Mit: Jake Gyllenhaal, Mélanie Laurent, Sarah Gadon, Isabella Rossellini, Joshua Pace, Tim Post, Kedar Brown, Darryl Din u.a.
Kurzinhalt:
Der Geschichtsprofessor Adam Bell lebt gefangen in seinem aus Routinen bestehenden, eintönigen Alltag. Tagsüber lehrt er, abends hat er Routinesex mit seiner Freundin. Eines Tages zum Small Talk gezwungen, bekommt er von einem Kollegen einen Filmtipp. Als Adam sich diesen aus der Videothek ausleiht und ansieht, entdeckt er in einer kleinen Nebenrolle einen Schauspieler, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten scheint. Irritiert beschließt Adam, diesen Mann ausfindig zu machen, Kontakt mit ihm aufzunehmen und ein Treffen zu vereinbaren. Als die beiden sich begegnen, ist schnell klar, dass sie sich zwar äußerlich wie ein Ei dem anderen gleichen, ihre Persönlichkeiten jedoch entgegengesetzter nicht sein könnten. Sodann beginnen Männer, in das Leben des jeweils anderen einzudringen, woraufhin sich zwischen den beiden ein gefährliches Spiel entwickelt…
Review:
Wer sich an stumpfem Actiongeballere oder zwar unterhaltsamen aber hirnlosen Comedystreifen sattgesehen hat, für den dürfte "Enemy" eine willkommene Abwechslung im übrigen Filmeinerlei sein. In seinem "neuen" Werk greift Regisseur Denis Villeneuve, der sich seine Lorbeeren bereits 2010 mit „Die Frau die singt – Incendies“ sowie 2013 mit dem für mich überraschend packenden "Prisoners", einem knallharten Kindesentführungsthriller, verdiente, jetzt auf den Roman „The Double“ vom Literaturnobelpreisträger Jose Saramago aus dem Jahr 2002 zurück. "Neu" deshalb, weil "Enemy" eigentlich bereits vor dem eben erwähnten "Prisoners" abgedreht worden ist. Doch Vorsicht, wer sich von dem Film gern im Rahmen eines netten Filmabends mit Popcorn, Nachos und Bier berieseln lassen möchte, wird hier wohl enttäuscht werden. Der Film verfügt nicht wie sonst meist üblich über einen Anfang, Mittelteil und Schluss, sondern verlangt vom Zuschauer uneingeschränkte Aufmerksamkeit um das Geschehene am Ende zu sortieren und interpretieren zu können.
Das ist nämlich die zweite Besonderheit an diesem Film: Er lässt viele Fragen einfach offen, dennoch ist die Story aber nicht dermaßen abgedreht und auf pseudointellektuell gemacht, dass man den Eindruck bekäme, die Produzenten hätten selbst nicht gewusst was sie mit der ein oder anderen Szene eigentlich sagen wollten ("LOST" lässt grüßen). Stattdessen kommt man mit ein bisschen Nachdenken und Interpretation wohl zu einem für sich selbst befriedigenden Ergebnis. Und wenn nicht regt der Film dazu an, sich mit anderen über das Gesehene auszutauschen. Und wo wir gerade beim Thema Story sind, die ist dermaßen zäh erzählt, dass es fast schon unerträglich, ist ihr zu folgen. Würde normalerweise zu dicken Abzügen in der B-Note führen, hier allerdings trägt das Erzähltempo positiv zur allgemeinen Schwere des Films bei. Klingt komisch, ist aber so und sie wird zusätzlich durch die gesamte Inszenierung verstärkt. Jede Szene ist durchweg in fiebrig, krankhaften Grün- und Gelbtönen gehalten. Hinzu kommen grandiose Kameraeinstellungen und Schnitte von Räumen, Gebäuden und Häuserschluchten, die es schaffen eine sterile und bedrückende Atmosphäre zu verbreiten. Die musikalische Untermalung tut ihr Übriges dazu. Nie fühlte sich eine ganze Stadt so leblos an wie in "Enemy". Und trotz oder vielleicht auch gerade wegen der zäh erzählten Story, bei der auf den ersten Blick eigentlich nicht viel passiert, und der beklemmenden, unangenehmen Stimmung, die sich auf den Zuschauer überträgt, saugt der Film das Publikum ab der ersten Szene ein und spuckt es mit einem Knall erst wieder in der allerletzten Szene, die sich zumindest mir wohl für immer ins Gedächtnis gebrannt hat, zurück ins reale Leben.
"Enemy" ist demnach ein Film, der zum Nachdenken und Diskutieren anregt und es schafft, den Zuschauer über die gesamte Laufzeit in seinen Bann zu ziehen. Mehr kann man eigentlich kaum erwarten. Allerdings könnten weder die Story, noch die verstörende Inszenierung hieraus einen guten Film machen, wenn man keine fähige Schauspielerriege zur Verfügung hätte. Diese besteht zugegebenermaßen auch nur aus wenigen Darstellern, die allerdings liefern Großes ab. Da wäre zuallererst Jake Gyllenhaal ("Brokeback Mountain""Source Code"), der in "Enemy" in einer Doppelrolle zu sehen ist und so gleich alle Hauptrollen in dem Streifen abdeckt. Dies mit einer Präsenz und Intensität, dass man ihm den fliegenden Wechsel einerseits zwischen dem introvertierten Geschichtsprofessor Adam und andererseits dem egoistischen Lebemann Anthony vorbehaltlos abnimmt. Dabei wird man während der Szenen, in denen Gyllenhaal in die Haut des Professors schlüpft, mehr als einmal an "Donnie Darko" erinnert, bei dem Gyllenhaal als leicht gestörter Teenager vor inzwischen über zehn Jahren ebenfalls die Hauptrolle spielte und den Film schnell zum Publikumsliebling werden ließ.
Nicht zu vergessen sind aber auch die weiblichen Nebenrollen, die mit Mélanie Laurent ("Die Unfassbaren - Now You See Me") als Adams Freundin, sowie Sarah Gadon ("Cosmopolis") als Ehefrau von Anthony, die, jede auf ihre Art, gänzlich unterschiedliche Charaktere verkörpern, passend besetzt sind, wobei sie in Sachen schauspielerischer Leistung dem Herrn Gyllenhaal in nichts nachstehen. Betrachtet man "Enemy" mit ein wenig Abstand, dann kann man nur sagen, dass es sich hierbei um einen wahren Brocken von Film handelt, nach dessen Genuss sich der Zuschauer erst einmal etwas Erholung verdient hat.
Fazit:
Mit "Enemy" liefert Regisseur Denis Villeneuve schwere Kost ab. Das nicht nur, weil der Film durch seine fiebrige Bildsprache und ein unglaublich zähes Erzähltempo fast unerträglich ist zu verfolgen, sondern auch, weil es ein genialer Jake Gyllenhaal in den Hauptrollen schafft, zwei genau so unterschiedliche wie kaputte Charaktere darzustellen. Die offene Story, die den Zuschauer zunächst mit allerlei Fragezeichen auf der Stirn im Sessel zurücklässt, tut ihr Übriges. Anstrengende Filmkunst mit hervorragenden Schauspielern.