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John Carpenters bissige Konsum- und Systemkritik Kategorie: Filme - Autor: Christian Siegel - Datum: Dienstag, 22 Dezember 2015
 
Advents-SPECiAL

 
Sie leben
Originaltitel: They Live
Produktionsland/jahr: USA 1988
Bewertung:
Studio/Verleih: Alive Films/Universal Pictures/Senator Film
Regie: John Carpenter
Produzenten: Larry Franco, Andre Blay, Shep Gordon & Sandy King
Drehbuch: John Carpenter, nach einer Kurzgeschichte von Ray Nelson
Filmmusik: John Carpenter & Alan Howarth
Kamera: Gary B. Kibbe
Schnitt: Gib Jaffe & Frank E. Jimenez
Genre: Science Fiction/Thriller
DVD-Premiere Deutschland: 04. Mai 1989
Kinostart USA: 04. November 1988
Laufzeit: 93 Minuten
Altersfreigabe: FSK ab 18
Trailer: YouTube
Kaufen: Blu-Ray, DVD
Mit: Roddy Piper, Keith David, Meg Foster, George Flower, Peter Jason u.a.


Kurzinhalt: Ein Landstreicher kommt nach Los Angeles, wo er auf dem Bau zu arbeiten beginnt. Eines Nachts wird der Zeuge, wie eine nahegelegene Kirche von der Polizei gestürmt wird, und man mit Bulldozern ihr Lager zerstört. Am darauffolgenden Tag findet er einen Karton mit Sonnenbrillen. Als er eine von ihnen aufsetzt, traut er seinen Augen nicht: Plötzlich sieht er überall unterschwellige Botschaften, die ihm befehlen, zu gehorchen, zu konsumieren, sich fortzupflanzen usw. Zudem erkennt er, dass einige Menschen um ihn herum gar keine Menschen sind. Als er dem Widerstand einen Besuch abstattet, erfährt er schließlich die unglaubliche Wahrheit: Außerirdische sind auf die Erde gekommen, und kontrollieren die nichtsahnende Menschheit. Doch es gibt Hoffnung: Die Rebellen planen, jenes Signal, dass den Menschen eine heile Welt vorspielt, auszuschalten. Doch dafür müssen sie sich in die Höhle des Löwen wagen…

Review: Szenenbild. Als Kind war ich ja großer Wrestling-Fan; u.a. natürlich auch von "Rowdy" Roddy Piper. Insofern musste ich mir natürlich auch als ich zum ersten Mal die Gelegenheit bekam unbedingt auch "Sie leben" anschauen, der mich damals als noch überwiegend Horror-unerfahrenes Kind doch ziemlich verschreckt hat. Meines Erachtens wurde der Gedanke, dass "sie" unter uns sind, selten so anschaulich und erschreckend dargestellt, wie hier, wo sie mit Hilfe einer Sonnenbrille ihr wahres – genial designtes und umgesetztes, und auch ziemlich verstörendes – Antlitz offenbaren. Die ganze Kritik am Konsumwahn und dem System flog damals aber natürlich noch weitestgehend unbemerkt über mein naives kindliches Köpfchen hinweg. Heutzutage sind es hingegen genau diese Elemente, die mir an "Sie leben" am besten gefallen. Denn mittlerweile finde ich eigentlich den Gedanken mit diesen ganzen unterschwelligen Botschaften deutlich erschreckender, als das Aussehen der unter uns weilenden Aliens (wobei für mich vor allem auch die Nachricht "This is your god" auf dem Geldschein brillant finde). Und auch wenn der Film mittlerweile auch wieder mehr als 25 Jahre auf dem Buckel hat, wirkt gerade auch dieses Element nach wie vor sehr aktuell.

