Mit: David Oleyowo, Carmen Ejogo, Oprah Winfrey, Tom Wilkinson, Giovanni Ribisi, Tessa Thompson, Ruben Santiago-Hudson, Colman Domingo, Omar J. Dorsey, Common, Lorraine Toussant, Tim Roth, Cuba Gooding Jr., Martin Short u.a.
Kurzinhalt:
Amerika, 1965: Vor kurzem wurde dem Bürgerrechtler Martin Luther King der Friedensnobelpreis verliehen. Wieder zurück in den Vereinigen Staaten macht er den Präsidenten Lyndon B. Johnson auf eines der größten Probleme der afroamerikanischen Gesellschaft aufmerksam. Zwar wurde diesen nun grundsätzlich – und endlich – das Wahlrecht erteilt, allerdings müssen sie sich dafür registrieren. Und eben diese Registrierung wird von vielen Wahlbüros, insbesondere im Süden der USA, oftmals schlicht verweigert. King drängt den Präsidenten daher, ein allgemeines Wahlrecht zu erlassen und derartige Diskriminierungen zu unterbinden – doch Johnson vertröstet ihn, und möchte vielmehr den Kampf gegen die Armut ins Zentrum seiner Arbeit stellen. Vom Präsidenten solcherarts im Stich gelassen, organisiert Martin Luther King zusammen mit seinen Wegbegleitern Demonstration in Selma, Alabama. Nachdem während einer friedlichen Demonstration ein junger Mann getötet wird, ist King fest dazu entschlossen, mit einem Protestmarsch von Selma nach Montgomery, der Hauptstadt von Alabama, auf die Diskriminierung der afroamerikanischen Bevölkerung aufmerksam zu machen. Doch der Gouverneur des Staates will die Demonstration um jeden Preis aufhalten…
Review:
Filme wie "Selma" sind für mich in gewisser Weise immer ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite finde ich es immer wieder erschütternd, mit solchen erschreckenden historischen Fakten konfrontiert zu werden, welche die Unterdrückung bestimmter Gesellschaftsschichten zeigen, die oftmals – wie im vorliegenden Fall – noch gar nicht mal so lange zurück liegen; egal, ob es sich dabei um Afroamerikaner, Homosexuelle oder andere Minderheiten handelt. Auf der anderen Seite hat das Ganze für mich aber auch immer irgendwie etwas Erhebendes. Ich will keinesfalls behaupten, dass heutzutage alles eitel Wonne ist. Es gibt was die Diskriminierung von Minderheiten betrifft zweifellos immer noch Handlungsbedarf, und es gibt nach wie vor zu viel Hass und Gewalt, die sich gegen sie richtet. Und dennoch schaue ich mir einen Film wie "Selma" an, und auch wenn sich dieser natürlich in erster Linie mal mit den damaligen Zuständen in den USA auseinandersetzt, finde ich es auf positive Art und Weise beachtlich, wie weit "wir" es in diesem Zeitraum gebracht haben. Und Filme wie "Selma" sorgen dafür, dass wir weder die Menschen vergessen, die für diese Entwicklung federführend waren, noch den Preis, der dafür gezahlt werden musste.
