Mit: Amy Seimetz, Joe Swanberg, AJ Bowen, Kate Lyn Sheil, Gene Jones u.a.
Kurzinhalt:
Vor ein paar Monaten ist Patricks Schwester Caroline, die jahrelang mit Drogen zu kämpfen hatte, abgehauen, um sich der religiösen Gemeinde "Eden Parish" anzuschließen. Seitdem hat er nichts mehr von ihr gehört. Nun schreibt sie ihm einen Brief und lädt ihn dazu ein, der Gemeinde einen Besuch abzustatten. Patrick wendet sich daraufhin an seine Kollegen beim Online-Magazin Vice, und fragt sie, ob sie ihn nicht für eine Reportage begleiten wollen. Kurz darauf bricht er zusammen mit dem Reporter Sam und dem Kameramann Jake zur von der Außenwelt abgeschnittenen Gemeinde auf, die nur mittels Helikopter zu erreichen ist. Anfangs macht die Gemeinde einen friedlichen und freundlichen Eindruck. Ihr Anführer, von allen nur "Vater" genannt, stimmt sogar einem Interview zu. Doch dann werden die drei Besucher Zeugen einer unvorstellbaren Tragödie…
Review:
Wie bereits da und dort angemerkt, bin ich zwar nicht der größte Fan von Found Footage- und/oder Mockumentary-Filmen – dies liegt jedoch weniger der Stil der mir weniger zusagt, als viele Vertreter dieses Subgenres. Was ich nämlich überhaupt nicht abkann ist, wenn Filmemacher einerseits die Vorteile des Genres freudig annehmen – wie z.B. das niedrigere Budget – und sich andererseits nicht an seine Restriktionen gebunden sehen. Die potentiell größte Stärke solcher Filme im Vergleich zu gewöhnlich gedrehten Filmen, und sein Hauptmerkmal, ist ja die vermeintlich höhere Authentizität. Die Filmemacher wollen den Zuschauer glauben machen, dass er echtes Filmmaterial sieht, und das Geschehen auf der Leinwand soll durch das Found Footage-Konzept glaubwürdiger und realer werden. In dem Moment, wo jedoch die Schummeleien überhand nehmen – also jene Aspekte, wo man mit dem Konzept bricht bzw. sich nicht mehr an seine Beschränkungen hält – funktioniert dies für mich nicht mehr, und das einzige was übrig bleibt ist ein vergleichsweise billig und amateurhaft produzierter – und aussehender – Film.
Auftritt "The Sacrament", der leider ein Paradebeispiel für einen Film des Genres ist, bei dem sich die Macher leider nicht an die damit einhergehenden Spielregeln gezwungen sahen. Dass sie ihrem Film eine Hintergrundmusik verpasst haben, um die bedrohliche Atmosphäre zu verstärken, mag dabei als mit als erstes auffallen, ist aber eigentlich noch das geringste Problem. Was mich aber sobald es mir bewusst wurde – und offen gestanden, da es praktisch die ganze Zeit vorkommt, fällt es mir schwer, zu verstehen, wie einem das nicht auffallen kann – völlig aus dem Film gerissen hat, sind die ständigen Schnitte. Hier sind wir schon mal bei einer wesentlichen Unterscheidung angelangt: "Echte" Found Footage-Filme dürften eigentlich überhaupt nicht mehr nachbearbeitet worden sein (Beispiele: "Cloverfield", "Willow Creek"), Mockumentaries hingegen schon ("Blair Witch Project" fällt für mich in diese Kategorie, da das Material beider Kameras offensichtlich zusammengeschnitten wurde). Doch egal ob ich "The Sacrament" nun als ersteres oder letzteres ansehen will, es funktioniert insofern nicht, als das ein Großteil des Films mit einer Kamera gedreht wurde, es aber nichtsdestotrotz ständig Schnitte mit Perspektivwechseln gibt. Wir kennen das aus klassischen Filmen: Bei einem Dialog hüpft die Kamera zwischen den beiden Gesprächspartnern ständig hin und her; weil die Szene entweder mit zwei Kameras gedreht oder zwei Klappen aus unterschiedlichen Perspektiven zusammengeschnitten wurden. Bei "The Sacrament" sind die den überwiegenden Teil des Films mit einer Kamera unterwegs, und dennoch gibt es ständig solche Schnitte. Beim Interview drehen sie dann immerhin mit zwei Kameras, aber auch da schwenkt die Kamera ständig zwischen Sam, dem Pater sowie Reaktionen aus dem Publikum hin- und her. Egal ob Found Footage oder Mockumentary, es waren einfach nicht genug Kameras da, als das dies – ausgehend von der vom Film aufgebauten Illusion, dies hätte sich tatsächlich so zugetragen –so hätte gedreht werden können. Womit jegliche vermeintliche Authentizität bei mir flöten ging.
