Kurzinhalt:
Der Bambusschneider Taketori no Okina geht zusammen mit seiner Frau in den Wäldern Japans einem schlichten und beschaulichen Leben nach. Eines Tages findet er im Wald in einem leuchtenden Bambussprössling ein Baby – das sogleich vor seinen Augen in seiner Handfläche zu wachsen beginnt. Er beschließt, es nach Hause zu nehmen und gemeinsam mit seiner Frau großzuziehen. Sie geben dem Mädchen den Namen Kaguya, und erleben mit, wie sie außergewöhnlich schnell heranwächst. Von Zeit zu Zeit findet Taketori danach im Wald Gold, dass er dafür verwendet, um in der großen Stadt einen Tempel für seine Familie bauen zu lassen. Schließlich ist der Tag gekommen, und die Familie lässt ihre bescheidenen Verhältnisse hinter sich, um in der Stadt ein Leben in Luxus zu führen – eine Umstellung, die Kaguya alles andere als leicht fällt. Doch Taketori ist vom Gedanken wie besessen, seiner Prinzessin jenes Leben zu ermöglichen, dass sie in seinen Augen verdient hat. Schon bald finden sich die ersten Verehrer auf ihrem Anwesen ein. Doch Prinzessin Kaguya hat für jeden von ihn eine ganz besondere Aufgabe…
Review:
Ich habe "Die Legende der Prinzessin Kaguya" auf dem diesjährigen /slash Filmfestival gesehen – wo mich der Film völlig unvorbereitet getroffen hat, kannte ich doch bisher dieses alte und populäre japanische Märchen nicht. Dementsprechend hatte ich auch keine Ahnung, was mich erwarten würde – ich wusste nur, dass der Zeichenstil dem Trailer nach phantastisch aussah. Zwar schlicht, aber doch von einer ungeheuren Eleganz und Schönheit. Hier sei gleich festgehalten, dass der Trailer die beiden optisch beeindruckendsten Szenen des Films zeigt – Kaguyas Flucht, sowie die Szene unter dem Blütenbaum – und der Rest des Films doch noch einmal eine ganze Ecke schlichter daherkommt. Und doch passt dieser altmodische, an frühe Bildrollen angelehnte Zeichenstil irgendwie perfekt zur zeitlosen Geschichte, die hier erzählt wird. Im heutigen 3D-Animationsspektakel (die ich nicht grundsätzlich verdammen will) sind gute alte Zeichentrickfilme an sich schon rar genug gesät – aber dank des altmodischen Zeichenstils hebt sich "Die Legende der Prinzessin Kaguya" selbst von diesen noch einmal deutlich ab. Jedenfalls kann ich mir nach Sichtung des Films einen anderen, moderneren Zeichenstil für diese elegante, berührende und zeitlose Geschichte nur schwer vorstellen.
