Anmerkung:
Sowohl in der nachfolgenden Inhaltsangabe als auch im Review befinden sich leichte Spoiler zum "Veronica Mars"-Kinofilm.
Kurzinhalt:
Zwei Monate sind vergangen, seitdem Veronica Mars nach Neptune zurückgekehrt ist, um ihren unter Mordverdacht stehenden Ex-Freund John Logan zu entlasten. Ihrem Vater geht es mittlerweile wieder deutlich besser, doch noch ist seine Rekonvaleszenz nicht ganz abgeschlossen, weshalb Veronica in der Zwischenzeit die Privatdetektei – mit Unterstützung von Mac – allein betreibt. Die Geschäfte gehen alles andere als gut, doch gerade als Veronica Mars darüber nachdenkt, wie sie die nächste Miete bezahlen soll, landet ein neuer, lukrativer Fall in ihrem Schoß. In Neptune ist gerade wieder Spring Break-Saison. SchülerInnen aus dem ganzen Land fallen über die Stadt her, um die Sau rauszulassen, und wilde Partys zu feiern. Vor einer Woche ist jedoch auf einer dieser Partys die 16jährige Hayley Dewalt spurlos verschwunden. Sheriff Lamb nahm den Fall bislang nicht ernst, geht er doch davon aus, dass sie abgehauen ist. Nachdem er vor der Öffentlichkeit bei einem Interview ins Fettnäpfchen tritt, und es erste Stornierungen hagelt, wendet sich die Chefin des Neptune Grand – zugleich Vorsitzende des lokalen Tourismusverbandes – an Veronica, um den Fall aufzuklären, ehe der Stadt noch mehr vom lukrativen Spring Break-Geschäft entgeht. Doch nur kurz nachdem Veronica Mars ihre Ermittlungen aufgenommen hat, verschwindet auch noch eine zweite Schülerin…
Review:
Nachdem ich mit dem Lesen von "The Thousand Dollar Tan Line" (schon allein für den famosen Titel kann ich vor Rob Thomas nur den Hut ziehen!) fertig war konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass dieser vom Fall her wohl sogar noch interessanter gewesen wäre, als jener aus dem Pilotfilm. Nicht falsch verstehen, der Fall dort war grundsätzlich ebenfalls gut, und stand – wie ja auch in meinem Review zum Film erwähnt – in bester Tradition der Serie. Aber genau das ist in gewisser Weise das Problem: Wieder war John Logan der Hauptverdächtige in einem Mordfall, wieder wurden finstere Geheimnisse der Superreichen aufgedeckt, und so weiter. Zudem litt der Film ein wenig darunter, Veronica Mars nach der langen Abwesenheit wieder nach Neptune zurückzubringen, sowie unter dem Druck, möglichst alle Fans zufriedenzustellen und damit so viele Figuren als möglich zurückzubringen, ob sie für die Erzählung selbst relevant sind oder nicht – deswegen auch das Klassentreffen. "A Thousand Dollar Tan Line" wird von diesem Druck bzw. der Fan-Erwartung nicht mehr zurückgehalten. Rob Thomas kann hier völlig frei von der Leber weg einfach einen interessanten, wendungsreichen Kriminalfall erzählen und sich dabei auf das wesentliche – und womit auch die wesentlichen Figuren – konzentrieren. Was nicht heißen soll, dass es kein Wiedersehen mit alten Bekannten geben würde, ganz im Gegenteil. Tatsächlich machen hier sogar einige der wenigen Personen die im Film mit Abwesenheit geglänzt haben hier nun ihre Aufwartung. Aber es fügt sich stimmiger ein, und vermittelt nicht mehr den Eindruck von reinem Fan-Service.
