Kurzinhalt:
Die Enterprise hat den angesehenen Exologen Eric Baldwin – einen Jugendfreund von Captain Picard – an Bord genommen, um diesen mit seinen jüngsten Daten über die d'Ort'd – auf deren tränenförmiges Schiff die Enterprise Wochen zuvor gestoßen ist – zum Föderationsarchiv auf Memory Alpha zu bringen. Zur gleichen Zeit setzt es sich Wesley Crusher in den Kopf, sich mehr auf eine zukünftige Karriere im Kommandobereich vorzubereiten. Mit Hilfe von LaForge und Data programmiert er eine völlig neue außerirdische Rasse, die er Boogeymen nennt, und die ihn während einer Holodeck-Simulation als selbst denkendes Programm vor immer neuen Herausforderungen stellen sollen. Captain Picard schlägt als ersten Test zudem das Kobayashi Maru-Szenario vor. Wesley Crusher stellt sich dem Test, und kann das Szenario so wie fast alle Kadetten vor ihm natürlich nicht besiegen. Danach wollen Picard, Data und er das Holodeck verlassen – doch statt auf der echten Enterprise finden sie sich vielmehr in einer weiteren Simulation wieder. Erst nach einigen Versuchen gelingt es ihnen schließlich, den Boogeymen zu entkommen. Doch diesen gelingt es über Data, in den Computerkern der echten Enterprise zu gelangen. Doch die Boogeymen sind nicht die einzige Herausforderung, der sich die Besatzung der Enterprise stellen muss: Denn wenig später wird das Schiff von den d'Ort'd übernommen und zu ihrem Heimatplaneten gebracht…
Review:
"Baldwins Entdeckungen" ist ein Roman der interessanten Ideen, aber zugleich leider auch der ungenutzten Möglichkeiten. Grundsätzlich denke ich, dass in der Story, den einzelnen Figuren, den hier enthaltenen Ideen usw. das Potential zu einer wirklich guten, packenden Geschichte steckt. Ja, selbst wenn es sich bis zu einem gewissen Grad um eine Holodeck-Erzählung handelt, und bereits die Serie an Holodeck-Folgen nicht unbedingt arm war – weshalb man durchaus kritisch hinterfragen darf, ob es jetzt unbedingt auch noch einen Roman, der dieses ins Zentrum rückt, gebraucht hat. Aber die grundsätzlich Idee, dass Wesley, Picard und Data in einer Simulation der Enterprise gefangen sind, und nach einem Weg suchen müssen, aus dieser zu entkommen, gefällt mir vom Grundgedanken her eigentlich recht gut. Nicht zuletzt aufgrund des netten Spiels rund um Realität und Illusion, dass sich hierbei anbietet. Leider nützt Mel Gilden die entsprechenden Möglichkeiten nur eher rudimentär aus. Er scheitert zudem daran, die Abenteuer auf dem Holodeck interessant und abwechslungsreich zu gestalten. Man kann einfach nur so oft den praktisch immer gleichen Ablauf lesen – Captain Picard gibt das Kommando den Ausgang anzuzeigen, woraufhin diese in den Korridor treten und von drei Boogeymen angegriffen werden – ehe es langweilig wird. Die Art und Weise wie ihnen die Flucht letztendlich gelungen ist, hat mir dafür dann wieder gefallen. Das war wirklich ein netter Einfall.
Der weitere Verlauf des Romans leidet dann jedoch darunter, dass sich Mel Gilden nicht für eine Geschichte bzw. einen Widersacher entscheiden kann. Auf der einen Seite haben wir die Boogeymen, die dank Data in den Computerkern der Enterprise gelangt sind und ihren Siegeszug nun in der Realität fortsetzen, und auf der anderen die d'Ort'd. Von Eric Baldwin und seiner Agenda ganz zu schweigen. Dadurch verliert der Roman nach der Holodeck-Episode zunehmend den Fokus, und wirkt in zu viele Richtungen verstreut. Zudem kam den ganzen Roman über keine echte Spannung auf. Im Holodeck selbst kann ich das noch verzeihen, liegt es dort doch aufgrund der Sicherheitsprotokolle in der Natur der Sache. Aber auch danach schaffte es Mel Gilden nicht wirklich, eine bedrohliche Atmosphäre aufzubauen – was wohl vor allem daran liegt, dass zu viel auf dem Spiel steht. Wenn dann mal die Zerstörung der Enterprise – oder genauer gesagt, der Tod der gesamten Besatzung – auf dem Spiel steht, weiß man einfach, dass der Plan der Boogeymen nicht von Erfolg gekrönt sein kann. Hier dann noch künstlich zu versuchen die Spannungsschraube anzudrehen, in dem die Rettung praktisch in letzter Sekunde gelingt, ist von vornherein zum Scheitern verurteilt. Insofern hätte ich es vorgezogen, wenn die Boogeymen im Holodeck geblieben wären, und man sich danach voll und ganz auf die d'Ort'd konzentriert hätte. Denn das ist ja der nächste Punkt: Die sind grundsätzlich sehr originell erdacht, und das Konzept dahinter konnte mich wirklich begeistern. Leider aber kamen sie leider wegen der dauerpräsenten Bedrohung durch die Boogeymen nie wirklich zur Geltung.
