Mit: Mathias Malzieu, Olivia Ruiz, Grand Corps Malade, Jean Rochefort, Roddy de Palma u.a. (Originalbesetzung)
Kurzinhalt:
Der kleine Jack wird am kältesten Tag aller Zeiten geboren, und so ist sein Herz völlig vereist. Daher versieht ihn die Hebamme Madeleine mit dem mechanischen Herz einer Kuckusuhr. Seine leibliche Mutter verstößt ihn, und so wächst er bei Madeleine auf. Als er Jahre später zum ersten Mal in die Stadt kommt, verliebt er sich prompt in die Straßenmusikantin Acacia. Doch diese Liebe wäre für ihn tödlich. Dennoch folgt er ihr quer durch Europa und begegnet dabei dem Visionär Georges Méliès, der sich für die junge Liebe einsetzt. Allerdings wird das junge Glück von Jacks Nebenbuhler, einem Schulhofrowdy bedroht…
Review:
Bei "Jack und das Kuckucksuhrherz" dürfte es sich im wahrsten Sinne des Wortes um eine Herzensangelegenheit von Mathias Malzieu gehandelt haben. So stammt nicht nur die 2007 veröffentlichte Romanvorlage "Jack et la Mécanique du Coeur" von ihm, auch hält er bei der Verfilmung das Zepter fest in der Hand. Nicht nur für das Drehbuch und die Regie, in Zusammenarbeit mit Stéphane Berla, zeichnet er sich verantwortlich, auch steuert er mit seiner in Frankreich durchaus populären Rockband Dionysos den Soundtrack bei, welcher wiederum auf dem ebenfalls 2007 erschienenen Album "La Mécanique du coeur" basiert. Zu guter Letzt spricht er in der Originalfassung auch die Hauptrolle des Jack selbst. Daher ist es nicht untertrieben, "Jack und das Kuckucksuhrherz" als reinen Autorenfilm zu bezeichnen. Allein dafür gebührt Malzieu allergrößter Respekt, zumal das Ergebnis ein verspielter, magischer Bilderreigen ist, der in seiner Fantastik allemal an seine Vorbilder, insbesondere Tim Burton und Georges Méliès, heranreicht.
Womit ich direkt zur wesentlichen Stärke des Films komme. Indem Malzieu niemand Geringeren als Georges Méliès - jenem Filmpionier, der mit "Le Voyage dans la Lune" (1902) eine Ikone des Kinos schuf und dem Martin Scorsese mit "Hugo Cabret" (2011) ein filmisches Denkmal setzte - in etlichen Szenen zitiert und ihn auch noch zu einem Bestandteil der Handlung macht, ist man als Filmliebhaber und -nostalgiker sofort Feuer und Flamme. Szenen wie der fliegende Zug und dessen Landung im Schlund des Mondes sind 1:1 aus "Le Voyage à travers l'impossible" (1904) übernommen, nachgestellte Ausschnitte aus "Roméo et Juliette" (1902) lassen jedes Filmfan-Herz höherschlagen. Damit besinnt sich Malzieu auf den ursprünglichen Zauber des Kinos und erhebt allerhöchste ästhetische Ansprüche. Mit Erfolg, wohlgemerkt. Sicher hätte "Jack und das Kuckucksuhrherz" Méliès gefallen, ist der Film doch ungemein traumhaft und verspielt. Weiterhin sind die Animationen fantastisch. Sie heben sich signifikant vom Pixar- und DreamWorks-Allerlei ab und orientieren sich eher an "The Nightmare before Christmas" oder "Corpse Bride". Allein schon die Figuren sind mit ihrer puppenartigen Erscheinung einmalig, wobei man sich bei ihrer Mimik und Gestik ausgesprochen viel Mühe gegeben hat. Das "Overacting" erscheint passgenau, sieht man den Film im Zusammenhang mit den ersten Méliès'schen Filmversuchen. Gleiches gilt für die durchweg imposanten Szenenbilder bzw. Handlungsschauplätze. Sie lassen staunen und lassen etliche Details entdecken, so dass der Film auch bei mehrmaliger Sichtung immer noch fasziniert.
Der Soundtrack erscheint mit seinen zum Teil rockigen Klängen zunächst gewöhnungsbedürftig, und ich habe mich angangs gefragt, was wohl ein Danny Elfman aus dem Stoff gemacht hätte. Jedoch ist die musikalische Untermalung insgesamt doch sehr stimmig. Es ist unverkennbar, dass Malzieu trotz seiner Verweise auf Méliès und Burton ein individuelles Film-Musical geschaffen hat. Die einzelnen Songs sind großartig und überzeugen auch losgelöst vom Bild - insbesondere in der französischsprachigen Fassung, die unbedingt empfehlenswert ist! Schlussendlich möchte ich auch mein Gefallen an dem zugrundeliegenden Plot kundtun. Die Geschichte um einen einsamen Jungen, der ein mechanisches Herz in Form einer Kuckucksuhr hat und der sich unsterblich verliebt, wohlwissend dass ihn genau das umbringen wird, hat einfach was. Die Story ist beinahe ein klassisches Märchen, dass sich auf essentielle Weise mit der Moderne auseinandersetzt. Das tragische Ende erfüllt dann schließlich alle Erwartungen, die man hegt.
"Jack und das Kuckucksuhrherz" ist keineswegs Kinderkram, sondern sogar ein außergewöhnlich erwachsener Film. Insofern ist es bedauerlich, dass er narrativ nicht so recht funktioniert. Zu oft verlässt Malzieu die Erzählstruktur, um einfach einmal abzuschweifen. Spannungsspitzen sind ziemlich willkürlich gestreut, emotional kommt er nicht so recht beim Zuschauer an. (Achtung, Spoiler!) So verfehlt bei mir beispielsweise die Nachricht vom Tod Madeleines Tod völlig ihre Wirkung(Spoiler Ende). Auch der eigentliche Showdown, der Kampf gegen seinen Nebenbuhler in Sachen Acacia, ist kaum spannend. Alles wirkt so übereilt und belanglos, da das tragische Ende ohnehin in Aussicht steht. Mehr Taktgefühl wäre unbedingt wünschenswert gewesen!
Fazit:
"Jack und das Kuckucksuhrherz" ist sicherlich einer der interessantesten Animationsfilme des Jahres. Die Story, die Figuren und die Bilder sind phänomenal, auch die Musik begeistert. Allerdings ist die Erzählung nur mäßig austaktiert. Man will den Film lieben, aber emotional hapert es doch an mancher Stelle, so dass er insgesamt hinter seinen Möglichkeiten zurückbleibt.