Kurzinhalt:
Vor drei Jahren hat Commander Benjamin Sisko während der Schlacht von Wolf 359 seine Frau verloren – ein Trauma, von dem er sich immer noch nicht vollständig erholt hat. Nun wird er, sehr zu seinem Missfallen, auf die Raumstation Deep Space Nine versetzt. Diese wurde ursprünglich von den Cardassianern während ihrer Besetzung Bajors gebaut – nun ist diese zu Ende, und die Sternenflotte übernimmt, um Bajor beim Wiederaufbau zu helfen. Doch nicht alle Bajoraner sind über diese Entwicklung glücklich – befürchten sie doch, einen Unterdrücker durch den nächsten ausgetauscht zu haben. Immerhin, von der spirituellen Führerin des Planeten, Kai Opaka, wird Sisko freudig empfangen. Diese führt ihn zu einem Drehkörper – dem letzten seiner Art – den die Bajoraner von ihren Propheten erhalten haben. Als er in diesen Blickt, erinnert sich Sisko plötzlich an seine erste Begegnung mit Jennifer. Er nimmt den Drehkörper daraufhin auf die Station, um diesen zusammen mit der Wissenschaftsoffizierin Jadzia Dax zu untersuchen. Als man einem Hinweis auf den Ursprung des Drehkörpers nachgeht, führt sie das schließlich zu einem stabilen Wurmloch, dass von intelligenten Lebewesen bewohnt wird…
Review:
Obwohl ich kein Fan des "Deep Space Nine"-Pilotfilms bin, war ich auf die Romanfassung dennoch schon ziemlich gespannt. Dies lag in erster Linie daran, dass ich erst kürzlich auf der "Star Trek"-Wikiseite "Memory Alpha" gelesen hatte, dass fast eine halbe Stunde an Material aus dem Pilotfilm herausgeschnitten wurde – und Romane zu Filmen oder TV-Episoden ja normalerweise auf dem Drehbuch, und nicht dem Endergebnis, basieren. Dementsprechend versprach der Roman "Botschafter" einen Einblick darin, was denn alles der Schere zum Opfer gefallen und am Schneidetisch gelandet ist. Und zumindest diesem Anspruch wurde die Romanfassung durchaus gerecht. Tatsächlich war ich über die Menge an neuen Materials trotz meiner entsprechenden Vorkenntnisse sehr überrascht, befinden sich hierin doch gleich zwei größere Nebenhandlungen, die im Pilotfilm fehlen (und dann später in der Episode "Unter Verdacht" untergebracht wurden). So haben Keiko und Miles hier eine Auseinandersetzung wegen seiner Versetzung nach "Deep Space Nine" (die Idee mit der Schule und Keiko als Lehrerin findet sich hier indes noch nicht), und zum anderen freundet sich Jake hier schon mit Nog an. Vor allem letzteres nimmt viel Platz in Anspruch, begleitet er diesen doch zuerst unwissentlich auf einen Diebstahl, um danach in Quark's Bar zu landen, wo es schließlich an ihm und Nog ist, dessen Vater nach dem Angriff der Cardassianer zu retten.
Nun war ich zwar zugegebenermaßen nicht der größte Fan eines ähnlichen Subplots aus "Unter Verdacht", "Botschafter" hat aber insofern davon profitiert, als es die Handlung abwechslungsreicher gestaltete. Generell bin ich wirklich überrascht, wie aus diesem "Drehbuch" schließlich der Pilotfilm "Der Abgesandte" wurde, den strukturell macht der Roman einen deutlich besseren, gelungeneren und vor allem "volleren" Eindruck. Zu sehen, wie viel mehr Handlung es hier eigentlich gab, macht das "Scheitern" der Serienmacher nur noch deutlicher. So findet man im Roman das Wurmloch z.B. erst nach zwei Dritteln, und nicht schon nach der Hälfte. Und selbst aus dem letzten Drittel wurden dann noch zahlreiche Szenen – wie eben alles rund um Jake und Nog – gestrichen. Dementsprechend wurde die Sisko-Handlung im eigentlichen Pilotfilm, im Vergleich zum Roman, viel zu sehr ausgewalzt. Wie sagt Bilbo so schön in "Die Gefährten": Wie Butter auf zu viel Brot verstrichen. Aus meiner Sicht war das jedenfalls ganz klar die falsche Entscheidung, und die Romanfassung kommt dem Anspruch an einen Pilotfilm, die Figuren vorzustellen, deutlich besser nach. Wovon "Botschafter" im Vergleich zu "Der Abgesandte" ebenfalls profitiert ist die Möglichkeit, in die Figuren einzutauchen und uns ihre Gedanken und Gefühle zu schildern. Vor allem Sisko profitiert hiervon enorm, lässt er doch im Roman in seinen Gedanken gleich Reue erkennen, als er Picard so anschnauzt. Und auch die anderen Figuren profitieren davon, dass ihnen hier mehr Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt wird.