Eben dies war zwar die größte, aber nicht die einzige Problemzone des Films. Die zweite wesentliche Schwäche ist die Frage, warum die Leute von Eden Parish das Kamerateam überhaupt hineingelassen haben. Das erscheint einfach völlig unplausibel – gerade auch, wenn man den vermeintlich unvermeidlichen Ausgang des Geschehens betrachtet. Zudem leidet der Film unter dem oftmaligen Problem solcher Filme, dass es mit der Zeit unplausibel erscheint, dass immer noch weitergefilmt wird, und es zudem einfach einige Zeit dauert, ehe die Handlung so richtig in Fahrt kommt. Zwar bemüht man sich, von Anfang an ein bedrohliches Gefühl zu vermitteln, aber aufgrund des vom Konzept quasi vorgegebenen Aufbaus, der auf eine Eskalation zum Finale hin zusteuert, hielt sich die Spannung in der ersten Hälfte noch ziemlich in Grenzen. Zudem stellt sich auch wieder Und auch zu den Figuren konnte ich leider kaum eine Verbindung aufbauen, wobei mir vor allem wieder einmal die Angewohnheit sauer aufgestoßen ist, zu versuchen, uns wegen ihrer Familienverhältnisse (Stichwort schwangere Frau) mit ihnen mitfühlen zu lassen, anstatt sie uns auch wirklich vorzustellen und sie uns sympathisch zu machen. Last but not least: Praktisch von Anfang an hat man bei Eden Parish ein ungutes Gefühl. Uns die Anziehungskraft einer solchen Kommune verständlich zu machen, ist beim vergleichbaren "Martha Marcy May Marlene" (den ich ohnehin in allen Belangen überlegen finde) deutlich besser gelungen.
Diese Kritikpunkte – insbesondere natürlich die Schummeleien bei der Inszenierung, die für mich jeglichen Anstrich von Authentizität im Keim erstickten, und mich im Gegenteil auf die Künstlichkeit des Films noch stärker aufmerksam gemacht haben, als dies bei einem ganz gewöhnlich inszenierten Film der Fall ist – sind vor allem auch deshalb so ärgerlich, als der Film das Potential zu einem großartigen, grausamen Horror-Schocker gehabt hätte. So nimmt er sich ein tatsächlich stattfindendes Massaker eines solchen Kults zur Vorlage, und setzt die entsprechenden Szenen dann auch mit kompromissloser Härte durch. Die letzten 20-30 Minuten waren, abseits meiner Probleme mit der Inszenierung, ungemein stark, und boten einige eindringliche, schockierende und erschütternde Momente, die mir unter die Haut gingen. Die schauspielerischen Leistungen sind ebenfalls überwiegend sehr gut, wobei für mich vor allem die wieder einmal ungemein charmante Amy Seimetz sowie Gene Jones hervorstachen. Letzterer hat eine derart eindrucksvolle, beherrschende und magnetisierende Leinwandpräsenz, dass man durchaus verstehen kann, warum sich diese Menschen von ihm angezogen fühlen, und bereit sind, ihm zu folgen. Umso bedauerlicher ist es eben, wie mir dieser an und für sich vielversprechende Film durch den Inszenierungsstil verdorben wurde. Hätte man sich den Found Footage-Zugang gespart und hätte einfach einen ganz gewöhnlichen Film daraus gemacht (gerne auch trotzdem über ein Kamerateam, das die Gemeinde besucht), hätte "The Sacrament" eines der Highlights des Jahres für mich werden können. So hat er mich leider vielmehr sehr früh verloren, und konnte mich danach nie mehr so recht zurückgewinnen.
Fazit:
Ja Sakrament noch einmal… "The Sacrament" hätte – angesichts der Handlung sowie dem Finale, dass es wirklich versteht, unter die Haut zu gehen – das Potential dazu besessen, zu einem der Horror-Highlights des heurigen Jahres zu werden. Leider aber meinte Ti West, den Film unbedingt als Found Footage bzw. Mockumentary umsetzen zu müssen, sah sich jedoch nicht an die damit einhergehenden Restriktionen gebunden. Ständig wechselt man zwischen zwei Kameraperspektiven hin und her, obwohl mit nur einer Kamera gedreht wird, und eben dies riss mich leider völlig aus dem Film. Aufgrund dieser Schummel-Inszenierung ging bei mir jegliche Authentizität die der Film zu beschwören versucht gänzlich flöten, und letztendlich war ich mir seiner Künstlichkeit noch stärker bewusst, als dies bei normalen Filmen der Fall ist. Darüber hinaus weist der Film auch so übliche Schwächen des Genres aus, wie dass man sich früher oder später die Frage stellt, warum die Geschehnisse immer noch gefilmt werden. Zudem braucht der Film etwas, ehe er so richtig in die Gänge kommt. Last but not least war mir auch nicht klar, warum man das Kameramannteam denn eigentlich in die Gemeinde hineingelassen hat, angesichts der Tatsache, dass sie ja scheinbar schon vermuteten, wo das hinführen würde. Immerhin, die schauspielerischen Leistungen – insbesondere von Amy Seimetz sowie einem phänomenal aufspielenden Gene Jones als der Vater der Gemeinde – wissen zu gefallen, und das Finale ist absolut erschütternd und wartet mit einigen eindringlichen Momenten auf. Zumindest für mich war es da allerdings schon zu spät, hatte mich der Film doch zu diesem Zeitpunkt schon längst verloren.