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James Bond 007 - Kernschmelze Drucken E-Mail
John Gardner bringt 007 in die 80er Kategorie: Literatur & Comics - Autor: Christian Siegel - Datum: Samstag, 25 April 2015
 
Titel: "James Bond 007: Kernschmelze"
Originaltitel: "James Bond - License Renewed"
Bewertung:
Autor: John Gardner
Übersetzung: Anika Klüver & Stephanie Pannen
Umfang: 382 Seiten
Verlag: Cross Cult
Veröffentlicht: 29. September 2014
ISBN: 978-3-86425-433-8
Kaufen: Taschenbuch (D), Kindle (D), Taschenbuch (E)
 

Kurzinhalt: Als der englische Geheimdienst erfährt, dass es dem bekannten Terroristen Franco gelungen ist, in London einzureisen, ist die Aufregung groß. Was genau hat dieser vor? Es gelingt, seine weiteren Schritte zu verfolgen, und man erfährt, dass er sich mit dem Nuklearphysiker und Gutsherrn Dr. Anton Murik – der von der internationalen Atombehörde geächtet wurde – getroffen hat. Offenbar planen die beiden eine größere Aktion. M beauftragt James Bond damit, sich während eines Pferderennens scheinbar zufällig mit Murik zu treffen und dessen Vertrauen zu gelungen. Der Plan gelingt, und kurz darauf wird Bond von Murik zu den auf seinem Anwesen stattfindenden Highland-Games eingeladen. In weiterer Folge gelingt es 007 dann, den diabolischen Plan von Murik in Erfahrung zu bringen, bei dem Franco ihm helfen soll: Der Kernphysiker plant Anschläge auf sechs Atomkraftwerke auf der ganzen Welt. Falls seiner daraufhin folgenden Lösegeldforderung nicht nachgegeben wird, will er in allen Reaktoren eine Kernschmelze auslösen – die Auswirkungen wären verheerend. Mit Hilfe von Muriks Mündel, der jungen und hübschen Lavender "Dilly" Peacock versucht 007 dann schließlich, vom Anwesen zu fliehen, um M über Muriks Pläne zu informieren – doch sein Fluchtversuch schlägt fehl…

Review: Nach Kingsley Amis' One-Shot "Colonel Sun" wurde James Bond auf dem Papier in den vorläufigen Ruhestand geschickt. Erst Anfang der 80er, nachdem die Figur dank der Filme eine immer größere Popularität erreichte, kehrte 007 auch in Romanform wieder zurück. Nun oblag es dem britischen Thrillerautor James Gardner, die 007-Agenden zu übernehmen. In den darauffolgenden Jahren sollte er, so wie Fleming, 14 originäre Bond-Abenteuer schreiben. Den Anfang machte "Kernschmelze" der mir insgesamt ganz gut gefallen hat. Was für mich dabei am meisten – und positivsten – hervorstach ist, wie es Gardner gelungen ist, die Figur – bzw. generell die ganze Erzählung – in den 80ern ankommen zu lassen, ohne Bond selbst zu verraten. Er ist grundsätzlich nach wie vor jene Figur, wie sie Fleming erschaffen und geschrieben hat – doch so wie die Welt um sich hat auch er sich verändert und an die neuen Rahmenbedingungen angepasst. Ich mag Ian Flemings Bond-Romane ja grundsätzlich wirklich sehr gerne – allerdings waren sie zweifellos Produkte ihrer Zeit, und der latente (und Flemings eigene Ansichten wiederspiegelnde?) Rassismus und Sexismus, der sich wie ein roter Faden durch dessen 007-Abenteuer zieht, war teilweise doch eher unschön. Von ersterem fehlt in "Kernschmelze" generell mal jede Spur, und auch das hier vermittelte Frauenbild ist nun ein ganz anderes und der damaligen Zeit angepasst – was sich vor allem in der neuen Mitarbeiterin der Q-Abteilung, Ann Reilly, zeigt, die zumindest vorerst Bonds Charme nicht erliegt, und die einen deutlich selbstbewussteren Eindruck macht als die meisten Frauenfiguren, die von Ian Fleming an Bonds Seite gestellt wurden. Jedenfalls: Die Art und Weise, wie John Gardner die Figur genommen und erfolgreich in die 80er übertragen hat, konnte mich wirklich begeistern.

