Kurzinhalt:
Eine geheime Bruderschaft beschwört einen Drachen zu sich, und übernimmt die Kontrolle über ihn. Sie benutzen ihn, um Ankh Morpork zu terrorisieren, in der Hoffnung, den Patrizier stürzen zu können. Die Zaubergilde sieht sich dazu veranlasst, etwas dagegen zu unternehmen – fallen doch Drachen aus Sicht der Bevölkerung in deren Zuständigkeitsbereich. Da sich jedoch niemand wirklich mit einem Drachen anlegen will, beauftragt der Erzkanzler kurzerhand den magisch wenig begabten Rincewind damit, die für einen Zauberspruch notwendigen Zutaten zu besorgen. Als Rincewind allerdings erfährt, dass der Zauberspruch dazu dient, den Drachen aufzuspüren – und damit auch dessen Goldvorrat – wird er habgierig, und beschließt, die Beschwörung allein durchzuführen. Doch damit beginnt das fantastische Abenteuer erst…
Review:
"Discworld" ist ein PC-Adventure, dass 1995 von Psygnosis veröffentlicht wurde. Die Geschichte basiert lose auf dem Scheibenwelt-Roman "Wachen! Wachen!", bezieht seine Inspiration jedoch aus zahlreichen "Discworld"-Büchern. Die wohl größte Änderung im Vergleich zu "Guards! Guards!" ist, dass im PC-Spiel der Zauberer Rincewind – eine der beliebtesten Figuren von Terry Pratchetts Scheibenwelt, der jedoch in der "Romanvorlage" überhaupt nicht vorkam – die Hauptrolle übernimmt, während die Nachtwächter zu Wärtern am Stadttor "degradiert" werden und nur einen Gastauftritt haben. Zumindest mich hat dies jedoch nicht gestört, da auch ich Rincewind für eine der interessantesten, sympathischsten und lustigsten Figuren der Scheibenwelt halte, und es sehr viel Spaß macht, sich aus seiner feig-ängstlichen Perspektive in dieses Drachen-Abenteuer zu stürzen. Schade nur, dass das Adventure – angesichts seiner mangelnden magischen Fähigkeiten – nicht auch noch durch Zaubertricks als zusätzliches Rätselelement angereichert wurde; das hätte den Titel von ähnlichen Adventures noch einmal abgegrenzt. Allerdings ist das Spiel auch ohne eine solche Zusatzspielerei herausfordernd genug – aber dazu gleich mehr.
Rincewinds Hauptrolle hat noch einen weiteren wesentlichen Vorteil, und das ist die Truhe, die nicht von seiner Seite weicht. Eines der klassischen Konstrukte, die vom Spieler "suspension of disbelief" erfordern, ist bei Adventures ja das Inventar. Die Spielfiguren solcher Adventures sind ja üblicherweise doch eher kleptomanisch veranlagt, und stecken munter alles ein, was nicht niet- und nagelfest ist, und sich in weiterer Folge noch als nützlich erweisen könnte. Wo die Spielfigur diese ganzen Inventargegenstände eigentlich hinsteckt, sollte man allerdings besser nicht genauer hinterfragen. Dank der magischen Truhe hat "Discworld" dieses Problem nicht, wurde doch bereits in den Romanen etabliert, dass diese Platz für so ziemlich alles hat. Rincewind selbst wiederum kann immer nur wenige Gegenstände in seine Taschen stecken – was vor allem für jene Rätsel, wo wir an einen Ort gehen zu dem uns die Truhe nicht folgen kann, relevant ist. Was mir sehr gut gefallen konnte, ist die Größe der Spielewelt. Das ist etwas, wovon man in aktuellen Adventures meist nur träumen kann, die oftmals pro Rätsel nur 2-3 Locations mit ein paar Gegenständen anbieten. Nicht so "Discworld", das in der Blütezeit des Genres entstanden ist. Sobald man es mal geschafft hat, die Unsichtbare Universität zu verlassen, steht einem gleich Ankh Morpork mit zahlreichen Locations, vielen Figuren und noch mehr Gegenständen zur Verfügung. Dementsprechend viel gibt es aufzunehmen und gedanklich abzuspeichern, falls es für ein späteres Rätsel relevant sein sollte. In den weiteren Akten des aus insgesamt vier Akten bestehenden Spiels (wobei Akt IV dann nur mehr ein recht kurzes Finale umfasst) kommen dann laufend neue Locations dazu, um dem Spieler auch danach noch ein paar interessante neue Figuren und etwas Abwechslung zu bieten.