Woran aber natürlich auch die Romanfassung nichts ändern konnte, sind meine generellen Probleme mit der Handlung an sich, insbesondere der ganze spirituelle Quatsch rund um die Prophezeiung des Abgesandten, die Erfahrungen mit den Drehkörpern, die Propheten, und so weiter. Auch die ständige Nachfragerei der Wurmlochwesen ging mir hier genauso auf dem Wecker wie beim Pilotfilm (wobei die Tatsache, dass es hier häufigere Schauplatzwechsel gab und die Propheten-Handlung somit im Roman an dieser Stelle nicht so dominant war im Pilotfilm, etwas Abhilfe schaffte. Zudem wurden die Fragen – in der Übersetzung? – wenigstens nicht immer gleich formuliert. Und dass Sisko die ständige Fragerei ebenfalls ermüdend fand, fand ich irgendwie recht amüsant, konnte ich ihm da doch nur zustimmen). Was die Kontinuität betrifft, leidet "Deep Space Nine" zudem so wie zuvor schon "Next Generation" darunter, dass man die Figuren bzw. ihre Lebensläufe im Vorfeld nicht bereits vollständig ausgearbeitet hatte, was sich z.B. daran zeigt, dass Odo hier im Roman behauptet, von den Bajoranern gleich nach seiner Ankunft mit offenen Armen empfangen worden zu sein (dass er jahrelang in cardassianischer Gefangenschaft von Dr. Mora erforscht wurde, wird mit keinem Wort erwähnt), und sich scheinbar – trotz seiner Formwandler-Fähigkeiten davor fürchtete und immer noch fürchtet, durch Cardassianer einen gewaltsamen Tod zu finden (wie wir wissen ist es ja gar nicht mal so leicht, einen Wechselbalg zu töten). Und wenn Dr. Bashir zu sich denkt, dass er nie gelernt hat, seine Fähigkeiten weniger deutlich in der Öffentlichkeit zu zeigen, kann man sich als informierter Trekkie ob der späteren Offenbarung zur Figur auch ein Stirnrunzeln eher nicht verkneifen.
Etwas verkrampft erscheint auch, dass sich Jake bereits nach einem halben Tag mit Nog diesem schon so verbunden fühlt, dass er auf einmal von Deep Space Nine nicht mehr weg will. Ich hoffe echt, die Siskos waren die auf Urlaub, und wenn, dann nur irgendwo einsiedlerisch unterwegs, so dass er ja nie mit anderen Kontakt aufnehmen konnte, von denen er sich dann nach einem Tag oder einer Woche auch schon wieder trennen musste! Weil scheinbar hält der arme Jake sowas ja überhaupt nicht aus. Und zumindest eine Person gab es, deren Ansehen bei mir im Roman im Vergleich zum Pilotfilm doch eher gelitten hat. Denn wo Kira dort sehr abgebrüht und bodenständig rüberkommt, schickt sie hier nun auf einmal ein gedankliches Gebet in Richtung Kai Opaka – und das, obwohl sie davor noch als Ungläubige etabliert wurde. Generell mag der Roman zwar einen etwas besseren Job dabei machen, die Figuren vorzustellen – in erster Linie dadurch, dass wir Einblick in ihre Gedankenwelt gelingen, und natürlich auch, da und dort ein paar Szenen mehr mit ihnen verbringen, als dies im Pilotfilm der Fall war – dennoch ist auch "Botschafter" sehr Sisko-zentrisch, und bleiben die anderen Figuren doch eher auf der Strecke. Und sonderlich spannend fand ich das Geschehen halt leider da wie dort nicht. Es fehlte mir ein Haken, ein interessantes Rätsel – alles rund um die Drehkörper und die Wurmlochwesen stillte zumindest meinen entsprechenden Hunger nicht, da es mir einfach zu mystisch und spirituell angehaucht war. Last but not least bleibt im Roman wie im Pilotfilm die Frage ungeklärt, warum die Wurmlochwesen zuerst behaupten, die Benützung der Passage wäre für sie gefährlich und würde ihre Existenz bedrohen, und dann auf einmal die Erlaubnis geben, das Wurmloch für Flüge in den Gamma-Quadranten zu nutzen. Dass selbst "Botschafter" die Frage nicht beantwortet, macht deutlich, dass die Antwort nicht einfach nur herausgeschnitten wurde, sondern die Macher sich diesen Meinungsumschwung wohl selbst nicht erklären konnten.
Fazit:
Die Romanfassung von "Der Abgesandte", wo dieser in "Botschafter" unbenannt wurde, konnte mir einen Hauch besser gefallen als der eigentliche Pilotfilm. Die Figuren werden etwas mehr beleuchtet, und es gibt deutlich mehr Handlung, da zahlreiche (vor allem Charakter-)Szenen der Schere zum Opfer fielen. Unter der daraus resultierenden Inhaltsleere litt ja vor allem die zweite Hälfte des Pilotfilms für mich enorm. Daran, dass mir die Handlung hier eher weniger zusagt, kaum Spannung aufkommt, ich mit dem spirituellen Einschlag nichts anfangen konnte, und mir irgendein Haken fehlte, mit dem die Geschichte meine Aufmerksamkeit und mein Interesse geweckt hätte. Kann aber halt leider auch J. M. Dillard in ihrer ansonsten solide geschriebenen Romanversion nichts ändern. Fans von "Deep Space Nine" sei jedoch ein Blick in die Romanfassung von "Der Abgesandte" schon allein aufgrund der zahlreichen zusätzlichen Szenen durchaus empfohlen.
Bewertung: 2.5/5 Punkten
Christian Siegel
Mitreden! Sagt uns eure Meinung zum Roman im SpacePub!
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