Vorwort:
In den 90ern waren die "Star Trek"-Romane fest in der Hand von Heyne. Zwischen 1990 und 2005 wurden über 200 Romane zu allen Serien (mit Ausnahme von "Enterprise") veröffentlicht. Nachdem die Romane in den letzten Jahren vergriffen und nur mehr aus zweiter Hand erhältlich waren, veröffentlichte der Heyne-Verlag am 24. Februar 2014 seine komplette "Star Trek"-Bibliothek als eBook. Wir nutzen diese Gelegenheit, um einen Blick in die Vergangenheit der "Star Trek"-Romane zu werfen, und diese frühen Veröffentlichungen zu besprechen – beginnend mit der "Next Generation"-Reihe, deren Romane von Heyne ursprünglich unter dem Titel "Die nächste Generation" veröffentlicht wurden.
Kurzinhalt:
Captain Jean-Luc Picard hat soeben das Kommando über das größte und modernste Raumschiff der Sternenflotte, die U.S.S. Enterprise NCC 1701-D, übernommen. Seine erste Mission: Zur Raumstation Farpoint fliegen und das Rätsel lösen, wie die vergleichsweise rückständigen Bandi in kürzester Zeit eine derart fortschrittliche Raumbasis bauen konnten, die sämtlichen Anforderungen der Sternenflotte entgegenkommt. Doch auf dem Weg dorthin wird die Enterprise von einem riesigen Energienetz aufgehalten. Kurz darauf erscheint ein mächtiges Energiewesen namens Q auf der Brücke. Er wirft der Menschheit vor, Barbaren zu sein, und sich schon viel zu weit ins Weltall vorgewagt zu haben. Sie sollen wieder in ihr Heimatsystem zurückkehren. Picard denkt jedoch gar nicht daran, der Forderung Q's einfach so nachzukommen. In einer Gerichtsverhandlung erneuert Q seine Vorwürfe – doch als Picard vorschlägt, die Menschheit einem Test zu unterziehen, ist sein Interesse geweckt. Daraufhin darf die Enterprise ihren Kurs fortsetzen – denn das Rätsel rund um die Farpoint-Station stellt aus Sicht von Q die ideale Gelegenheit dar, um die Menschen zu testen. Die Mission Farpoint wird demnach über die weitere Zukunft der Menschheit im All entscheiden…
Review:
Nur kurz nach der Ausstrahlung im amerikanischen Fernsehen ist in den USA eine Romanfassung des "Next Generation"-Pilotfilms erschienen; 1989 fand diese dann auch ihren Weg in den deutschsprachigen Raum – im Gegensatz zu Amerika war bei uns der Roman also einige Zeit vor der Ausstrahlung des Pilotfilms im Fernsehen verfügbar. Geschrieben wurde die Romanfassung von "Encounter at Farpoint" – basierend auf dem Drehbuch von Gene Roddenberry und D.C. Fontana – vom "Star Trek"-Veteranen David Gerrold, der u.a. das Drehbuch zur TOS-Episode "Kennen Sie Tribbles?" beigesteuert hat, und auch am Konzept der "Next Generation" mitwirkte. Eine lange Zeit habe ich solche Romanfassungen von Episoden oder Filmen ja verweigert – weshalb es "Mission Farpoint" anno dazumal auch nicht in meine Sammlung an "Star Trek"-Romanen geschafft hat. In den letzten Jahren begann ich aber zunehmend, einen gewissen Reiz darin zu entdecken – vor allem, da diese Romane im Idealfall die eine oder andere geschnittene Szene beinhalten, und zudem getreu dem Motto "Papier ist geduldig" im Vergleich zu 45, 90 oder 120 Fernseh- und Filmminuten die Möglichkeit geben, die eine oder andere Idee noch zu vertiefen. "Mission Farpoint" kann ich allerdings leider nur zu den durchschnittlichen "novelizations" zählen, die für mich auch hinter der TV-Fassung dieses ersten TNG-Abenteuers klar zurückbleibt.
Der Hauptgrund dafür sind einige Widersprüche von "Mission Farpoint" im Vergleich zu im weiteren Verlauf der Serie gelieferten Informationen, die letztendlich alle Informationen und Szenen, die nicht auch im Pilotfilm enthalten sind, ins Reich des Non-Canon verbannen – und dieser Romanfassung letztendlich leider jenen Reiz und Zusatznutzen nehmen, den ich zuvor erwähnt habe, und damit zugleich leider zu einem großen Teil auch seine Daseinsberechtigung. So behauptet Beverly Crusher, sie hätte Captain Picard nur ein einziges Mal getroffen – als er ihr vom Tod ihres Gatten Jack berichtet hat (was unabhängig davon, dass die Serie ihr in weiterer Folge widersprechen sollte, angesichts der Freundschaft zwischen Jack und Jean-Luc unplausibel erscheint). Den klingonischen Heimatplaneten gibt er als "Klinzhai" an. Seltsam mutet auch an, dass Riker hier Bill genannt wird, und nicht Will. Am deutlichsten weicht aber die Ursprungsgeschichte Datas ab. Dieser wurde zwar auch hier in einer kurz darauf zerstörten Kolonie gebaut, dies geschah jedoch durch eine hochentwickelte Roboterzivilisation. Für all diese Widersprüche kann David Gerrold natürlich nichts, weshalb ich sie weder ihm noch dem Roman vorwerfen will. Schade ist es aber schon.
