Mit: Brenton Thwaites, Odeya Rush, Jeff Bridges, Meryl Streep, Alexander Skarsgard, Katie Holmes, Cameron Monaghan, Emma Tremblay, Taylor Swift u.a.
Kurzinhalt:
Der 16-jährige Jonas lebt in einer Zukunft, in der die Menschen ihre Emotionen durch die Einnahme von Drogen unterdrücken. Absolute Konformität und ständige staatliche Kontrolle kennzeichnen die Gesellschaft. Lediglich der "Hüter der Erinnerung" verfügt über das Wissen, wie die Menschheit früher einmal war. Jonas wird zum Nachfolger des gegenwärtigen Hüters ernannt und beginnt seine Ausbildung. Dadurch gerät er geradezu in einen Gefühlsrausch, doch auch gelangt er zu der Einsicht, dass seine gesamte Welt auf Lügen und Verbrechen aufgebaut ist. Der Hüter ermutigt Jonas dazu, sich gegen das System aufzulehnen…
Review:
Dystopische Zukunftsvisionen liegen aktuell voll im Trend. Mit der "Tribute von Panem"-Reihe oder auch "Divergent - Die Bestimmung" ist es gelungen, Jugendliche bzw. junge Erwachsene als Zielgruppe für das Genre zu erschließen und die Kinokassen ordentlich klingeln zu lassen. Und grundsätzlich verfügt auch "Hüter der Erinnerung - The Giver" über alle nötigen Voraussetzungen für einen guten Science-Fiction-Film. Angefangen bei Phillip Noyce, der sich als Regisseur beispielsweise von "Der Knochenjäger" (1999), "Sliver" (1993) oder "Die Stunde des Patrioten" (1992) einen Namen gemacht hat, dann die ausgezeichnete Darstellerriege, u.a. bestehend aus Jeff Bridges, Meryl Streep, Brenton Thwaites sowie Katie Holmes, und schließlich noch das ordentliche Budget von 25 Mio. Dollar. Auch denke ich, dass die Romanvorlage der mehrfach ausgezeichneten Jugendbuchautorin Lois Lowry durchaus interessant und es auf jeden Fall wert ist, filmisch umgesetzt zu werden. Ja, "Hüter der Erinnerung - The Giver" hätte ein packendes SF-Drama werden können.
Dass der Film dennoch kläglich scheitert, ist in erster Linie dem miserablen Drehbuch zuzuschreiben. Dem verantwortlichen Autorenduo Michael Mitnick und Robert B. Weide gelingt es zu keiner Zeit, ein Gefühl für den totalitären Staat, für die Unterdrückung jeder Emotion, Individualität und Freiheit sowie für die Konflikte der handelnden Figuren zu erzeugen. Als Zuschauer nimmt man zwar alles irgendwie zur Kenntnis, aber überzeugt, geschweige denn berührt wird man nicht. Und was es bedeutet, wenn die Gesellschaftsstruktur, das Staatswesen und der gesamte Glaube zunächst in Frage gestellt werden, ins Wanken geraten und schließlich zusammenbrechen, thematisiert der Film erst gar nicht. Angesichts des eigentlich gehaltvollen Stoffes sind diese Versäumnisse nicht nur bedauerlich, sondern auch ausgesprochen ärgerlich. Wozu soll man sich dann für 97 Minuten hinsetzen und sich den Film ansehen, wenn man hinterher genauso klug ist als wie zuvor? Seine Daseinsberechtigung verdient sich "Hüter der Erinnerung - The Giver" vornehmlich durch seine stilsichere Inszenierung. Mit ziemlicher Raffinesse versteht es Phillip Noyce, ein bedrückendes Abbild der dystopischen Welt zu schaffen. Den einheitlichen, gleichgültigen Habitus stellt er - einfach, aber absolut zutreffend - in schwarz-weiß dar, und erst mit Jonas' zunehmeder Erkenntnis fügt er Farben und Kontraste hinzu, die er in ihrer Intensität schließlich bis ins Surreale steigert. Generell ist der Film visuell ansprechend, und auch das Produktionsdesign mit seiner bizarren Architektur und der zum Teil kuriosen Ausstattung kann sich sehen lassen. Insofern wäre "sehenswert" ein angemessenes Fazit, auch wenn es in Anbetracht aller inhaltlichen Unzulänglichkeiten völlig falsche Erwartungen weckt.
Fazit:
Der entscheidende Nachteil von Trends besteht darin, dass sie immer wieder Trittbrettfahrer auf den Plan rufen. Nach "Die Tribute von Panem" und "Divergent - Die Bestimmung" sind sicher noch viele Filmdystopien zu erwarten, "Hüter der Erinnerung - The Giver" ist eine davon. Unter dem Strich ist der Film ein zweigleisiges Schwert. Eine exzellente Optik steht einem oberflächlichen Drehbuch gegenüber, das aus der Vorlage so gut wie gar nichts herausholt.
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Kommentare (1)
1. 03.04.2015 10:52
Das Problem ist nicht das Trittbrett.
Lustigerweise war "The Giver" für mich der eine wenigstens halbwegs erwähnswerte Jugendbuch-Dystopie-Film der letzten Jahre. Durch diese ganz nette Optik konnte ich dem sogar mehr abgewinnen als allen Panem-Filmen zusammen - die IMHO auch nicht wirklich ein Gefühl ihrer dystopischen Gesellschaft vermitteln konnten. Durch die vielen kleinen Kinkerlitzchen in seiner Optik wirkte "The Giver" da wenigstens ein wenig ambitioniert.
Natürlich ist die gesamte Handlung arg von hinten aufgezäumt und ergibt bei näherer Betrachtung nur wenig Sinn, vor allem weil der Film auch nur wenig hilfreiche Erklärungen zur Rolle des Hüters der Erinnerung liefert, aber ein bisschen faszieren kann dieser Weltentwurf schon. Das hat er "Panem" klar voraus und das macht er um einiges besser als "Divergent".
Und natürlich ist "The Giver" ein Trittbrettfahrer, aber das was er da zu kopieren versucht, finde ich persönlich fast per se dämlich (was haptsächlich dem Umstand geschuldet sein dürfte, dass ich kein Jugendlicher mehr bin), und gemessen daran ist es tatsächlich ein kleines Wunder, dass der Film leicht über dem Durchschnitt dümpeln kann.