Originaltitel: Death Doesn't Let You Say Goodbye Episodennummer: 1x09 Bewertung: Weltweite Internet-VÖ: 05. Juni 2015 (Netflix) Drehbuch: Wachowskis & J. Michael Straczynski Regie: Wachowskis Hauptdarsteller:
Aml Ameen als Capheus van Damnne,
Doona Bae als Sun Bak,
Jamie Clayton als Nomi Marks,
Tina Desai als Kala Dandekar,
Tuppence Middleton als Riley Blue,
Max Riemelt als Wolfgang Bogdanow,
Miguel Ángel Silvestre als Lito Rodriguez,
Brian J. Smith als Will Gorski.
Gastdarsteller:
Naveen Andreas als Jonas Maliki,
Lilja Þórisdóttir als Yrsa,
Freema Agyeman als Amanita,
Alfonso Herrera als Hernando,
Chichi Seii als Shiro,
Max Mauff als Felix Bernner,
Christian Oliver als Steiner,
Purab Kohli als Rajan Rasal u.a.
Kurzinhalt:
Riley stellt sich dem Geist aus ihrer Kindheit – die sich als geheimnisvolle Frau herausstellt, bei der es sich ebenfalls um eine sensate handelt. Diese warnt sie vor Romanzen innerhalb von Sensate-Gruppen, sowie vor Jonas, der angeblich in Wahrheit für BPO – jene mächtige Organisation, die Jagd auf Sensates macht – arbeiten soll. Eben dieser stattet zur gleichen Zeit Will einen Besuch ab, und warnt diesen davor, dass Mr. Whispers ihnen nach wie vor auf der Spur ist. Doch nach Rileys Warnung ist sich Will unsicher, ob er ihm nach wie vor trauen kann. Lito ist indes ob der Trennung von Hernando am Boden zerstört. Er sucht jene Galerie auf, die sie bei ihrer ersten Verabredung besucht haben – und erzählt Nomi, die ihn "besucht" davon. Danach lässt diese ihn wiederum ebenfalls einem dramatischen Ereignis aus ihrer Vergangenheit teilhaben. In Mumbai wird währenddessen Kala von der Polizei zum Tod ihres Schwiegervaters in spe befragt. Wolfgang wird von seinem Onkel bedroht, der klar macht, dass der Anschlag auf Felix nur der Anfang war. Sun erhält im Gefängnis Besuch von ihrem Vater, der sich reuig zeigt und der Polizei alles verraten will. Und Riley stellt sich ihrer tragischen Vergangenheit…
Review:
In "Der Tod lässt keinen Abschied zu" macht die der Serie zugrundeliegende Mythologie wieder einen großen Satz nach vorne – wenn wir auch, wie sich das für eine Mystery-Serie gehört, wieder mindestens so viele neue Fragen wie Antworten erhalten. Gut gefallen hat mir dabei die hier nun folgende wissenschaftlich-rationale Erklärung für Rileys Erscheinung aus der Kindheit, die sie damals gewarnt hat, dass sie in Island in Gefahr sei – handelte es sich dabei doch um eine andere Sensate. Diese rät Riley nun nicht nur, Island so rasch als möglich wieder zu verlassen – da BPO dort einen Standort hat – sondern warnt sie zudem vor Romanzen innerhalb eines Clusters (da sie Rileys Gefühle für Will spürt), da sie damit alle anderen in ihrer Gruppe in Gefahr bringen würden. Besonders interessant war dann jedoch ihre Reaktion, als sie hört, dass sich Will – der gerade mit Riley in Verbindung steht; diese Art der "Sensate-Konferenz" über Will und Riley als Verbindungsglieder fand ich wirklich interessant – parallel mit Jonas trifft, der angeblich für BPO arbeiten und zusammen mit Angelica sensates "geboren" haben soll, um diese so leichter aufspüren zu können. Damit wird die Glaubwürdigkeit unseres bisher stärksten Ankers zum mythologischen Hintergrund der Serie auf einmal in Zweifel gezogen. Das hatte schon fast etwas von "Akte X".
