Kurzinhalt:
Wir schreiben das Jahr 2634: Seit dem Erstkontakt mit den katzenartigen Kilrathi vor fünf Jahren kam es immer wieder zu vereinzelten Angriffen und Scharmützeln. In der Galaxis sind die Kilrathi für ihren aggressiven Expansionskurs bekannt. Sie verstehen sich als Jäger, und sehen alle anderen Völker als Beute an, die es zu bezwingen und zu versklaven gilt. Angesichts dessen scheint ein Krieg unvermeidlich. Das Militär der Konföderation, unter deren Banner sich die Menschheit zusammen mit einigen anderen Völkern zusammengeschlossen hat, befürchtet nun, dass ein erster Großangriff der Kilrathi unmittelbar bevorstehen könnte. Um mehr Informationen über ihre Angriffspläne in Erfahrung zu bringen, wird eine kleine Gruppe auf geheime Mission ins Landreich geschickt, der auch ein junger Lieutenant Tolwyn angehört. Als man schließlich in Erfahrung bringt, dass die Kilrathi einen Großangriff auf den Planeten McAuliffe planen, und das noch dazu just am Tag der Konföderation, wo das gesamte Militär beurlaubt ist, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit…
Inhalt:
Nachdem ich die Romane aus dem "Film-Universum" besprochen habe, ist es an der Zeit, sich jenen zuzuwenden, die in der Welt der PC-Spiele angesiedelt sind. Statt nach Veröffentlichungsdatum vorzugehen, habe ich mich dazu entschlossen, sie chronologisch zu besprechen, weshalb "Die Bedrohung" den Anfang macht. Rückwirkend betrachtet war da vielleicht insofern nicht optimal, als sie von mir ursprünglich natürlich in der Veröffentlichungsreihenfolge gelesen wurde, was teilweise durchaus auch Einfluss auf meine Meinung über sie hatte. So kommen bei "Die Bedrohung" zum Beispiel ein paar Elemente vor, die ich als typisch für die Forstchenschen "Wing Commander"-Romane ansehe; was aber natürlich wenn man ihn als einzelnen oder gar ersten Roman der Reihe ansieht ja eigentlich keine Rolle spielen sollte. Ich werde mich jedenfalls bemühen, dass meine Kritik dennoch halbwegs Sinn ergibt – fürchte aber zugleich, dass ich da und dort wohl ein bisschen ausschweifen werde müssen.
Diesbezüglich beginnen wir am besten wohl gleich damit, kurz über Admiral Tolwyn zu reden. Von Forstchens ersten Romanen an war überdeutlich, dass er die umstrittene Figur ganz anders sieht als der Vater der PC-Spiele, Chris Roberts – weshalb in Fankreisen teilweise sogar vom Robertschen Tolwyn und dem Forstchenschen Tolwyn gesprochen wird. Wo Roberts ihn ganz klar als Antagonisten anlegte, welcher der Spielfigur alle nur erdenklichen Steine in den Weg legte, sah Forstchen ihn als zwar knallharten, letztendlich aber fairen Kommandanten, dem seine Untergebenen zudem große Loyalität entgegenbringen (etwas, dass mal als Spieler wohl kaum nachvollziehen können dürfte). Insofern bin ich davon überzeugt, dass Forstchen von der weiteren Entwicklung, welche die Figur im vierten Spiel "Der Preis der Freiheit" vollzog, alles andere als erfreut war. Ich erwähne dies deshalb, da ich mich mit diesem Auffassungsunterschied im Hinterkopf des Eindrucks nicht erwehren konnte, dass "Die Bedrohung" wenn schon nicht einzig und allein dann doch zumindest überwiegend Forstchens Versuch darstellt, die Figur zu rehabilitieren, und seine Taten aus "Der Preis der Freiheit" verständlich zu machen. Was nicht nur wenn man die Figur schon immer so gesehen hat wie Roberts, teilweise doch etwas irritierend sein kann, sondern meines Erachtens noch dazu sogar nicht sonderlich gut gelingt – da es letztendlich auf ein schlichtes, in diesem Kontext in meinen Augen problematisches "Niemals wieder!" hinausläuft, als Tolwyn am Ende auf die Ruinen des Planeten McAuliffe blickt.