Darüber hinaus sind die entsprechenden Szenen in schwarz/weiß-Aufnahmen gehalten, die einerseits auf symbolisch-anschauliche Art und Weise die Konformität und Trostlosigkeit der echten Welt hinter der bunten Fassade vermittelt, und vor allem aber auch wunderschön aussehen. Eine weitere wesentliche Stärke des Films ist auch Roddy Piper in der Hauptrolle. Nach seinem Durchbruch als Wrestler Mitte der 80er stand er zunehmend auch als Schauspieler vor der Kamera, und auch wenn ich längst nicht all seine Auftritte kenne, würde ich behaupten, dass jener in "Sie leben" nicht nur sein populärster, sondern zugleich auch einer seiner besten ist. Zwar entsprach er – ähnlich wie damals Arnold Schwarzenegger für "Terminator" – nicht John Carpenters erstem Gedanken eines eher unscheinbaren, gewöhnlichen Mannes, aber sein charismatischer Auftritt macht dieses Manko mehr als wieder wett. Tatsächlich erinnerte er mich teilweise sogar ein bisschen an den soeben erwähnten Arnold Schwarzenegger, den ich mir in dieser Rolle grundsätzlich auch sehr gut hätte vorstellen können (nicht zuletzt, da es in genau sein damaliges Rollenschema einer Einmannarmee gegen eine Übermacht bzw. das System passen würde; siehe "Running Man", "Phantom Kommando" und "Total Recall"). Zumal er an einer bestimmten Stelle ebenfalls einen kultigen Spruch auf den Lippen hat, der in die Annalen der Filmgeschichte eingegangen ist und sich mit Arnies One-Linern durchaus messen kann ("I've come here to chew bubblegum and kick ass. And I'm all out of bubblegum!"). Jedenfalls wäre "Sie leben" ohne Roddy Piper – oder zumindest einen vergleichbar charismatischen Hauptdarsteller – nur halb so gut.

Szenenbild. Trotz aller positiver Aspekte fällt jedoch auch auf, dass "Sie leben" tonal teilweise ein etwas ungleichmäßiger Film ist. So spießen sich die ernsthafteren, gesellschaftskritischen Untertöne teilweise etwas mit den lockeren Sprüchen, amüsanteren Momenten sowie dem einen oder anderen trashigen Einschlag. Besonders kritisch sehe ich dabei den zwar effektiven Abschlussgag, der jedoch die schöne Stimmung des tragischen Ausgangs des Geschehens doch ein (zer)stört. Zudem fand ich die Wendung rund um Holly wenig überraschend (was auch daran liegen mag, dass sie die Schauspielerin von Evyl-Lynn genommen haben). Das eine oder andere sollte man zudem nicht zu sehr bzw. kritisch hinterfragen (wie z.B., warum er sie auf einmal dank der Sonnenbrille auch hören kann, oder auch der Weltraum-Teleporter). Die erste halbe Stunde war noch eher unspektakulär und nur bedingt packend. Und so sehr ich auch verstehen kann, warum sie den Quasi-Wrestlingkampf in der Mitte des Films eingebaut haben, aber… zumindest meinem erwachsenen Ich ging er entschieden zu lang. Last but not least: Auch wenn die "Rebellen" in diesem Film recht haben, musste ich bei dem Film doch unweigerlich an die ganzen heutigen Verschwörungstheoretiker mit ihren Chemtrails etc. denken. Dass er so gesehen ihre Sichtweise unterstützt, dass wir alle vom "System" unterdrückt werden, verschafft ihm in der heutigen Zeit wie ich finde doch einen etwas fahlen Beigeschmack.

Fazit: Die erste halbe Stunde ist noch eher unscheinbar, doch sobald sich der namenlose Bauarbeiter dann zum ersten Mal die Sonnenbrille aufsetzt, dreht "Sie leben" mächtig auf. Die erste, in wunderschönem schwarz/weiß gehaltene Sequenz, in der er die Wahrheit über die Welt in der er lebt erkennt, ist für uns Zuschauer wohl mindestens ein ebenso großer Augenöffner wie für ihn. Die hierbei mitschwingende Konsum-, System- und Gesellschaftskritik gefällt mir auch heute noch sehr gut. Zum Finale hin dreht dann die Action zunehmend auf, um dann schließlich in einem klassischen 80er-Jahre Showdown zu münden. Neben der makellosen Inszenierung von John Carpenter und der in Erinnerung bleibenden (wenn auch etwas repetitiven) Musik ist die größte Stärke des Films aber die charismatische Performance von Roddy Piper, die vor allem dank einiger markanter One-Liner in Erinnerung bleibt. Kritisch sehe ich in erster Linie, dass die Mischung zwischen einem doch eher trashigem B-Movie mit doch eher tiefgründigen und/oder ernsthaften Elementen nicht immer ein stimmiges Ganzes ergibt (was insbesondere für den Abschlussgag gilt, der zwar überaus amüsant ist, jedoch die melancholische Stimmung des Finales zerstört), den bereits erwähnten etwas gar unaufregenden Einstieg, sowie die entschieden zu lang geratene Wrestling-Einlage in der Mitte des Films. Davon abgesehen wird "Sie leben" seinem Kultstatus aber auch heute immer noch voll und ganz gerecht.

Wertung:7 von 10 Punkten
Christian Siegel
(Bilder © 1989 Senator Film)


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