Originaltitel: Lonely Among Us Episodennummer: 1x07 Bewertung: Erstausstrahlung USA: 02.11.1987 Erstausstrahlung BRD: 19.10.1990 Drehbuch: Michael Halperin & D.C. Fontana Regie: Cliff Bole Hauptdarsteller: Patrick Stewart als Captain Jean-Luc Picard, Jonathan Frakes als Commander William T. Riker, LeVar Burton als Lt. Geordi LaForge, Denise Crosby als Lt. Tasha Yar, Michael Dorn als Lt. Worf,
Gates McFadden als Dr. Beverly Crusher, Marina Sirtis als Counselor Deanna Troi, Brent Spiner als Lt. Commander Data, Wil Wheaton als Wesley Crusher Gastdarsteller: Kavi Raz als Lt. Singh, Colm Meaney als Wache, John Durbin als Ssestar u.a.
Kurzinhalt:
Als die Enterprise eine Energiewolke im Weltraum durchquert, kommt es auf einmal zu einer Energieentladung, die Worf niederstreckt. Zwar übersteht er den Zwischenfall soweit unbeschadet, jedoch zeigt sich schon bald, dass es sich bei dem Zwischenfall um keine schlichte Überladung der Konsole gehandelt hat, sondern dabei vielmehr ein Lebewesen übertragen wurde. Dieses arbeitet sich in der Hierarchie der Enterprise nun sukzessive nach oben, bis es ihm schließlich gelingt, Captain Picard zu "übernehmen". Dieser lässt die Enterprise daraufhin trotz einer dringenden diplomatischen Mission zum Nebel zurückfliegen. Während Dr. Crusher, Data, Riker und Co. noch beraten, ob und wie sie den offensichtlich unter fremden Einfluss stehenden Picard vom Dienst suspendieren sollen, offenbart sich der Grund für das nicht gerade freundliche Verhalten des fremden Wesens…
Denkwürdige Zitate:"If the Enterprise were really this fragile, sir, she never would have left Spacedock. Therefore, her systems' failures are not endemic to the ship, but are the result of the actions of an unknown adversary." "We have a saboteur aboard." "I believe I said that."
(Ganz schön zickig, der Androide.)
"It's elementary, my dear Riker. Sir."
(Sherlock Data Holmes bei seinem ersten Einsatz.)
"Sorry, wrong species."
(Der Delegierte der Selay, nachdem er sich einen Riker eingefangen hat.)
Review:
"Die geheimnisvolle Kraft" zeigt auf, dass die Tendenz der ersten Staffel, sich auf eine Haupthandlung zu konzentrieren und B-Handlungen überwiegend auszusparen, manchmal auch ziemlich in die Hose gehen kann. Denn um die 45 Minuten Laufzeit zu füllen, ist die A-Story rund um das Energiewesen einfach viel zu dünn. Das Ergebnis: Die Handlung ist viel zu ausgedehnt, plätschert eher dröge vor sich hin, und es kommt stellenweise immer wieder Langeweile und angesichts des zu langsamen Tempos vor allem auch keinerlei Spannung auf. Zumal auch lange Zeit nicht klar ist, inwiefern der übernommene Captain für sich oder seine Besatzung eine Bedrohung darstellt. Recht früh wird uns klar, dass es dem Wesen in erster Linie darum geht, nach Hause zu gelangen – wodurch leider auch dieses zugrundeliegende Mysterium nicht zu begeistern oder zumindest mein Interesse zu wecken vermochte. Viel zu früh war klar, was hier los ist. Jedenfalls war "Die geheimnisvolle Kraft" eine Episode, die meines Erachtens nicht unwesentlich darunter gelitten hat, dass wir gegenüber der Crew einen eklatanten Informationsvorsprung hatten.
Erst am Ende, als Picard ankündigt, sich in den Nebel zu beamen, wird uns endlich klar, was auf dem Spiel steht – leider ist der entsprechende Moment viel zu schnell wieder vorbei. Nachdem man sich zuvor so elendslang Zeit gelassen hat, hastet man nun durch die Entwicklung, und Picards Ankündigung sich ins All zu beamen hat kaum Gelegenheit, um beim Zuschauer Wirkung zu entfalten. Rückwirkend betrachtet muss ich mir schon auch die Frage stellen, warum das denn überhaupt notwendig sein soll. Auf die Enterprise gekommen ist das Energiewesen doch auch, ohne zu beamen, einfach über die "Schaltkreise" des Schiffes. Warum es nicht auf diesem Weg auch einfach wieder verlassen? Die Art und Weise, wie man Picard mittels einer völlig wirren Deus Ex Machina wieder ins Leben zurückholt, gibt "Die geheimnisvolle Kraft" dann endgültig den Rest. Das ist die wohl mit Abstand absurdeste und am weitesten hergeholte Problemlösung der "Star Trek"-Geschichte. Wir laden uns einfach eine alte Version des Captains aus dem Musterpuffer des Transporters. Super Idee! Da den Drehbuchautoren wohl selbst klar war, dass dies eine ziemlich abstruse Lösung für das Problem ist, haben sie auch darauf verzichten, uns zu genau darüber aufzuklären, wie genau das funktionieren soll. Ist Picards Energie-Bewusstsein, seine "Seele", just zum Zeitpunkt als man seine leblose Hülle (?) mit dem Transporter rematerialisiert hat, wieder in den Körper gefahren? Andererseits hat er alle Erinnerungen an seinen Ausflug verloren. Hat man also nicht vielmehr einfach eine alte Version des Captains, inklusive seines damaligen Bewusstseins, wieder aus dem Musterpuffer geladen? In letzterem Fall müsste man sich nämlich unweigerlich die Frage stellen, warum dieses Privileg nur dem Captain vorbehalten ist – wäre das doch für alle Besatzungsmitglieder recht praktisch, wenn sie auf einer Außenmission dahinscheiden (z.B. weil sie von einer großen schwarzen teerartigen Masse gefressen werden *hust*Tasha*hust*).
