Kurzinhalt:
Die drei Weltraumreisenden Ulysse Mérou, Professor Antelle und Arthur Levain machen im Sternensystem Beteigeuze eine erstaunliche Entdeckung: Sie finden nicht nur einen erdähnlichen Planeten vor, beim Besuch der von den Raumfahrern auf den Namen "Soror" getauften Welt stellt sich außerdem heraus, dass diese von menschenähnlichen Wesen bewohnt ist, denen jedoch jedwedes rationale Denkvermögen zu fehlen scheint. Zeit für Verwunderung bleibt Ulysse und seinen Kollegen kaum, denn sie finden sich sogleich in einer mörderischen, von Affen angeführten Treibjagd wieder und werden gefangen genommen. Um seine Freiheit wieder zu erlangen, muss der in einem Käfig eingesperrte Ulysse seine Intelligenz gegenüber den Affen unter Beweis stellen. Kein leichtes Unterfangen, sind Menschen in den Augen der herrschenden Zivilisation Sorors nichts anderes als Tiere!
Review:
Ich muss gestehen, dass ich an Pierre Boulles Werk mit sehr gemischten Gefühlen herangegangen bin. Das Grundkonzept des vorliegenden Buches, der Rollentausch von Mensch und Tier, erschien mir reichlich platt und konnte mich im Vorfeld zu dieser Rezension nicht dazu bewegen, mich mit der Materie eingängiger zu beschäftigen, geschweige denn, mir zumindest eine der diversen Verfilmungen zu Gemüte zu führen. Bis jetzt. Ich bin selten so froh gewesen, derart falsch gelegen zu haben. Nicht nur hat sich der Roman als echter Pageturner herausgestellt, auch sein Ruf als Klassiker mit zeitloser Botschaft ist in meinen Augen durchaus gerechtfertigt. Dabei beginnt der Roman aus meiner Sicht alles andere als vielversprechend, beinahe banal. Die Reise nach Soror, sowie die Charakterisierung der Besatzung des Sternenschiffs werden auf das Allernötigste beschränkt, wobei man als Leser Professor Antelles Erklärung, warum mit Beteigeuze gerade ein derartig weit entferntes Ziel für Forschungsreise mit relativistischer Geschwindigkeit ausgewählt wurde, ruhig hinterfragt werden darf. Die egoistische "Alles oder Nichts"-Einstellung des Professors ist aus heutiger Sicht bei einem derart aufwendigen Projekt kaum nachvollziehbar, wurde aber wohl vom Autor bewusst simpel gehalten, damit der Einstieg nicht vom Kern seines Werks ablenkt. Da ist es dann auch kaum verwunderlich, wenn Ulysse Mérou und seine beiden Kollegen bei ihren ersten Schritten auf einer fremden und dazu noch bewohnten Welt alle Vorsicht vergessen und mit den Eingeborenen sowohl im wörtlichen wie auch anschließend im übertragenen Sinne baden gehen.
Was sich bereits zaghaft bei dem Aufeinandertreffen der drei Besucher mit den verwilderten Menschen Sorors angedeutet hat, wird nur allzu deutlich als Ulysse in die Gefangenschaft der wahren Herrscher des Planeten gerät und seine Versuche, sich gegenüber den Affen als intelligentes Lebewesen zu erkennen zu geben, auf scheinbar taube Ohren stoßen. Der Autor zwingt nicht nur den Protagonisten dazu seine Verhaltensweisen zu überdenken, sondern hält der Menschheit teilweise amüsant, teils auch recht schonungslos den Spiegel vor. Da führen Schimpansendamen ihre Menschen an der Leine im Park Gassi, andernorts stellen dressierte, um Früchte bettelnde Menschen eine beliebte Attraktion im Zoo dar und der Alltag an der Börse wird für Ulysses als Außenstehenden sprichwörtlich zum Affenzirkus. Darüber hinaus weiß Boulle nicht nur ein paar Worte zum nicht ganz unterschwelligen Rassismus der Affengesellschaft zu verlieren, auch Tierversuche stehen weit oben auf der umfangreichen Liste der sozialkritischen Betrachtungen des Autors. Der Besuch der Hirnforschungsstation wird für den Protagonisten zum Alptraum, wenn der übereifrige Leiter davon schwärmt, dass die Versuchsmenschen unter seinen Experimenten nicht leiden würden.
Der etwas naive Optimismus Ulysses wird im Laufe des Romans mehr als nur einmal auf die Probe gestellt. Wähnt sich Ulysses, nachdem er die Vollversammlung der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Elite der Affen endlich davon überzeugen konnte, ein intelligentes Lebewesen zu sein, euphorisch auf der Siegerseite, wandelt sich sein Status vom wissenschaftlichen Wunder im Nu zur Gefahr für die Affengesellschaft, die keine zweite hochentwickelte Spezies neben sich dulden wird und sich Mérou infolge dessen gezwungen sieht, die Flucht vom Planet der Affen anzutreten. Während sich die Verfilmung von 1968 mit Charlton Heston in der Hauptrolle erstaunlich nah an ihrer Vorlage bewegt und es sogar schafft, den Gegenspieler Dr. Zaius vielschichtiger zu zeichnen, unterscheiden sich Film und Buch vor allem in ihrem jeweiligen Ende. Thematisiert das Ende des Films vor allem die Angst vor einem Atomkrieg, sieht Boulle den Ausgang der Gefahr vor allem in der Entwicklung des Menschen selbst begründet. Während sich die Verfilmung an dieser Stelle damit begnügt und bereits der Abspann über die Leinwand flimmert, stellt Boulle anschließend nochmals die Erwartungen des Lesers auf den Kopf. Der Abschlussgedanke, der einen wunderbaren Bogen zum ersten Kapitel spannt, hier aber bewusst nicht verraten werden soll, ist nicht nur rückblickend erschreckend naheliegend, sondern vor allem auch zeitlos und hat sich mir nachhaltig ins Hirn gebrannt.
Fazit:
Affen sind auch nur Menschen. Oder ist es gar umgekehrt? Pierre Boulle zwingt in seiner bereits 1963 veröffentlichten Parabel den Leser in den Spiegel zu schauen und die menschlichen Handlungsweisen zu hinterfragen. Die im Cross Cult Verlag erschienene aktuelle Auflage wurde mit einer neuen Übersetzung durch Merle Taeger ergänzt, die sich durchweg zeitgemäß und vor allem flüssig liest.