorlage auf nette Art und Weise Tribut zollte. Kritisch sehe ich lediglich den einen oder anderen Gag (wie der eher platte "It's a shotgun wedding"-Kalauer, oder auch die Zeichensprache im Diogenes-Club) war dann doch ein ziemlich platter Kalauer, und eher schmerzhaft) sowie die Tatsache, dass die komplette Episode durch den Gegenwarts- bzw. Moriarty-Bezug irgendwie auch unnötig kompliziert – und unfokussiert – wurde. Immerhin ein Gutes hatte das Ganze aber jedoch: So dürfte Moriarty also doch wirklich tot sein. Ich bin mir zwar sicher, wir werden ihn in der einen oder anderen Form in der 4. Staffel trotzdem wieder sehen (eventuell operiert er ja Jigsaw-like aus dem Grab heraus), und schon allein darauf könnte ich liebend gern verzichten. Aber wenigstens wird er nicht "in Fleisch und Blut" zurückkehren. Als jemand, der wie erwähnt mit der hier gewählten Darstellung von Holmes' Nemesis nichts anfangen konnte, ist das auf jeden Fall eine überaus erfreuliche Nachricht.
Fazit:
"Die Braut des Grauens" war insgesamt ein durchaus gelungenes Special, dass mir nach der langen "Sherlock"-Abstinenz wieder in Erinnerung gerufen hat, was mir an der Serie so gefällt. Das Setting im viktorianischen London fand ich dabei derart wunderbar, dass ich es fast ein bisschen schade finde, dass die Serie nicht generell in dieser Epoche angesiedelt ist. Zumal sich Benedict Cumberbatch und Martin Freeman auch für ihre "vergangenen" Pendants als grandiose Besetzung erwiesen. Auch der Fall rund um die titelspendende Braut war phantastisch, wobei mir neben dem rätselhaften, faszinierenden Setup und dem Höhepunkt am Carmichael-Anwesen vor allem auch die Auflösung des ganzen großartig fand. Die Inszenierung war ebenfalls wieder einmal phantastisch; trotz des Settings musste man dabei – ähnlich wie schon bei den "Sherlock Holmes"-Filmen von Guy Ritchie – auf moderne Stilmittel nicht verzichten, und auch optisch stachen zahlreiche Momente als überaus gelungen hervor. Schade fand ich allerdings, dass das Special durch den Moriarty-Bezug irgendwie unnötig kompliziert wurde, und zudem der Fokus vom faszinierenden Fall rund um die titelspendende Braut zunehmend verloren ging. Und vor allem auch die Verknüpfung zur Serie hätte ich nicht gebraucht, und sehe ich demnach eher kritisch. Davon abgesehen erwies sich "Die Braut des Grauens" aber als durchaus gelungener Zwischengang zum stillen des ärgsten "Sherlock"-Hungers während der langen Wartezeit auf die vierte Staffel.