Nicht mehr ganz so gelungen fand ich hingegen den Fall bzw. die Geschichte selbst. Diese entwickelte sich nämlich doch eher gemächlich, und ließ es in meinen Augen überwiegend an Spannung vermissen. Mit Ausnahme von Bonds Fluchtversuch gelang es Gardner irgendwie nicht so recht, die einzelnen Kämpfe, Verfolgungsjagden und Auseinandersetzungen wirklich packend zu schreiben. Diesbezüglich hoffe ich in seinen nachfolgenden Bond-Romanen auf Besserung. Auch Anton Murik fand ich als Bösewicht eher nur ok. Es gab zwar sicherlich schon schlechtere, und insgesamt finde ich seinen Plan eigentlich wohlüberlegt und gut ausgearbeitet. Was Intellekt und Taktik betrifft kann er sich zweifellos mit Bond messen; er macht keinen dummen Fehler, und übernimmt vor allem auch am Ende im Flugzeug so ziemlich jede Vorsichtsmaßnahme, um eine Einmischung durch 007 zu verhindern. Was mir jedoch an ihm wieder einmal negativ ausgefallen ist, ist die typische Krankheit von Bond-Bösewichten, dem Agenten ihren Plan in aller Ausführlichkeit zu schildern. Vor allem auch, wie er sich am Ende im Flugzeug dazu verleiten lässt, sich Details über den Code entlocken zu lassen, mit dem den Terroristen befohlen wird, sich zu ergeben, war schon ein bisschen… na ja. Zudem hätte ich an seiner Stelle einfach den Tank von Bonds Wagen geleert und damit dessen Fluchtversuch von vornherein vereitelt – aber daran hat Murik scheinbar nicht gedacht. Und zumindest bei einem Aspekt – nämlich, sich die tatsächliche Erbin seines Guts als Mündel zu nehmen – wirkt er ungewöhnlich dumm und unvorsichtig. Immerhin, die Gespräche zwischen den beiden waren gut geschrieben, und konnten mit dem einen oder anderen Highlight aufwarten.

Schade fand ich allerdings, dass Franco – dem im ersten Kapitel noch so viel Aufmerksamkeit geschenkt und der als würdiger Gegenspieler von Bond aufgebaut wird – in weiterer Folge völlig in den Hintergrund rückt und sich als eher typischer Handlanger offenbart. Den Showdown zwischen ihm und Bond fand ich demnach auch eher enttäuschend. Hätte man Franco nicht entkommen lassen und ihn sich für ein späteres Abenteuer in der Hinterhand behalten können? Und auch wenn die 007-Reihe mit "Kernschmelze" was den Feminismus betrifft im Vergleich zu den Fleming-Jahren zweifellos einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht hat, aber… bei der Darstellung von Muriks Frau Mary Jane Mashkin sowie seinem Mündel Lavender Peacock bekleckert sich Gardner diesbezüglich auch nicht unbedingt mit Ruhm. Dementsprechend stach mir von den neuen, von Gardner geschaffenen Figuren in erster Linie Ann Reilly positiv hervor. Immerhin, was ihm in meinen Augen gut gelungen ist, ist die Darstellung der etablierten Figuren. Insbesondere Bond wird von ihm gut getroffen, aber auch M habe ich durchaus wiedererkannt. Nett auch das kurze Geplänkel mit Miss Moneypenny zu Beginn, das ja – in den Filmen noch mehr als in den Büchern – irgendwie zu Bond dazugehört. Insgesamt ist Grander mit "Kernschmelze" also eine solide Weiterführung der Bond-Romane gelungen – die mich jedoch als Neuausrichtung/Modernisierung der Reihe mehr überzeugt hat, denn als eigenständiges 007-Abenteuer.

Fazit: John Gardners größte Errungenschaft bei "Kernschmelze" ist es, wie es ihm gelingt, den Doppenull-Agenten im Besonderen bzw. die Reihe im Allgemeinen in den 80ern ankommen zu lassen. Er modernisiert Bond, ohne dabei den Kern der Figur zu verlieren und/oder seine Ursprünge zu verraten. Gut gefallen konnte mir zudem Muriks Plan, die eine oder andere Interaktion zwischen ihm und 007, sowie Bonds packend geschilderter Fluchtversuch. Von diesem abgesehen wollte bei mir aber leider nicht so recht Spannung aufkommen. Insgesamt fand ich "Kernschmelze" auch eine Spur zu lang; mit einer strafferen Erzählung und damit einem höheren Tempo hätte mich der Roman vielleicht doch noch etwas mehr gepackt. Und vor allem auch die von ihm neu geschaffenen Figuren sind – mit Ausnahme von Ann Reilly, die sehr positiv hervorsticht – nichts Besonderes. Immerhin: Bond selbst ist sehr gut getroffen, und insgesamt hat mich der Roman durchaus gut unterhalten. Was die Figuren und den Plot selbst betrifft, hat sich Gardner für seine zukünftigen Romane jedoch noch etwas Luft nach oben gelassen.

Bewertung: 3/5 Punkten
Christian Siegel





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