Ist die Serie heute noch sehenswert?Kategorie: Kolumnen - Autor: Der Bademeister - Datum: Donnerstag, 22 Januar 2015
Vor 20 Jahren lief Star Trek: Voyager in den USA an - deutsche Fans
mussten sich noch eineinhalb Jahre gedulden, bis die Serie schließlich
auch hierzulande ausgestrahlt wurde. Voyager war die vierte Star
Trek-Serie und wurde zwischen 1995 und 2001 produziert. Insgesamt gab es
sieben Staffeln mit 172 Episoden. Im Mittelpunkt stand die Reise der
USS Voyager, die am anderen Ende der Galaxie gestrandet ist und in
unbekanntem Gebiet den Weg nach Hause sucht. Als Hauptdarsteller waren
u.a. Kate Mulgrew (Captain Kathryn Janeway), Tim Russ (Tuvok), Robert
Picardo (Der Doktor) und Jeri Ryan (Seven of Nine) zu sehen. Rick Berman
und Brannon Braga waren für die Serie als Showrunner verantwortlich.
Doch wie schneidet die vierte Star Trek-Serie nach all der Zeit ab? Ist
sie auch heute noch sehenswert? Ich persönlich wurde mit Voyager nie so
richtig warm, auch wenn ich die meisten Episoden in der Erstausstrahlung
damals auf Sat.1 gesehen habe. In meiner Erinnerung verblasste die
Serie recht schnell als ziemlich lahme Ente. Vor drei oder vier Jahren
führte ich dann einen kompletten Revisit aller Episoden im Zeitraum
weniger Monate durch (ein bis zwei Episoden pro Tag) und war relativ
überrascht, dass die Serie doch einen besseren Eindruck machte als in
meiner Erinnerung - oder einfach nicht so mies war, wie ich gedacht
hatte.
Letztlich ist Voyager für mich eine geradezu unheimlich
durchschnittliche Serie. Anders als bei The Next Generation gibt es zwar
kaum wirklich grottenschlechte Episoden wie "Rikers Träume", für die
sich das Produktionsteam in Grund und Boden schämen müsste. Es fehlen
aber auch bis auf wenige Ausnahmen wie "Tuvix" oder "In the blink of an
eye" die echten Highlights - und der Standard der Episoden kann, zieht
man die üblichen ersten beiden Staffeln als Geburtskrankheit ab die alle
Trek-Serien durchleiden mussten - nicht annähernd mit TNG und DS9
mithalten - und wird selbst von der Nachfolgeserie Enterprise
ausgestochen.
Voyager ist regelmäßig eine Serie der verpassten Chancen, wenn gute
Episoden und vielversprechende Zweiteiler doch am Ende wieder in das
ruhige Fahrwasser des Berman und Braga-Durchschnitts eingeschifft
werden. In der ersten Episode des Zweiteilers "Equinox" kommt es
beispielsweise zu einer heftigen Konfrontation zwischen Janeway und
ihrem ersten Offizier, die in Chakotays Suspendierung mündet. Die
Auflösung dieses spannenden Konfliktes in der Eröffnung der nächsten
Staffel enttäuscht als ein ziemlich abruptes "Schwamm drüber" und der an
sich gravierende Vertrauensverlust zwischen den beiden wichtigsten
Offizieren der Voyager wird nie wieder thematisiert. Jede Möglichkeit,
den Zuschauer einmal zu überraschen oder zu schockieren wird konsequent
vermieden. Um es mit Q's Worten zu sagen (dessen Auftritte in der Serie
und Rapport mit Janeway nicht annähernd an seine TNG-Steppvisiten und
die Auseinandersetzungen mit Picard heranreichen): "They've learned to
play it safe. And they were never, ever noticed by anyone."
Ich schrieb eingangs, dass ich mit Voyager nie so richtig warm wurde.
Das liegt neben der lauwarmen Durchschnittlichkeit der meisten Episoden
auch an den wenig interessanten Charakteren, die kaum eine
Charakterentwicklung durchmachen und nicht zuletzt der blutarmen, kalten
Ausstrahlung des Schiffes selbst. Es gibt in Voyager, vielleicht von
dem Doktor abgesehen, kaum einen sympathischen Charakter mit Ecken und
Kanten der die Ausstrahlung eines echten Menschen hat und das Schiff
selbst wirkt nicht wie ein lebendiger, realer Ort an dem man leben
könnte. Das unterscheidet die Serie ganz wesentlich von DS9, einem in
jeder Hinsicht viel belebteren Handlungsort mit komplexeren und
interessanteren Charakteren die im Laufe der Jahre Veränderungen
durchlaufen und unterschiedliche Beziehungen zueinander eingehen. Dieses
"Mittendrin"-Gefühl geht Voyager völlig ab. Das hat selbst Enterprise
besser umgesetzt, auch wenn die Serie sonst viele der Schwächen von
Voyager teilt.
Insbesondere DS9 hat aus seinen Helden (und Bösewichtern) deutlich mehr
rausgeholt - es ist eine echte Ensemble-Serie mit vielen verschiedenen
Charakteren, die alle ihren Raum zum Wachsen bekommen. Voyager verstand
sich dagegen ab Staffel 4 nur noch als die Janeway-Seven-Doktor Show.