Doch so gut ich es auch fand, dass das zentrale Mysterium endlich wieder ein bisschen in den Mittelpunkt rückte und wir mehr Informationen rund um diese geheimnisvolle Fähigkeit erfahren haben – im Vergleich zu den persönlichen Geschichten und den ganzen Hintergrundinformationen die wir über die Figuren erfahren, war es für mich dennoch der weitaus uninteressantere Teil (was nicht etwa daran liegt, dass dieses Element uninteressant gewesen wäre, sondern vielmehr, dass ich den Rest einfach viel packender und gelungener fand). So sehr ich auch den Wunsch nach einem großen "Bösewicht" verstehen kann, nach einer übergreifenden Bedrohung für die sensates abseits ihrer privaten Probleme, letztendlich ist diese große, mächtige Organisation im Hintergrund der klischeehafteste und gewöhnlichste Teil der Serie. Und generell bin ich mittlerweile in ihren individuellen Geschichten und den dort auf sie wartenden Herausforderungen so gefangen, dass mich diese halt einfach viel mehr interessieren und mitreißen, als die größere Mythologie rund um den Grund für ihre Verbindung, sowie die Verfolgung durch die BPO. Zumal ich auch der Ansicht bin, dass sich in den persönlichen Geschichten – bzw. der Art und Weise, wie die sensates miteinander verbunden ist (im Gegensatz zum warum) und sich so gegenseitig unterstützen – der wahre thematische Mittelpunkt, das Herz und die Seele bzw. die zentralen Aussagen der Serie finden lassen. Nämlich einerseits die Verbundenheit zwischen Menschen über alle geographischen (die ja nicht zuletzt aufgrund der heutigen Technologie wie Handy, Internet etc. ohnehin immer mehr verschwinden, und hier einfach nur noch einen Schritt weiter geführt werden – wie Amanita in der letzten Folge ja z.B. mit ihrem "Facetime ohne Handy"-Gag verdeutlicht hat) und kulturellen Grenzen hinweg.
Vor allem aber ist "Sense8" eine Serie über Empathie. Darüber, mit anderen mitzufühlen, sich in ihre Lage zu versetzen, in ihren Schuhen zu stecken. Wie man sich gegenseitig helfen kann, sei es indem man gegenseitig Erfahrungen und/oder Fähigkeiten austauscht, oder auch nur dadurch füreinander da zu sein und dem anderen zuzuhören. Der anderen Person das Gefühl zu geben, dass sie nicht allein ist auf der Welt. Das bilden von Gemeinschaften als die größte Stärke – und die positivste Eigenschaft – der Menschheit; "Babylon 5"-Fans sollte dies bekannt vorkommen. "Der Tod lässt einen Abschied zu" führt uns dabei sowohl das Beste als auch das Schlechteste, was die Menschheit zu bieten hat, vor Augen – und das in erster Linie in einer der wundervollsten Szenen der Episode, dem Gespräch zwischen Lito und Nomi. Als Nomi von ihren eigenen, persönlichen – und ungemein erschreckende – Erfahrungen berichtet, kam ich nicht umhin, Litos Zorn nachzuvollziehen. Es ist eine ungemein starke und erschütternde Szene. In der Art und Weise, wie sie sich beide über ihren Kummer hinweghelfen (das gleiche geschieht übrigens kurz darauf bei Riley und Capheus), rückt dann wiederum die positive – eben empathische – Seite der Menschheit in den Mittelpunkt.
