Sense8 - 1x03: Wer Ahnung hat, setzt auf die dünne Schlampe
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Originaltitel: Smart Money's on the Skinny Bitch Episodennummer: 1x03 Bewertung: Weltweite Internet-VÖ: 05. Juni 2015 (Netflix) Drehbuch: Wachowskis & J. Michael Straczynski Regie: Wachowskis Hauptdarsteller:
Aml Ameen als Capheus van Damnne,
Doona Bae als Sun Bak,
Jamie Clayton als Nomi Marks,
Tina Desai als Kala Dandekar,
Tuppence Middleton als Riley Blue,
Max Riemelt als Wolfgang Bogdanow,
Miguel Ángel Silvestre als Lito Rodriguez,
Brian J. Smith als Will Gorski.
Gastdarsteller:
Paul Ogola als Jela,
Alfonso Herrera als Hernando,
Eréndira Ibarra als Daniela Velasquez,
Raúl Méndez als Joaquin Flores,
Adam Shapiro als Dr. Metzger,
Frank Dillane als Shugs,
Nicôle Lecky als Bambie,
Ness Bautista als Diego u.a.
Kurzinhalt:
Mit Hilfe seines Freundes Jela gelingt es Capheus, mit dem Geld aus dem Betrieb ihres Busses AIDS-Medikamente auf dem illegalen Schwarzmarkt zu erwerben, die seine Mutter dringend zum Überleben braucht. Auf ihrer Rückfahrt in sein Heimatdorf wird jedoch ihr Bus überfallen, und die Diebe beklauen nicht nur ihre Fahrgäste, sondern nehmen Capheus auch die Medikamente ab. Nachdem sie das Geld aus dem schiefgelaufenen Drogenüberfall losgeworden ist, kommt Riley kurzfristig bei einem alten Freund unter. Lito und Daniela machen ihre Schein-Beziehung öffentlich – sehr zum Missfallen ihres Exfreundes, seines Zeichens Gangsterboss, der Lito daraufhin während eines gemeinsamen Mittagessens bedroht. In San Francisco soll in Kürze Nomis Operation stattfinden. Will hat Visionen von Sara Patrell, einem vermissten Mädchen, zu dem er schon als Kind eine Verbindung gespürt hat. Und in Seoul muss Sun eine schwerwiegende Entscheidung bezüglich der Firma ihres Vaters treffen. Als dieser neuerlich verweigert, sie zu sehen, steigt sie als Kickboxerin in den Ring, um sich abzureagieren. Als plötzlich Capheus blutend vor ihren Füßen liegt, beginnen die beiden jedoch langsam zu verstehen, wie tief die Verbindung zwischen ihnen acht eigentlich ist…
Review:
Viele Internet-Kommentatoren meinten in der letzten Woche, seither die Serie veröffentlicht wurden, dass sie bis zum Ende der dritten Episode brauchten, um wirklich in die Serie hineinzufinden. Mir ging es da leider irgendwie genau umgekehrt: Reingefunden hatte ich eigentlich schnell – aber abseits der gut inszenierten Abschlussszene fand ich die dritte Episode insgesamt leider nicht sonderlich prickelnd. Den Kritikern wurden vorab ja nur drei der zwölf Episoden zugänglich gemacht – und auch wenn mir bewusst ist, dass man es auch anders sehen kann, da ja viele gerade auch von der dritten Folge sehr begeistert waren, denke ich, dass ich nach Sichtung von "Wer Ahnung hat, setzt auf die dünne Schlampe" die nicht ganz so überragenden Kritikerstimmen besser verstehen kann. Denn während ich den Einstieg recht gelungen fand, hatte ich nun auch hier den Eindruck, dass mir die Geschichte ein bisschen zu langsam vorangeht. Die individuellen Geschichten waren nach wie vor recht nett und mit einzelnen Höhepunkten versehen. Aber insgesamt hat mich die dritte Folge nicht mehr ganz so gepackt wie die Episoden zuvor.
Ein Grund dafür liegt sicherlich bei der Handlung in Seoul. Ich finde, mit einer Antwort auf die Frage, womit genau Sun denn eigentlich hadert, lässt man sich mittlerweile doch etwas zu viel Zeit. Auch hier belässt man es wieder bei bedeutungsschwangeren Einstellungen einer nachdenklichen Sun am Fenster, und Andeutungen rund um die (unbeantworteten) Anrufe von der Bank, und der Tatsache, dass ihr Vater nicht mit ihr sprechen will. Ohne ihr Dilemma genau zu kennen, war es für mich als Zuschauer aber schwer, so richtig mit ihr mitzufühlen und mich in sie hineinzuversetzen. Nett war hingegen ihre Offenbarung als Kickboxerin – vor allem natürlich wegen ihrer Verbindung zu Capheus, aber dazu gleich noch. Nett fand ich auch wieder die Handlung in Mexico, die so luftig-locker beginnt wie sie in der letzten Episode aufgehört hat, dann jedoch mit Danielas gefährlichem Exfreund deutlich bedrohlichere Töne anschlägt. Ob sich Joaquin wohl mit Litos überzeugendem Liebesgeständnis (er ist halt ein echt guter Schauspieler) zufrieden geben wird? Auch in San Francisco sorgte man kurzfristig für Spannung. Zwar hatte ich eigentlich schon gedacht, dass die ja wohl kaum wirklich mit Nomis Operation fortfahren werden, aber kurzfristig fragte ich mich echt, wie sie die Drehbuchautoren aus dieser misslichen Lage wieder herausmanövrieren wollen. Der Feueralarm war dann grundsätzlich eine nette Idee dafür – nur auf die "Rückblende" rund um Amanitas Aussage am Telefon in der letzten Folge hätte ich verzichten können. Immerhin ist "Sense8" ja keine klassische Serie, wo zwischen den Folgen eine Woche liegt, sondern ist ja eigentlich ohnehin zum bingewatchen gedacht. Generell ist es definitiv eine Serie, die in vielerlei Hinsicht auf die Intelligenz des Zuschauers vertraut. Insofern fand ich dieses "dem dummen Zuschauer alles erklären" gerade auch bei "Sense8" sehr unpassend und unlogisch.