Und dann ist da noch Eric Baldwin, dem beim deutschen Titel, obwohl er eigentlich die kleinste Rolle spielt, der Vorzug gegeben wurde. Auch aus dieser Figur hätte man durchaus etwas machen können, aber a) geht er neben den Boogeymen und den d'Ort'd praktisch völlig unter, und b) war seine Entwicklung für mich leider nicht nachvollziehbar. Der Roman beschäftigt sich eigentlich überhaupt nicht mit der Frage, woher seine Paranoia kommt, und konnte mir auch weder seinen Irrsinnsanfall gegen Ende hin noch seinen nervlichen Zusammenbruch begreiflich machen. Schade auch, dass es Mel Gilden verabsäumt, wenn Deanna schon mal eine wichtige Funktion spielt und mal ihren Wert für die Enterprise-Crew beweist, uns auch daran teilhaben zu lassen – denn wie genau es ihr gelungen ist, dass sich Baldwin wieder beruhigt, bleibt uns leider verborgen. Der letzte wesentliche Kritikpunkt ist dann, dass Wesley – der jetzt nicht unbedingt meine Lieblingsfigur ist – hier eine zentrale Rolle spielt. Mel Gilden schreibt ihn zwar deutlich sympathischer als so manche Drehbuch- und/oder Romanautoren vor ihm, aber ein echter Wesley-Fan werde ich wohl nicht mehr werden; daran änderte auch "Baldwins Entdeckungen" nichts. Es gäbe darüber hinaus jetzt auch noch den einen oder anderen kleineren Kritikpunkt – so fand ich es unverständlich, dass Picard Wesley dass Kobayashi Maru-Szenario durchspielen lässt; immerhin ist das ein Charaktertest, der ja eigentlich nur beim ersten Mal so richtig funktioniert und/oder aufschlussreich ist – aber die waren dann auch schon egal. Der Teufel steckte im Falle von "Baldwins Entdeckungen" nämlich nicht im Detail, sondern in der mäßigen Umsetzung der – durchaus vielversprechenden – einzelnen Ideen des Autors.
Fazit:
"Baldwins Entdeckungen" liegen ein paar vielversprechende, interessante und potentiell faszinierende Ideen zugrunde. Aber was Mel Gilden letztendlich daraus macht, hat mich insgesamt doch ein wenig enttäuscht. Anstatt sich auf ein Thema/eine Figur/eine Bedrohung zu konzentrieren, präsentiert er einen ziemlichen Mischmasch, bei dem letztendlich das faszinierende Volk der d'Ort'd sowie der im deutschen titelspendende Eric Baldwin leider ziemlich auf der Strecke bleiben. Die Boogeymen starten grundsätzlich auf dem Holodeck ziemlich stark, verlieren aber aufgrund der ständigen Wiederholungen ähnlicher Konfrontationen schnell an Reiz. Und der Versuch, mit ihrer Übernahme des Enterprise-Computers für Spannung zu sorgen, hat zumindest bei mir nicht funktioniert. Gut gefallen konnten mir in erster Linie einzelne Ideen und Momente, wie z.B. die Art und Weise, wie es Picard, Data und Wesley gelingt, aus dem Holodeck zu entkommen, oder auch das Konzept hinter den d'Ort'd. Leider aber machen interessante Ansätze allein nun mal noch keinen guten Roman.
Bewertung: 2/5 Punkten
Christian Siegel
Mitreden! Sagt uns eure Meinung zum Roman im SpacePub!
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