Nomi und Lito erweisen sich dabei insofern als besonders interessante und gelungene Paarung, als die beiden einerseits vieles gemeinsam haben, andererseits aber an sehr unterschiedlichen Punkten in ihrem Leben stehen. Nomi hat ihr Coming Out – mit allen damit einhergehenden Folgen, sowohl positiver als auch negativer Natur – hinter sich, und auch wenn die gemeinsamen Szenen mit ihrer Familie zu Beginn der Staffel gezeigt hat, dass dies sicher nicht immer leicht war, ist sie – abseits der davon unabhängigen Bedrohung durch die BPO – mittlerweile an einem glücklichen Punkt in ihrem Leben angekommen. Sie hat diese Hürden überwunden und "sich selbst verwirklicht". Damit bietet sie Lito quasi ein Vorbild – steht ihm dieser Weg doch noch bevor (so er denn überhaupt beschließt, diesen einzuschlagen). Ihn bei seinem ersten Date mit Hernando zu sehen, und wie glücklich er dabei war, machte mich zudem wieder auf jene Teile der Menschheit wütend, die anderen in ihrem Glück aus Intoleranz heraus einen Stein in den Weg legen. Er sollte sich einfach nicht zwischen seinem privaten und seinem beruflichen Glück entscheiden müssen, und dass es sich eben dazu gezwungen sieht, machte mich ungemein traurig. Das einzige, was für mich in diesem Handlungsstrang nicht wirklich funktioniert hat, war der Ausgang des Geschehens, mit dem stockbesoffenen – und selbstmörderischen – Lito im Pool. Das war mir einerseits zu überdramatisch, und andererseits schon fast komikhaft überzeichnet, wobei sich die (unfreiwilligen?) Komik mit dem tragischen Ton der Szene spießte. Die vorangegangene Szene zwischen Lito und Nomi zählte jedoch zu den besten Momenten, die uns "Sense8" bisher beschert hat.
Die zweite hervorstechende Szene, die mich emotional enorm berühren konnte, war dann Riley am Grab, wo wir endlich mehr über jenen schweren Schicksalsschlag erfahren, der dazu führte, dass sie Island den Rücken gekehrt hat – und eben dieser traf mich echt wie ein Schlag in die Magengrube. Nicht zuletzt angesichts der schön gemachten Rückblenden (wo es sehr überzeugend gelungen ist, Tuppence Middleton um mindestens 10 Jahre jünger aussehen zu lassen) zu ihrer Jugend. Und natürlich die kurzen Flashbacks zu ihr auf dem Berg, die mit einem herrlichen Kontrast zwischen wunderschönen Bildern und dem schrecklichen dort transportierten Inhalt aufwarten konnte. Aber auch diese sehr traurige Szene nimmt schließlich durch Capheus Besuch und ihren gemeinsamen Austausch ihres Kummers – nach dem Motto "Geteiltes Leid ist halbes Leid" erstaunlich versöhnliche Züge an. Wunderbar fand ich zudem auch die Rückblende in seine eigene Vergangenheit, mit einem ähnlich tragischen Ereignis. Insgesamt lagen bei "Der Tod lässt keinen Abschied" zu die Highlights jedenfalls ganz klar in den persönlichen Geschichten, und dabei insbesondere auch in der Vergangenheit der Figuren, in die wir hier wieder einen tieferen Einblick erhielten.