Irritierend ist auch das richtige Wort, um Forstchens politische Einstellung zu beschreiben, die mit fortlaufender Anzahl an Romanen immer deutlicher zum Vorschein kam. Seinen Büchern nach schätze ich ihn jedenfalls als radikalen Republikaner ein, der das Militär verehrt und im Gegenzug Politiker und/oder Zivilisten bestenfalls noch mit Argwohn betrachtet. Ein fortlaufendes Motiv seiner "Wing Commander"-Reihe sind dann auch die dummen, naiven und uneinsichtigen Politiker, die – sei es aus Gutgläubigkeit oder aus politischen Interessen – die Warnungen des Militärs (die mir diesen natürlich immer recht haben) in den Wind schlagen, und das Militär sowie die Zivilisten daraufhin den Preis dafür zahlen müssen. Beim ersten Mal ist das ganze ja noch ok, aber wenn es dann praktisch in jedem einer originären (also nicht auf den Spielen direkt basierenden) "Wing Commander"-Büchern vorkommt, wird es irgendwann doch etwas zu aufdringlich, und zu viel des Guten. Hier treffen einfach aus meiner Sicht zwei ungünstige Aspekte auseinander: Dass einem einerseits eine politische Agenda eingetrichtert wird, und es sich zu allem Überfluss noch dazu um eine Doktrin handelt, der ich äußerst skeptisch gegenüberstehe. Von der politischen Aussage her ist "Die Bedrohung" für mich jedenfalls ein ziemlicher Alptraum. Zudem ist der Roman sehr chauvinistisch. Frauen spielen kaum eine Rolle – und wenn, dann machen sie einen eher schwachen bis gar jämmerlichen Eindruck, wie z.B. jene Offizierin, dich sich ob der drohenden Zerstörung ihres Schiffes vom großen starken Mann trösten lassen darf. "Altmodisches geschlechtliches Rollenbild" ist noch der schmeichelhafteste Begriff, der mir dazu einfällt.
Ein weiterer wesentlicher Kritikpunkt ist, dass "Die Bedrohung" der bis dahin etablierten Kontinuität stellenweise widerspricht. Was die "Wing Commander"-Spiele für mich ab Teil 1 so ausgezeichnet hat war, wie viel wert Chris Roberts auf die Handlung legte. "Wing Commander" fühlte sich wie ein reales Universum an, dass von abwechslungsreichen Figuren bevölkert war, und wo der Spieler mit seinem Erfolg oder Misserfolg maßgeblich Einfluss auf die Geschehnisse nahm (statt es nach jeder erfolglosen Mission zwangsweise erneut versuchen zu müssen). Und auch wenn die Story im ersten Spiel vielleicht noch nicht übertrieben ausgeklügelt gewesen sein mag, gelang es den Spielen dennoch ab Teil 1, das Gefühl zu vermitteln, in ein lebendes Universum geworfen zu werden, dass nicht einfach nur im Vakuum existiert, sondern dem eine klare, detaillierte Vorgeschichte vorausging. So wurde z.B. der Angriff auf McAuliffe bereits im Handbuch zum ersten "Wing Commander"-Spiel zum ersten Mal erwähnt, und in jenem zu Teil 3 fand der geneigte Spieler dann zum ersten Mal eine detaillierte, gut ausgearbeitete Timeline (die auch Ereignisse aus den Romanen enthielt). Angesichts der Tatsache, dass die Eckpunkte der Geschichte von Chris Roberts im Vorfeld bereits ausgearbeitet wurden, dabei aber natürlich noch viel Potential zur Ausschmückung und Vertiefung blieb, fand ich die Idee, die Geschichte dieses Konflikts bzw. generell der ersten Kriegstage in Romanform weiter ausführen, sehr vielversprechend. Umso bedauerlicher ist, dass sich William Forstchen an die in der offiziellen Timeline etablierten Eckpunkte leider nicht gebunden sieht – was "Die Bedrohung" schließlich ins Reich der Bezahl-Fanfiction verdrängt. Zugegebenermaßen handelt es sich dabei um Unstimmigkeiten, die nur den hartgesottenen Fans auffallen werden – allerdings frage ich mich: Für wen, wenn nicht die, ist dieser Roman gemacht?