Ich weiß ja nicht, wie das bei euch in der Schule so war, aber bei mir wurde die jüngere Geschichte, also alles nach dem Zweiten Weltkrieg, im Schnellverfahren abgehandelt, mit einem deutlichen Schwerpunkt auf Österreich/Deutschland bzw. Europa. Die Bildung der Europäischen Union, der Fall der Berliner Mauer, und so weiter. Der Entwicklung in den USA wurde hingegen – abseits der ganz großen Eckpunkte wie der Kuba-Krise, dem Attentat auf JFK, oder auch dem Vietnam-Krieg – relativ wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Eben deshalb bin ich für Filme wie "Selma" so dankbar. Denn auf deiner einen Seite interessiere ich mich zwar grundsätzlich durchaus für Geschichte, andererseits kann ich mir jedoch kaum etwas Langweiligeres vorstellen, als ein Geschichtsbuch durchzulesen. Als großer Filmfan sind daher solche Filme, die in zwei Stunden geschichtliche Fakten – wenn auch natürlich mit einer gewissen künstlerischen Freiheit – abnhandeln, ideal. "Selma" reiht sich dabei in meinen Augen nahtlos in ähnliche Vertreter der letzten Jahre, die sich mit Gewalt und Unterdrückung gegenüber den afroamerikanischen Bürgern der USA ("The Help", "Lincoln", "12 Years A Slave" – um nur jene zu nennen, die mir aus dem Stegreif einfallen), ein, und liefert auf der einen Seite ein interessantes Portrait von einem der bemerkenswertesten und wichtigsten Menschen des 20. Jahrhunderts, und gibt andererseits eine Zusammenfassung der wichtigsten Ereignisse rund um den Kampf für ein allgemeines Wahlrecht für Afroamerikaner. Erhebende sowie erschütternde Szenen geben sich dabei die Klinke in die Hand – wobei mir vor allem die Rekonstruierung des Angriffs auf der Brücke nahegegangen ist. Umso erhebender war dann für mich der finale Marsch – kongenial und gänsehauterzeugend unterlegt mit Finks "Yesterday Was Hard on All of Us"; für mich ganz klar die beste – wenn auch bei weitem nicht einzig gute – Szene des Films.
Dass es – trotz einer hochkarätigen Besetzung – nicht für eine einzige Oscar-Nominierung in den Schauspiel-Kategorien gereicht hat, ist offen gestanden, trotz der zugegebenermaßen harten Konkurrenz, ein Witz. Sowohl David Oyelowo als auch Carmen Ejogo hätten sich eben solche für ihre Arbeit hier absolut verdient. Während sie zugegebenermaßen teilweise im großen Ensemble ein wenig unterzugehen drohen, bekommen beide zwischendurch auch ihre Momente, um zu glänzen. In Oyelowos Fall ist es insbesondere jene Szene, als er dem Vater des ermordeten Jungen sein Mitleid ausspricht. Und bei Ejogo bleibt insbesondere der Streit ca. zur Mitte des Films in Erinnerung. Egal ob Oscar-Nominierungen oder nicht, ihre beiden Leistungen stachen für mich deutlich aus dem Ensemble hervor. Was nicht heißen soll, dass der Rest nicht ebenfalls sehr gute Arbeit abliefert. Ich habe Oprah Winfrey vor "Selma" noch nie schauspielern gesehen, aber sie hält sich in ihrer kleinen aber feinen Rolle wacker. Und auch Tom Wilkinson machte als Präsident Johnson eine sehr gute Figur. Insgesamt war das Ensemble in "Selma" so hochkarätig wie begabt, und in meinen Augen auch die größte Stärke des Films – während sich die restlichen Aspekte, wie z.B. die Inszenierung, nicht sonderlich hervortaten. Angesichts der hier erzählten Geschichte tat dies der Qualität des Films in diesem Fall aber keinen Abbruch.
Fazit:
Filme wie "Selma" machen auf der einen Seite deutlich, wie viel sich in den letzten 50 Jahren getan hat, und zeigen auf der anderen Seite auf, wie prekär die Situation der afroamerikanischen Bevölkerung vor gerade einmal 50 Jahren in den USA noch war. Sowohl deshalb als auch aufgrund abwechselnder Triumphe und Niederlagen innerhalb des Films durchlebte ich bei "Selma" ein Wechselbad der Gefühle; mal ist der Film erhebend, dann wieder erschütternd. Als jemand, der zwar die Eckpunkte der jüngeren amerikanischen Geschichte kennt, mit dieser aber nicht im Detail vertraut ist, fand ich diesen Einblick in die damaligen historischen Ereignisse und den Kampf um ein allgemeines Wahlreicht für Afroamerikaner jedenfalls sehr interessant. Zudem gab es zwischendurch den einen oder anderen sehr berührenden Moment. Neben dem – für mich – aufschlussreichen Einblick in die Geschichte der Bürgerrechtsbewegung sehe ich in erster Linie die schauspielerischen Leistung des großen und hochkarätigen Ensembles als größte Stärke des Films an – während sich Inszenierung und Soundtrack nur vereinzelt hervortun konnten. Was ich im vorliegenden Fall aufgrund der (für mich) durchgehend packenden Handlung jedoch nicht als großen Knackpunkt empfand.