Die Episode leidet auch darunter, dass die Idee, dass ein Besatzungsmitglied von fremden Wesen übernommen wird, bereits damals nicht mehr unbedingt die originellste und unverbrauchte war – und seither auch noch unzählige Nachahmer gefunden hat, sowohl bei TNG als auch bei den weiteren "Star Trek"-Serien. Wobei "Die geheimnisvolle Kraft" den Vergleich mit den meisten von ihnen nicht standhält, und sich als eine der schwächsten Varianten dieser Grundidee offenbart. Es half auch nicht, dass das Verhalten der Besatzungsmitglieder für mich teilweise nicht wirklich nachvollziehbar war. Es muss doch bitte schön in solch einem Fall möglich sein, den Captain seines Amtes zu entheben, wenn dieser von einer fremden Intelligenz übernommen wird. Hier hätte man viel früher viel stärker durchgreifen müssen. Generell zeigte sich die Besatzung meines Erachtens teilweise etwas begriffsstutzig, was das Wesen bzw. auch das untypische Verhalten ihrer Kollegen und Freunde betrifft. Und gerade auch von Troi sollte man sich eigentlich erwarten, dass sie sofort spürt, dass etwas nicht stimmt.
Auch mit "Sherlock Data Holmes" hatte ich leider meine Probleme. So gelungen und amüsant ich diese Idee auch finden mag (dazu gleich), aber angesichts der Tatsache, dass er diese Rolle in der Ermittlung eines Todesfalls an Bord der Enterprise spielt, wirkt sein Auftritt doch etwas unpassend und unangebracht. Ich glaube jedenfalls nicht, dass ich sein Verhalten wenn er dabei den Tod von einem meiner Kollegen untersuchen würde, amüsant finden würde. Doch das ist nicht das einzige Mal, wo sich "Die geheimnisvolle Kraft" meines Erachtens doch etwas im Ton vergreift. Den großen Vogel der Galaxis schießt man dann nämlich am Ende ab, als Captain Picard und Co. doch tatsächlich munter Witze über den Tod eines Delegationsmitgliedes reißen. Das nenne ich mal fortschrittliche Zivilisation! Wenn das nur Q gesehen hätte! Nichtsdestotrotz hatte die Episode zugegebenermaßen auch ihre Stärken. Die Effekte waren erneut phantastisch, wobei vor allem die Aufnahmen des Nebels bestechen. Auch was den Soundtrack (erneut von Ron Jones) betrifft, gibt es nichts zu meckern. Data's Interesse für die literarische Figur von Sherlock Holmes mag zwar in dieser Situation etwas unangebracht sein, sorgt aber nichtsdestotrotz für einige der besten Szenen der Episode. Was mir dabei auch gut gefällt ist, dass seine Faszination mit Sir Arthur Conan Doyle's Schöpfung auch irgendwie Sinn ergibt. Man kann verstehen, dass ihn der analytische Verstand, den Holmes in seinen Fällen zur Schau stellt, anspricht. Auch den einen oder anderen amüsanten Dialog hat man eingestreut (wie z.B. "Sorry, wrong species"). Die letzte wesentliche Stärke ist dann das untypische Verhalten des ansonsten doch etwas zugeknöpften Captains. Zu sehen, wie Picard lässig seine Beine auf seinen Schreibtisch legt und mit ungewohnter Arroganz auf die Einwände seiner Besatzungsmitglieder reagiert, war einfach nur köstlich, und ist es eigentlich schon fast allein wert, sich die Folge anzusehen. Fast.
Fazit:
"Die geheimnisvolle Kraft" ist nicht unbedingt eine schlechte Episode – aber auch weit davon entfernt, als gut zu gelten. Neben der dünnen, drögen und viel zu ausgedehnten Handlung, die stellenweise doch ein wenig Langeweile aufkommen lässt, störten mich vor allem der holprige Ton mit zahlreichen unpassend-komischen Momenten (allen voran den Abschluss"gag" rund um den Tod eines Delegierten), das teils suboptimale Verhalten der Besatzung, sowie die abstruse Deus Ex Machina-Lösung für ein scheinbar unlösbares Problem. Demgegenüber stehen Data's Besessenheit mit Sherlock Holmes, einzelne gelungene (meist amüsante) Momente sowie die wieder einmal großartigen Effekte. Wirklich retten kann das die Folge zwar nicht, man bewahrt uns damit aber wenigstens vor einem völligen Reinfall.