Doch nicht nur der Zeichenstil, sondern auch die mit ihm erzählte Legende konnte mir sehr gut gefallen. "Die Legende der Prinzessin Kaguya" erzählt eine wunderschöne, poetische und berührende Geschichte, die erfreulicherweise ganz ohne klassische Bösewichte auskommt. Gerade auch letzteres stellt eine angenehme Abwechslung zum Einheitsbrei der Zeichentrickfilme dar, die Hollywood Jahr für Jahr auf die Kinoleinwände bringt. In "Die Legende der Prinzessin Kaguya" wollen alle grundsätzlich einmal nur das Beste – manche für andere, und manche für sich selbst. Das mit den gute Absichten gilt insbesondere auch für eine der tragischsten Figuren des Films, nämlich Kaguyas Vater. Er will für seine Tochter ja eigentlich nur das Beste, übersieht dabei jedoch völlig, dass er Kaguya Stück für Stück ihr Glück wegnimmt, und die Familie auf einen Pfad führt, der in einem Tal der Tränen endet. Was mir an der Geschichte auch sehr gut gefallen hat war der Teil mit Kaguyas Verehrern. Hier erweist sie sich als ausgesprochen clever; mir gefielen die Herausforderungen, die sie ihnen stellt, jedenfalls sehr gut. Doch selbst hier kommt es – obwohl es nicht ihre Absicht war, jemanden zu verletzten – zu tragischen Konsequenzen die sie letztendlich verfolgen werden. Trotz aller teils tragischer Szenen gibt es jedoch auch einiges zu Lachen; vor allem im ersten Drittel, dass von ihrer zwar kurzen, aber unbeschwerten Kindheit erzählt; und auch in ihrem Konflikt mit jener Frau, die ihr Benehmen beibringen soll, finden sich einige amüsante Momente. Sehr gut gefallen konnten mir auch die Traumsequenzen – auch wenn ich jeden verstehen kann, der diesem Stilmittel eher skeptisch gegenübersteht. Ich bin selbst kein grundsätzlicher Freund davon, aber hier haben sie für mich funktioniert, und vermochten es, ein paar Gefühle und Gedanken zu vermitteln bzw. zu verdeutlichen, die ansonsten vielleicht etwas zu subtil und unklar gewesen wären.
Doch so wie Kaguya langsam aber sicher ihre Glückseligkeit verliert, wird auch der Film praktisch von Minute zu Minute trister – und führt dann schließlich zu einem Ende, dass mich zu einem emotionalen Wrack gemacht hat. Die Tatsache, dass ich vom zugrundeliegenden Märchen noch nichts gehört hatte, hat da bestimmt geholfen. Zudem sei festgehalten, dass sicher nicht jeder im Kino ähnlich berührt wurde (wenn ich auch bestimmt nicht der Einzige war, dem es so gegangen ist). Für manche mag man zum Ende hin schon fast wieder etwas zu sehr auf die Tränendrüse drücken und dadurch die genau gegenteilige Wirkung erzielen. Anderen mag das tränenreiche Ende auch etwas zu ausgedehnt sein (wie der Film generell mit über zwei Stunden für einen Zeichentrickfilm außergewöhnlich lang ausgefallen ist, und sich gerade auch für kleinere Kinder als zu langwierig erweisen könnte). Aber nicht zuletzt dank der wundervollen Musik von Joe Hisaishi, den tollen Leistungen der Sprecher (im japanischen Original; wobei ich mir sicher bin, dass die deutschen Sprecher ihnen in nichts nachstehen werden) und vor allem auch der Geschichte an sich hatte zumindest ich seit "Die Rückkehr des Königs" im Kino nicht mehr derart stark mit den Tränen zu kämpfen, wie bei "Die Legende der Prinzessin Kaguya".
Fazit:
Studio Ghibli präsentieren hier ein kleines animiertes Meisterwerk, dass neben der bewegenden Geschichte und der gefühlvollen Musik in erster Linie mit den zwar schlichten, aber nichtsdestotrotz ungemein eleganten und wunderschönen Bildern besticht, deren altmodischer Zeichenstil perfekt zum zeitlosen Charakter der Legende passt. Zuerst sehr vergnügt und dann zunehmend düster und trist, bietet der Film – der ohne einen klassischen Antagonisten auskommt – zahlreiche wundervolle Momente, um dann schließlich in einem (zumindest für mich) ungemein emotionalen Finale zu münden. Ich weiß schon, an diesem Kinowochenende dreht sich erstmal alles um den Spotttölpel. Ich selbst bin auf die dritten Hungerspiele ja selber auch schon sehr gespannt. Wenn ihr aber am Wochenende vielleicht auch noch für einen zweiten Film Zeit habt, und euch dabei der Sinn nach einem außergewöhnlichen, wunderschönen und sehr berührenden Zeichentrickfilm steht, sei euch "Die Legende der Prinzessin Kaguya" wärmstens ans Herz gelegt.