Viel schwerer wiegt allerdings, dass sich der Roman teilweise auch selbst widerspricht. So behauptet Captain Picard auf einer der ersten Seiten, Data wäre von Starfleet erbaut worden. Zudem denkt er in Richtung des Androiden gleich zu Beginn einmal "Wie üblich", obwohl er ihn gerade erst kennengelernt hat. Woher will er also üblich, was bzw. dass dies für den Androiden üblich sei? Und seine Erinnerung ans Begräbnis von Jack Crusher widerspricht Beverlys Aussage, ihn nur ein einziges Mal getroffen zu haben. Diese Unstimmigkeiten sind einzig und allein David Gerrold anzulasten. Und dann ist da noch das Verhalten der Personen. Ich weiß natürlich nicht, inwiefern das Casting zu jenem Zeitpunkt als Gerrold mit dem Schreiben begann schon abgeschlossen war, aber ich vermute, dass zumindest die Dreharbeiten noch nicht begonnen hatten. Denn teilweise agieren die Figuren doch nicht immer so, wie man da aus der Serie gewohnt ist. Vor allem das Verhalten von Captain Picard lässt sich mit dem eher reservierten Eindruck den er im Pilotfilm hinterlässt nicht immer in Einklang bringen. Da hatten es spätere Autoren natürlich ungleich leichten, da sie die Darstellung der SchauspielerInnen in die Beschreibung ihrer Figuren schon einfließen lassen konnten. Last but not least leidet der Roman dann schließlich auch unter der zwar soliden und netten, aber keineswegs überragenden Handlung – wobei es David Gerrold leider auch verabsäumt, die größere Freiheit eines Romans was den Umfang betrifft zu nutzen, und die eine oder andere Idee zu vertiefen. Wo es dem Pilotfilm selbst gelang, die eher durchschnittliche Handlung durch die schauspielerischen Leistungen (allen voran von Patrick Stewart und John DeLancie), die beeindruckenden Sets, die kompetente Inszenierung, Dennis McCarthys Musik sowie insbesondere auch den (fürs TV) revolutionären Effekten zu kaschieren, ist die Geschichte im Roman selbst frei von solchen Ablenkungen, und völlig bloßgelegt – was sich im vorliegenden Fall doch als ein wenig ungünstig erweist.
Die Übersetzung durch Andreas Brandhorst macht insgesamt einen guten Eindruck. Er findet eine gute Mischung wenn es darum geht, bestimmte Begriffe einzudeutschen, oder aber einfach den englischen Originalbegriff, wie "Starfleet", unverändert zu übernehmen. Da und dort sind mir dann aber doch ein paar Suboptimalitäten aufgefallen. So denkt Picard an einer Stelle zu sich "Bleib kühl" – eine etwas gar eigenwillige Übersetzung von "stay cool", und das obwohl das Wort "cool" Ende der 80er bereits in den deutschen Sprachgebrauch übergegangen war. Und auch wenn ich es mangels der englischen Originalfassung nicht 100%ig sagen kann, aber ich vermute mal, auch der Fehler "Er liebte die Romane Edgar Rice Burroughs und träumte davon, mit Tarzan John Carter vom Mars…" ebenfalls auf sein Konto geht, denn dass Gerrold bei dieser in den USA populären Pulp-Reihe einen derart kapitalen Bock schießt, ist schwer vorstellbar (während es für einen deutschen Übersetze Ende der 80er verständlich wäre). Im eBook selbst ist mir aufgefallen, dass nicht alle Seiten einzeln gezählt werden, sondern es teilweise "Doppelseiten" gibt; aber möglicherweise war das auch eine Eigenheit bzw. ein Programmfehler meines Readers (BlueFire). Zudem fiel mir eine gelegentlich fehlerhafte Silbentrennung nach nur einem Konsonanten auf (Ein frei erfundenes Beispiel zur Erläuterung: S-tadt). Davon abgesehen ist die eBook-Veröffentlichung makellos. Besonders positiv fand ich daran, dass der Klappentext quasi als "Vorschau" nach dem Cover und den Buch-Infos eingefügt wurde. Das Cover selbst wurde auch schön gestaltet, und bessert rund 25 Jahre später den damaligen Fehler aus – zierte doch auf der Taschenbuchversion noch die alte Kirk-Enterprise die Vorderseite. Trotz der eher durchschnittlichen Qualität des Romans finde ich es jedenfalls sehr positiv, dass dieser den deutschen Trekkies nun – abseits abgegriffener Taschenbücher aus zweiter Hand – wieder zur Verfügung steht!
Fazit:
Die Romanfassung zu "Der Mächtige" und "Mission Farpoint" kommt bei mir insgesamt leider nicht ganz so gut weg, wie der Pilotfilm selbst. Einerseits, da einige die eher durchschnittliche Qualität der Handlung kaschierende Elemente – allen voran die für TV-Verhältnisse beeindruckenden Effekte – hier fehlen. Und andererseits, da einige hier vermittelte Informationen der TV-Serie selbst widersprechen, weshalb "Mission Farpoint" den geneigten Trekkie doch hie und da irritieren dürfte. Auch die Figuren verhalten sich teilweise noch etwas untypisch und nicht so, wie man das aus der Serie gewohnt ist. Und auch irgendwelche besonders interessanten zusätzlichen Momente hat die Romanfassung im Vergleich zur TV-Version leider nicht zu bieten. Was bleibt, ist eine auf die Geschichte des Pilotfilms reduzierte Romanversion ohne nennenswerten Mehrwert. Dennoch erfüllt "Mission Farpoint" durchaus auch in der Romanfassung seinen Zweck, nämlich die Figuren und die Welt der "Next Generation" vorzustellen und den Weg für zahlreiche weitere fantastische Abenteuer in den unendlichen Weiten des Weltraums zu ebnen.
Bewertung: 2.5/5 Punkten
Christian Siegel
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