Etwas zu mysteriös war mir auch alles rund um Will und das vermisste Mädchen aus seiner Kindheit. Hatte er etwa damals ebenfalls schon mal eine sensate-artige Verbindung zu jemandem? Hier hoffe ich demnächst auf eine Aufklärung, was das sollte. Zumal ich eigentlich kein Freund solcher Visions-/Traum-artigen Sequenzen bin. Riley irrt indes nach dem schrecklichen Vorfall am Ende der ersten Folge nach wie vor eher ziellos durch London. Gut gefallen hat mir in erster Linie der Moment, wo sie dem Klavierspieler in der U-Bahn das Geld hineinlegt – einfach nur, damit sie es los ist. Davon abgesehen ist dieser Handlungsstrang aber in etwa so ziellos wie die Protagonistin selbst, was das Geschehen zumindest für mich jetzt nicht sonderlich packend gemacht hat. Nett fand ich in erster Linie die Überschneidung des titelspendenden Zitats ihres Freundes mit dem Finale der Episode. Er meint mit seiner Aussage zwar eigentlich Riley, aber wenn man den Folgentitel betrachtet könnte man sagen, dass dies mindestens so gut, wenn nicht sogar besser, auf Sun passt, die am Ende dann in den Kickbox-Ring tritt.
Womit wir in gewisser Weise auch beim besten Handlungsstrang der Episode angekommen wären, nämlich jenem in Nairobi. Dort erfahren wir endlich, was Capheus antreibt, und warum er eigentlich mit seinem Freund das Busunternehmen unterhält: Er braucht das Geld dringend für Medikamente für seine AIDS-kranke Mutter, die er auf dem Schwarzmarkt besorgt. In kurzen Rückblenden aus seiner Kindheit wird zudem ihre Beziehung zueinander – von der wir in der Gegenwart ja noch nicht so viel gesehen haben – vertieft. Genau das ist auch der Punkt, warum diese Handlung für mich so gut funktioniert hat, und jene in Seoul kaum: Wir wissen, was Capheus antreibt, wofür er die Medikamente braucht, und was auf dem Spiel steht. Eben deshalb trifft es einen auch, wenn der Bus überfallen wird, und die Gangster ihm eben diese wegnehmen. Toll dann auch der Moment, wo Capheus scheinbar Suns Adrenalin vor ihrem Kampf zu spüren bekommt und etwas macht, dass er sonst wohl nie im Leben in Betracht gezogen hätte: Er schnappt sich den Bus und jagt ihnen hinterher, um sich die Medikamente zurückzuholen (begleitet von Jelas unsterblichen Worten "May Jean-Claude protect you!"). Hilfe bekommt er dabei einerseits von Sun, die – wenn ich das richtig verstanden habe – an seiner statt kämpft, sowie von Will, der für ihn die Gegner mit der Waffe ausschaltet. Es ist eine ungemein packende, tolle, mitreißende Sequenz, die zudem auch fantastisch inszeniert wurde, und die deutlich macht, wie tief die Verbindung zwischen den acht Personen geht. Zugleich hat sie bei mir aber auch die eine oder andere Frage aufgeworfen: Haben Capheus und Sun tatsächlich quasi kurz die Körper getauscht? Oder hat Sun beide zugleich gesteuert? Wenn letzteres, ist es halt schon ein etwas gar großer Zufall, dass ihre Bewegungen an beiden Schauplätzen die Gegner ausgeschaltet haben. Hier wäre über kurz oder lang jedenfalls eine Antwort willkommen, wie das genau funktioniert (hat).
Fazit:
"Wer Ahnung hat, setzt auf die dünne Schlampe" war die erste Folge der Serie, wo ich die Unkenrufe so mancher Kritiker, "Sense8" sei im Aufbau zu langsam, nachvollziehen konnte. Denn auch mir passierte diesmal zu wenig – oder zumindest, zu wenig interessantes. Nett fand ich in erster Linie alles rund um Capheus, einfach, da ich bei diesem Handlungsstrang emotional involviert war. Aber auch den tonalen Wechsel in der Lito-Story fand ich interessant. Alles rund um Will und seine Verbindung zum verschwundenen Mädchen war mir aber etwas gar zu mysteriös und klischeehaft, bei Nomi hätte man sich das Zitat der vorangegangenen Folge (vermeintlich für die "dummen" Zuschauer) schenken und auf die Intelligenz der Zuschauer vertrauen sollen, und die Handlung in Seoul leidet nach wie vor darunter, dass ich keine Ahnung habe, welches Dilemma Sun denn eigentlich genau belastet. Die abschließende Szene war dann zwar sehr mitreißend, allerdings fragte ich mich zugleich, was bzw. wie das da denn eigentlich genau passiert ist – einfach, da wir bislang noch zu wenig darüber wissen, wie diese Verbindung funktioniert. Insgesamt konnte mich die dritte Folge also nicht mehr ganz so packen und/oder faszinieren, wie die beiden zuvor.