Chakotay (immerhin der erste Offizier) wird in den späteren Staffeln in
zunehmendem Maße ignoriert und wurde aus der finalen Staffel praktisch
herausgeschrieben. Das unterscheidet Voyager fundamental von allen
anderen Trek-Serien, die dem ersten Offizier stets eine Menge Raum in
der Geschichte einräumen - man könnte sich TOS zum Beispiel gar nicht
ohne Spock in einer zentralen Rolle vorstellen. Demgegenüber hatte in
DS9 jeder Charakter "seine" Episoden pro Staffel und selbst
Nebencharaktere wie Garak oder Damar wurden immer weiter ausgebaut und
waren weit vielschichtiger und moralisch ambivalenter als die Grinse-
und Strahlemännertruppe von Voyager. Letztlich hatte ich bei Voyager den
Eindruck, dass die Drehbuchautoren gar nicht so richtig wussten, was
sie mit den Figuren eigentlich anfangen wollten, wohin deren Entwicklung
während der sieben Jahre Reisezeit gehen sollte.
Janeways Charaktereigenschaften änderten sich mitunter von Episode zu
Episode, ganz so wie der Plot es erforderlich machte - und das ist ein
untrügliches Zeichen für schlechte Drehbücher. Mal gab sie die
fürsorgliche Mutter der Kompanie, um schon in der nächsten Episode
Gefangene der Todesgefahr auszusetzen zwecks Informationsgewinnung.
Tuvok ging der spöttische, subtile Humor den Spock auszeichnete völlig
ab. Neelix war ein nahezu permanent überfröhlicher Clown, dessen
Dauergegrinse nur mit dem Konsum eines geheimen Marihuana-Vorrates in
seinem Gewächshaus hinreichend erklärt werden kann. Harry Kim - der
ewige Pfadfinder, der ewige, nie beförderte Fähnrich.. B'elanna - immer
irgendwie sauer und angepisst, eine Frau, wie sich ein Mario Barth wohl
eine "temperamentvolles Rasseweib" vorstellen würde. Über Prinzesschen
Kes lässt sich indes noch weniger sagen, so farblos war diese Figur. Tom
Paris durfte immerhin ab und zu rebellieren, bevor er dann wieder rasch
zu Mutti Janeways Schwiegersohn glattgebügelt wurde. Sie alle wirkten
wie Abziehbilder von Charakter-Archetypen, so als hätte jemand nach
einem VHS-Kurs Kreatives Schreiben den Auftrag bekommen, ein paar
Figuren am Reißbrett zu entwerfen. Das mit Abstand interessanteste
Charakterpaar waren noch der Doktor und Seven, die ich aber wegen der
lächerlichen Outfits in die sich Jeri Ryan zur Quotensteigerung
quetschen musste nie so recht ernst nehmen konnte - eine unangeheme
Wiederbelebung des seltsamen Sexismus, der schon bei Councellor Troi in
TNG deplatziert wirkte - auch hier gewinnt DS9 im direkten Vergleich,
denn Dax und Kira sind auch ohne diese modische Hervorhebung
interessante Frauencharaktere auf Augenhöhe. Damit verbleibt der Doktor -
und Robert Picardo war ohne Übertreibung Herz und Seele dieser
ansonsten eher blutarmen Serie.
Viele dieser Kritikpunkte treffen zwar auch auf Enterprise zu, wobei der
nahezu ausschließliche Fokus der Handlungen hier auf Archer, Trip und
T'Pol liegt. Die anderen Charaktere, von Doktor Phlox einmal abgesehen,
bleiben völlig farblos und bekommen im Verlauf der Serie immer weniger
Spielzeit. Aber immerhin hat Enterprise in Staffel Drei und Vier mal ein
paar Experimente gewagt die durchaus einige interessante Episoden und
Handlungsstränge hevorbrachten - das mag nur der Mut der Verzweiflung
vor der drohenden Absetzung gewesen sein, aber es war mehr Mut, als ihn
dieselben Macher bei Voyager aufgebracht haben.
Alles in Allem ist und bleibt Voyager für mich eine Serie die bis auf
vielleicht ein Dutzend Episoden so derart durchschnittlich ist, dass man
sie nur als echter Star Trek-Fan einmal komplett gesehen haben sollte.
Für jeden Nicht-Fan reicht es problemlos aus, sich irgendwo eine Top
10-Liste der besten Episoden zu holen und den großen Rest einfach zu
überspringen. Das ist schade, denn der Ausgangspunkt, die Grundidee der
Serie - einsames Raumschiff muss sich alleine am anderen Ende der
Galaxis durchschlagen um nach Hause zu gelangen - hätte deutlich mehr
Möglichkeiten für aufregende und vor Allem brandneue Geschichten im Star
Trek Universum geboten. Stattdessen wirken viele Episoden wie farblose
Kopien von TNG, vorgetragen von weniger talentierten Schauspielern.
Immerhin konnten einige an Voyager beteiligte Personen wie z.B. Ronald
D. Moore diese Grundidee dann später bei besseren Serien wie Battlestar
Galactica noch einmal spannender und kreativer aufgreifen - ohne das
einengende Korsett von Star Trek unter der Ägide von Berman und Braga.
Deren Ära nahm dann ein endgültiges Ende mit der Absetzung von
Enterprise vier Jahre später - und seitdem warten viele Trek-Fans auf
eine neue Serie.