Unabhängig davon, ob es nun der erste Kinofilm oder vielmehr eine Fortsetzung gewesen wäre, muss ich sagen, dass ich mir "A Thousand Dollar Tan Line" gut als Film (oder Mini-Serie) vorstellen könnte und teilweise auch gewünscht hätte. So nett es ist, Veronica Mars beim Lösen eines Falles zuzulesen, sind mir teilweise – so sehr ich auch die Stimmen der SchauspielerInnen in meinem Kopf hören könnte – doch die schauspielerischen Leistungen abgegangen, und ertappte ich mir hie und da, zu wünschen, Kristen Bell und Co. hätten die eine oder andere Szene spielen können. Wenn ich schon beim Meckern bin: So zeitgemäß und grundsätzlich nachvollziehbar es auch ist, dass sich Veronica und Logan zum Videochat in Skype treffen, aber… werden in der Navy die privaten Handys eingezogen? Hat er keine Gelegenheit, zwischendurch mal anzurufen? Natürlich, sie bekommen sich dann nur zu hören und nicht auch zu sehen, aber ist immer noch besser als gar nichts, oder? Hier schien mir Rob Thomas Veronica Mars etwas zu verkrampft isolieren zu wollen (was vor allem für einen späteren Moment gilt, wo die Verbindung abbricht). So wendungsreich der Fall auch gewesen sein mag, aber das eine oder andere konnte ich doch auch wieder vorhersehen. Zum Ende hin gibt es zudem eine Szene, wo es Rob Thomas mit der Gefahr in der Veronica Mars schwebt meines Erachtens übertreibt. Es wollte zu den Figuren so wie sie bis dahin dargestellt wurden überhaupt nicht passen, dass sie dies in Betracht ziehen, und erschien auch sehr klischeehaft. Zumal es letztendlich komplett unnötig war – der Moment wäre ohne diesen kurzen Wortwechsel genauso spannend gewesen. Zumal man den Tod von Veronica Mars ohnehin nicht ernstlich in Betracht zieht. Last but not least: Auch wenn ich weiß, dass Voice-Over-Kommentare in erster Linie eine Notlösung sind, um den Zuschauer zu erlauben, in die Gedankenwelt des Ermittlers einzutauchen, habe ich die typischen entsprechenden Kommentare und Selbstgespräche von Veronica Mars hier doch ein bisschen vermisst. Diese sind zwar grundsätzlich vorhanden – im Vergleich zu Film und Serie aber in deutlich geringerer Dosis.
Von diesen Kritikpunkten abgesehen hatte ich mit "The Thousand Dollar Tan Line" aber einen Mordsspaß. Veronica Mars ist auch hier wieder ihr altes, cleveres, freches, angriffslustiges Ich, und nimmt sich kein Blatt vor den Mund – auch wenn sie dies gelegentlich in Schwierigkeiten bringt. Auch das Zusammenspiel zwischen ihr und anderen Figuren war wieder sehr gelungen – allen voran natürlich mit ihrem Vater Keith. Ich muss ja gestehen – ein klitzekleinwenig enttäuscht war ich ja schon, als Keith den Autounfall überlebte. Einerseits war das einer jener Punkte wo ich mich fragte, ob sich Rob Thomas hier zurückhält, um die Fans nicht zu enttäuschen. Und andererseits hätte es Veronica eine deutlich nachvollziehbarere Motivation gegeben, nach Neptune zurückzukehren, wenn sie quasi das Familiengeschäft übernommen hätte, um den Mord an ihrem Vater aufzuklären. Ich kann allerdings verstehen, warum er sich dazu nicht durchringen konnte, und nachdem ich "The Thousand Dollar Tan Line" gelesen habe bin ich sogar dazu geneigt zu glauben, dass er ihn selbst dann am Leben gelassen hätte, wenn der Film nicht durch Kickstarter finanziert worden wäre. Die Beziehung zwischen Veronica und Keith ist einfach ein derartig wichtiger Bestandteil der Serie, und macht so einen großen Reiz aus. Auch hier zählte ich ihre gemeinsamen Momente wieder zu den stärksten, besten und schönsten des Romans – vor allem, als Keith langsam resignierend zur Kenntnis nimmt, dass dies nun mal einfach das Leben ist, das Veronica für sich ausgewählt hat. Jedenfalls: Nach diesem sehr guten ersten Roman freue ich mich schon auf eine hoffentlich bald folgende Fortsetzung!
Fazit:
"The Thousand Dollar Tan Line" bietet eine gelungene Weiterführung des "Veronica Mars"-Films – den man allerdings besser gesehen haben sollte, ehe man sich diesen Roman vorknöpft. Rob Thomas beweist hier zusammen mit Co-Autorin Jennifer Graham, dass sich Konzept und Figuren von "Veronica Mars" durchaus erfolgreich aufs Papier übertragen lassen – wenn man auch hie und da die Leistungen der Darsteller etwas vermisst, die ihren Figuren halt einfach doch nochmal das Fünkchen mehr Leben einhauchen. Auch die Gedanken von Veronica Mars, die wir sonst in zahlreichen Voice Over-Kommentaren zu hören bekommen, wurden hier – da es in einem Roman ja als Stilmittel nicht erforderlich ist – deutlich zurückgefahren. Darüber hinaus gab es auch noch ein paar Kleinigkeiten, die mich ein wenig gestört haben, K.O.-Kriterien waren da aber keine drunter. Im Gegenteil, die meiste Zeit über fühlte ich mich sehr gut unterhalten. Die Figuren sprechen und agieren genau so, wie man das aus Serie und Film gewohnt ist, der Kriminalfall war gut ausgeklügelt und wendungsreich, und es machte einfach Spaß, mit Veronica Mars einen weiteren Fall zu lösen. Egal ob auf Papier, dem Fernsehschirm oder die Kinoleinwand – nach dem Doppelschlag mit dem Film und "The Thousand Dollar Tan Line" hoffe ich jedenfalls, dass wir nicht wieder sieben Jahre bis zum nächsten Abenteuer der gewitzten Detektivin warten müssen.