Es ist wirklich erstaunlich, wie sich die Fülle an Orten, Figuren und Gegenständen auf den Schwierigkeitsgrad auswirkt. Wildes Herumprobieren dauert einfach aufgrund der vielen Kombinationsmöglichkeiten derart lang, dass es, sofern man nicht zumindest eine Grundidee hat, nicht wirklich sinnvoll ist. Zugleich bietet einem die große Spielwelt und die Fülle an Aufgaben die es zu erledigen gibt allerdings auch mehr Freiraum. Wenn ich bei einer Aufgabe feststecke, lege ich sie einfach vorerst ad acta und knöpfe mir eine andere Herausforderung vor. Grundsätzlich empfand ich den hohe Schwierigkeitsgrad und die Größe und Weite der Spielwelt jedenfalls im Vergleich zu modernen Adventures, die sich oftmals davor zu scheuen scheinen, den Spieler zu sehr zu fordern (und das, obwohl die Lösung eines Rätsels heutzutage, im Vergleich zu 1995, immer nur ein paar Internet-Klicks entfernt liegt) als willkommene Abwechslung. Jedoch: Mit der Zeit beginnt man dann leider, übers Ziel hinauszuschießen, und den Spieler da und dort doch ein wenig zu frustrieren.
Das liegt weniger an der Fülle an Möglichkeiten, die einem aufgrund der Schauplätze, Inventargegenstände usw. zur Verfügung stehen, als daran, dass einem das Spiel manchmal nicht ausreichend Hinweise gibt, was denn nun eigentlich zu tun ist. Exemplarisch sei das "Rätsel" genannt, wie wir in den L-Raum (der auf Deutsch eigentlich B-Raum hätte heißen sollen, für Bibliothek) gelangen. Wer da nicht durch zufälliges Ausprobieren darauf kommt oder die Komplettlösung befragt, wird wohl anstehen. Und in beiden Fällen hält sich das Erfolgsgefühl, dass Adventures für mich eben so auszeichnet, doch in sehr argen Grenzen. Zudem reiht sich manchmal eine Rätselkette an die andere; manchmal zögert man die Belohnung für den Spieler etwas zu weit hinaus. Beispiel: Es ist uns endlich gelungen, das Wahrheitsserum zu beschaffen – doch anstatt uns dafür zu belohnen, startet erst recht wieder eine neue Rätselkette. Hier kann doch gelegentlich Frust aufkommen. Am schwersten wiegt für mich aber die Tatsache, wie obskur und teilweise sogar richtiggehend absurd die Rätsellösungen sind. Der Schmetterlingseffekt in Akt II gibt diesbezüglich zum ersten Mal einen Vorgeschmack, ist jedoch erst die Spitze des Eisbergs. Die wohl absurdeste Rätselkette im ganzen Spiel betrifft den Fischverkäufer, ein WC und einen Oktopus; aber auch das mit der Schlange ist nicht ohne. Was immer für bewusstseinserweiternde Stoffe die Personen die sich das ausgedacht haben zu sich genommen haben, man sollte es dem Spieler als Gratisbeilage in die Packung stecken. Jedenfalls viel Glück dabei, diese Rätselnüsse mit logischem Denken zu knacken! Wie gesagt: So sehr ich fordernde Rätsel auch schätze, aber halbwegs logisch und nachvollziehbar – so dass man zumindest wenn man die Lösung dann kennt sich rückwirkend denken kann "War ja eigentlich klar!" – sollten sie schon sein. Zumal "Discworld" auch den Kardinalsfehler von Adventures begeht, einfachere bzw. alternative Lösungen für ein Problem zu übersehen, und strikt auf den einen einzigen von den Machern ersonnenen Lösungsweg zu bestehen.
Dass der Spielspaß trotz des hohen Schwierigkeitsgrades und der teils abstrusen Lösungswege nicht zu sehr in den Keller sackt, ist in erster Linie dem tollen Humor des Spiels zu verdanken. Die Dialoge sind teilweise köstlich und strotzen nur so vor über vor Wortwitz. Es gibt zahlreiche höchst amüsante Momente, wie z.B. die gelegentlichen Auftritte vom Tod. Ein ganz besonderes Highlight war für mich auch die Verknüpfung zwischen Vergangenheit und Gegenwart im 2. Akt, wie z.B. rund um den ängstlichen Burschen in der Kaputten Trommel, oder auch dem Frosch von gleich zu Beginn des Spiels. Auch einige parodistische Elemente haben sich in das Spiel geschummelt, wie z.B. auf Indiana Jones im Allgemeinen und "Jäger des verlorenen Schatzes" im Besonderes – was insofern auch deshalb wie die Faust aufs Auge passt, als unser aller Lieblingsarchäologe Anfang der 90er ja ebenfalls das eine oder andere PC-Adventure bestritten hat. Köstlich auch der Gastauftritt von Sigmund Freud, oder die Filmplakate. Darüber hinaus bezieht das Spiel den Humor jedoch in erster Linie aus den Figuren, den Dialogen, und Situationskomik. Jedenfalls hat mich das Spiel dank des köstlichen Humors trotz der einen oder anderen Frusteinlage gut unterhalten.