Alle anderen Handlungsstränge verblassen im Vergleich zu diesen ungemein berührenden Einzelmomenten, konnten mir grundsätzlich aber ebenfalls ganz gut gefallen. Lediglich alles rund um Will und Sarah fand ich wieder mal eher verwirrend. War diese auch eine sensate, und bestand daher zu ihr schon als Kind eine Verbindung? Irgendwie finde ich momentan, das ist um einen Mystery-Aspekt zu viel, gibt es auch unabhängig davon eigentlich schon genug offene Fragen. An der Story rund um Kala fand ich vor allem nett, dass sich ihr Verlobter wieder einmal als überaus netter, loyaler und ihr beistehender Mann beweisen durfte – was ihren Handlungsstrang (im Vergleich zur gegenteiligen Option, ihn als Arschloch darzustellen) enorm aufwertet, da es ihr Dilemma nur noch größer und nachvollziehbarer macht. Ein Silberstreifen am Horizont tat sich indes bei Sun auf. Ich hatte mich ja schon gefragt, wie sie sie aus dem Gefängnis herausschaffen wollen – wäre es doch wohl auf Dauer nicht sehr interessant, in ihrem Handlungsstrang einer zweiten "Orange is the New Black"-Serie zu folgen. Aber damit, dass ihr Vater sich zu einem Geständnis durchringen würde, hatte ich nicht gerechnet. Nicht viel getan hat sich indes bei Wolfgang – dort werden, mit der Drohung durch den Gangsterboss, wohl in erster Linie die Weichen für den Rest der Staffel gestellt. "Der Tod lässt keinen Abschied zu" konnte mir aber nicht nur inhaltlich überwiegend sehr gut gefallen, sondern stach – trotz der allgemein hohen Produktionsqualität der Serie – auch inszenatorisch hervor. Einerseits durch die wunderschönen Landschaftsaufnahmen aus Island, welche die Episode für mich enorm aufwerteten. Andererseits durch so imposante, nette Einstellungen wie Riley, die mit einer Laterne in der Hand die Höhle hinabsteigt – ein wunderschönes Bild, dass sich locker mit den optisch eindrucksvollsten Momenten messen konnte, die mir bislang heuer entweder im Kino oder auf dem Fernsehschirm untergekommen sind. Und mit einer netten Variation des Hauptthemas in der Bar in Mexico, einer wundervollen instrumentalen Interpretation von Michael Andrews "Mad World", sowie dem gänsehauterregenden "Knocking on Heavens Door"-Cover von Anthony & The Johnsons bot die Episode nicht nur einen Augen-, sondern auch einen Ohrenschmaus.
Fazit:
Zwar brachte "Der Tod lässt keinen Abschied zu" die zugrundeliegende Mythologie wieder einige Schritte weiter, und sorgte dafür, dass wir wieder etwas mehr darüber erfahren haben, wie das mit den Verbindungen denn eigentlich funktioniert; und das Ganze war zweifellos auch sehr interessant und vermittelte auch plausibel das Gefühl, dass was den Mystery-Aspekt betrifft endlich wieder etwas weitergeht. Mittlerweile bin ich von den persönlichen Geschichten aber derart gefesselt, dass mich diese eigentlich deutlich mehr interessieren – nicht zuletzt, da die Geschichte rund um die übermächtige, sie verfolgende Organisation der klischeehafteste und gewöhnlichste Aspekt der Serie ist. Insofern lag für mich die größte Stärke bei dieser Episode vielmehr in den sehr persönlichen Geschichten, und insbesondere in der Aufrollung einiger tragischer Ereignisse aus ihrer Vergangenheit. In der Art und Weise, wie sich die Sensates durch ihre telepathische und empathische Verbindung helfen, kam auch eines der zentralen Themen der Serie wieder sehr schön zur Geltung. Besonders positiv stachen dabei für mich die gemeinsame Szene von Lito und Nomi – die generell eine logische und sehr interessante Paarung sind – sowie von Riley und Capheus hervor. In beiden Fällen helfen sich die Sensates durch den Austausch persönlicher Erfahrungen, die Anwendung des Prinzips "Geteiltes Leid ist halbes Leid", und ganz einfach dadurch, dass sie füreinander da sind. Hierin liegt für mich das Herz, die Seele und letztendlich auch die größte Stärke der Serie. Inszenatorisch stach diese Episode für mich ebenfalls wieder einmal heraus, insbesondere mit den beeindruckenden Landschaftsaufnahmen von Island, der einen oder anderen auffälligen Einstellung, oder auch der wieder einmal wundervollen musikalischen Untermalung einzelner Szenen. Letzten Endes ist "Der Tod lässt keinen Abschied zu" nur einen selbstmörderischen Lito von der Höchstwertung entfernt.