Der letzte Kritikpunkt ist dann der Umfang. Mit 432 Seiten ist "Die Bedrohung" mit Abstand der längste "Wing Commander"-Roman – ein Umstand, dem man ihm leider auch anmerkt. So positiv ich es grundsätzlich auch sehe, dass William Forstchen hier eine epische Geschichte erzählt, die sich über mehrere Schauplätze erstreckt, und dabei vor allem auch der Seite der Kilrathi viel Beachtung schenkt, aber 50-100 Seiten weniger hätten den Roman deutlich flotter, knackiger und unterhaltsamer gemacht. Zuletzt sei auch noch darauf hingewiesen, dass man sich – warum auch immer – bei der Übersetzung dazu entschlossen hat, aus der Konföderation die Föderation (aber nicht die von "Star Trek") zu machen, was vor allem all jenen, welche die Spiele so wie ich anno dazumal auf Deutsch gespielt haben, negativ auffallen dürfte. Trotz dieser ausführlichen Kritik, insgesamt ist "Die Bedrohung" durchaus in Ordnung. Hat man sich mit der hier vertretenen Ideologie, dem etwas gar offensichtlichen Versuch, Tolwyn zu rehabilitieren, sowie den Brüchen mit der etablierten Kontinuität einmal abgefunden, macht "Die Bedrohung" stellenweise sogar richtiggehend Laune. Vor allem die Weltraumschlachten (ein Steckenpferd von Forstchen) sind ihm gut gelungen; im Gegensatz zu vielen anderen Autoren die sich daran versuchen, letztendlich aber daran scheitern, sie auf packende Art und Weise zu (be)schreiben, hat er ein Händchen dafür, welches auch bei "Die Bedrohung" wieder zum Vorschein kommt. Aufgrund der zahlreichen verschiedenen Handlungsstränge gestaltet sich der Roman zudem sehr abwechslungsreich. Zuletzt muss Forstchen dafür gelobt werden, zumindest im Konflikt zwischen Menschen und Kilrathi auf eine klassische Schwarz/Weiß-Zeichnung zu verzichten, sondern ein angenehm differenziertes Bild des katzenähnlichen Gegners zu zeichnen. Insgesamt war ich von "Die Bedrohung" aber halt leider doch etwas enttäuscht.
Fazit:
"Die Bedrohung" beschäftigt sich mit den Anfangstagen des Krieges zwischen Menschen und Kilrathi – und bot somit das Potential, für "Wing Commander"-Fans ein Highlight und ein absoluter Pflichtkauf zu werden. Ein Anspruch, dem das Endprodukt zumindest in meinen Augen leider nicht gerecht wird. Neben Forstchens auch hier wieder einmal zu Tage tretender, sehr aufdringlicher "das Militär ist unfehlbar und hat immer recht"-Message, sowie seinem überdeutlichen – und meines Erachtens vergeblichen – Versuch, Tolwyn zu rehabilitieren (was teilweise Forstchens einzige Motivation zu sein scheint, den Roman zu schreiben; wobei sich die fünf Jahre später erfolgende Befreiung von McAuliffe hierfür in meinen Augen eigentlich eher angeboten hätte), erwies sich dabei für mich vor allem auch die Tatsache als Knackpunkt, dass "Die Bedrohung" den in der offiziellen Timeline etablierten Fakten zum Kriegsausbruch teilweise widerspricht – was dem Sinn des Romans als Vorgeschichte zu den Spielen zuwider läuft. Zudem ist der Roman trotz der Fülle an Figuren und Schauplätzen mit über 400 Seiten doch etwas gar lang geraten. Sieht man von diesen nicht unerheblichen Kritikpunkten ab, vermag es "Die Bedrohung" aber durchaus, den geneigten – und wohlwollenden – "Wing Commander"-Fan gut zu unterhalten. Die Handlung ist wendungs- und abwechslungsreich, die Fülle an Figuren und Schauplätzen verleiht ihm einen sehr epischen Eindruck, und sobald die Schlacht um McAuliffe beginnt, dreht der Roman auch spannungstechnisch ordentlich auf. Man kann von seinen politischen Ansichten halten was man will, aber Forstchen versteht es unbestreitbar, packende Raumschlachten zu schreiben – was er auch hier wieder eindrucksvoll unter Beweis stellt. Schade nur, dass er sich aufgrund der vorhandenen Schwächen teilweise selbst torpediert.
Bewertung: 3/5 Punkten
Christian Siegel
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