Und da sind wir schon beim nächsten Punkt: Angesichts der parodistischen Elemente bin ich mir nicht sicher, ob nicht eben diese obskuren Rätselketten teilweise als Parodie auf Adventure-Spiele gemeint ist; dann wären diese dem Spiel nämlich erst recht nicht mehr vorzuwerfen. Ein "komischer Mann" der sich zum Finale in der Menge finden lässt sowie eine amüsante Einlage zwischendurch – eine Person möchte Rincewind den gewünschten Gegenstand einfach so aushändigen, woraufhin dieser erwidert, dass man doch eigentlich eine gewisse Gegenleistung dafür verlangen müsste, da sich dies in einem Adventure so gehört – lassen mich diese Möglichkeit zumindest in Betracht ziehen. Zudem sei erwähnt, dass ich – obwohl ich die Romane auf Englisch lese – die deutsche Version gespielt habe. Diese wurde zwar vom Terry Pratchett-erfahrenen Andreas Brandhorst übersetzt, ein kurzer Blick ins Finale sowie das eine oder andere missglückte Wortspiel deuten jedoch an, dass nicht alle Gags ins Deutsche gerettet werden konnten. So fehlt im deutschen Finale eine Anspielung auf "Dirty Harry". Hin und wieder, bei einem ganz besonders erzwungenen Wortspiel, erschallt im Spiel ein Tusch – im deutschen erfolgt dieser jedoch manchmal an Stellen, wo man sich fragt, was genau da jetzt eigentlich so lustig gewesen sein sollte, da offenbar kein adäquater Ersatz für den Original-Gag gefunden wurde. Geschlampt hat man leider auch beim Running Gag, der dem Roman entnommen wurde, und der sich auch durchs gesamte Spiel zieht. So reagiert der Bibliothekar auf ein bestimmtes Wort recht aggressiv. Im Original ist dies "monkey", auf deutsch hat man sich, wohl da es bei uns keine vernünftige Unterscheidung zwischen "monkey" und "ape" gibt, für Tier entschieden. Leider kommt es dann aber in weiterer Folge zu Auftritten des Bibliothekars, obwohl in der deutschen Version niemand das Wort Tier in den Mund genommen hat (es darf angenommen werden, dass an den entsprechenden Stellen im Englischen das Wort "monkey" fällt), was diesen Gag leider ansatzweise ruiniert. Alle anderen verloren gegangenen (Wort)witze mag ich ihnen verzeihen können, aber was das betrifft hätte man schon etwas mehr Sorgfalt walten lassen sollen. Falls ihr die Wahl habt, rate ich daher zur englischen Sprachversion.
Was die Sprecher betrifft, halten sich beide Versionen – soweit ich das nach einem kurzen Blick in ein paar YouTube-Videos mit der englischen Sprachfassung beurteilen kann – in etwa die Waage. Die englischsprachige Version punktet in erster Linie mit Eric Idle als Rincewind, der wie ich finde perfekt auf die Figur passt und ihn höchst spielfreudig vertont. Arne Elsholtz ist zwar auch keinesfalls recht, allerdings ist Eric Idles Stimme doch etwas höher und spezieller, und in meinen Ohren vor allem auch für amüsante Rollen um einiges besser geeignet. Elsholtz klingt doch vergleichsweise tief und trocken. Dafür gefällt mir die deutsche Stimme vom Tod um einiges besser als die englische. Generell hat man für die deutsche Fassung deutlich mehr SprecherInnen bemüht als beim englischen Gegenpart, weshalb die einzelnen Rollen überwiegend auch wirklich unterschiedlich klingen. Der Nachteil davon ist wieder, dass man – gerade auch für Mini-Rollen, wie beim Dieb im Intro – teilweise scheinbar auch ein paar Laien ins Studio eingeladen hat, die mit den professionellen Sprechern nicht mithalten können und mit ihrer stimmlichen Performance doch deutlich abfallen. Hier stellt sich allerdings die Frage, was einem lieber ist: Da und dort eine weniger professionelle oder immer wieder die gleichen Stimmen zu hören. Wie gesagt, letztendlich sehe ich beide Fassungen, was die Vertonung betrifft (die Übersetzung außen vor gelassen), auf gleicher Höhe.
Grafisch darf man sich, wie auch die beigefügten Screenshots zeigen, von "Discworld" natürlich nicht zu viel erwarten. Die Auflösung liegt nur in VGA vor, was damals allerdings durchaus noch auf der Höhe der Zeit war (wenn auch kurz darauf die ersten SVGA-Titel das Licht der Welt erblickten). Und von der niedrigen Auflösung abgesehen, können sich sowohl die Figuren als auch die Hintergründe absolut sehen lassen. Beides ist mit viel Liebe zum Detail gestaltet, wobei man vor allem auch Rincewind zahlreiche Animationen spendiert hat. Die handgezeichneten Hintergründe sind ebenfalls sehr gut und überaus detailliert gestaltet. Aus heutiger Sicht ist die Grafik natürlich sehr veraltet, aber berücksichtigt man die Zeit, in der das Spiel entstanden ist, kann sich "Discworld" absolut sehen lassen. Die Musik hat mir ebenfalls sehr gut gefallen. Praktisch jeder Schauplatz bekommt seine eigene Melodie, von denen ich einige durchaus eingängig fand. Vor allem jene bei der Wirtschaft hat mich in den letzten Tagen dank ihrer Ohrwurmqualität fast ständig begleitet. Bei der Steuerung schlug man im Vergleich zu einigen früheren Spielen ein paar ansatzweise innovative Töne an, die sich in weiterer Folge (wenn auch teilweise in leicht abgewandelter Form) zum Standard gemausert haben. So gibt es keine Verbicons, stattdessen steuern wir Rincewind mit der linken Maustaste, betrachten mit der rechten, und um mit einer Figur zu reden oder einen Gegenstand zu nehmen oder zu benutzen, verwendet man einen Doppelklick. Mittlerweile gibt es ja eigentlich nur mehr Links – Aktion, Rechts – Betrachten, spielhistorisch bietet "Discworld" aber einen interessanten Zwischenschritt. Grundsätzlich ging mir die Bedienung jedenfalls gut von der Hand; lediglich beim Ablegen von items ins Inventar hatte ich Probleme, da ich allzu oft einen Doppelklick bemühen wollte, obwohl ein einfacher Klick reicht. Löblich auch, dass sich Dialoge mit der rechten Maustaste und einige Zwischensequenzen mit Escape abbrechen lassen, um Wiederholungen zu vermeiden. Noch löblicher wäre es allerdings gewesen, wenn dies auch wirklich immer funktioniert hätte; vor allem die lange Sequenz rund um die Brücke und den Mönch leidet etwas darunter, zumal das Ganze mit einem Rätsel verknüpft ist. Im schlimmsten Fall bekommt man die ewig gleiche und recht lange Sequenz dort unzählige Male zu Gesicht, was die Spielzeit unnötig in die Länge zieht. Hier habe ich dann doch recht bald entnervt das UHS zu Rate gezogen; was halt nicht unbedingt Sinn der Sache ist.
Fazit:
"Discworld" punktet vor allem mit seinem Humor. Das erste grafische PC-Adventure, dass auf Terry Pratchetts Scheibenwelt basiert, übernimmt dabei in erster Linie die Geschichte des Romans "Guards! Guards!", lässt sich aber da und dort auch von anderen Romanen der Reihe inspirieren. Ein paar Witze gehen zwar in der deutschen Fassung aufgrund der Übersetzung verloren, und vor allem der Running Gag rund um den Bibliothekar wird nicht gänzlich bewahrt, insgesamt machte die Übersetzung auf mich allerdings – soweit ich das ohne Kenntnis der Vorlage beurteilen kann – einen guten Eindruck, wobei ich allen die der englischen Sprache mächtig sind dennoch zur Originalversion raten würde; schon allein, da ich Eric Idle auf Rincewind um einiges gelungener finde als den –nichtsdestotrotz sehr bemühten und spielfreudigen – Arne Elsholtz. Grafisch darf man sich von einem Spiel, dass mittlerweile fast 20 Jahre auf dem Buckel hat, natürlich keine Wunder erwarten, und die Musik kann zwar von den Melodien her überzeugen, aber die Soundqualität an sich ist natürlich auch nicht besonders überragend; zumindest meinem Spielspaß tat dies keinen Abbruch. Wer mit dem Gedanken spielt, sich "Discworld" vorzuknöpfen, sollte aber entweder im Adventure-Genre schon recht erfahren sein, und dabei neben den aktuellen (und meist nicht allzu schweren) Spielen auch ein paar Klassiker bezwungen haben, oder sich eine Komplettlösung zur Hand nehmen. Denn die Rätsel sind teilweise – aufgrund der Größe der Spielwelt, der teils sehr obskuren Rätselketten, vor allem aber aufgrund zahlreicher abstruser Lösungswege – überaus schwierig, und haben selbst bei mir, einem Genre-Veteranen, da und dort für Frust gesorgt. Wen das nicht abschreckt, der kann sich jedoch auf ein Adventure freuen, das selbst erfahrene Spieler fordern und zwischen 20 und 25 Stunden lang gut unterhalten sollte.
Gesamtwertung:84%
Christian Siegel
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