Meine ganz persönlichen Tops und FlopsKategorie: DVD & Kino - Autor: Christian Siegel - Datum: Montag, 03 März 2014
Oscar-Verleihung 2014
Zum 86. Mal wurden also gestern die Academy Awards verliehen – und es war durch und durch souveräne und professionelle Veranstaltung – der jedoch im Vergleich zum einen oder anderen Vorjahr irgendwie die ganz großen Höhepunkte (mit wenigen Ausnahmen, zu denen kommen wir dann gleich) gefehlt haben. Dies mag zumindest teilweise damit zusammenhängen, dass es keinen einzigen wirklich überraschenden Sieger gab. Solche Überraschungen verleihen den Oscars doch halt irgendwie immer eine gewisse Würze. Auch die zwar makellose, aber doch auch irgendwie etwas brave und unaufregende Moderation von Ellen deGeneres hat den Abend geprägt, passte für mich letztendlich aber wie die Faust aufs Auge, was das doch generell mein Eindruck. Ich habe selten eine so professionelle, gelungene und gut durchdachte Oscar-Gala gesehen – aber von wenigen Ausnahmen abgesehen war halt leider auch wenig Erinnerungswürdiges dabei.
Was nun die Gewinner betrifft, habe ich mich in erster Linie über die Liebe für "Gravity" gefreut. Zugegeben, es war zu erwarten, aber gerade auch bei Steven Price war ich mir zuletzt absolut nicht sicher, ob sich die Academy nicht vielleicht doch für einen traditionelleren Score eines erfahreneren Filmkomponisten entscheiden würde. So gesehen war das jener Preis, wo ich am meisten mitgefiebert und mich dann auch am meisten gefreut habe. Als "Gravity" – für mich unerwartet – dann auch noch den Oscar für den besten Schnitt geholt hat (hatte ich doch fest damit gerechnet, dass die Academy wie sonst üblich nicht den am besten geschnittenen, sondern den am meisten geschnittenen Film prämieren wird), begann ich sogar kurzfristig einen Sieg von "Gravity" als bester Film in Betracht zu ziehen (da beide Auszeichnungen sehr oft Hand in Hand gehen). Stattdessen war es doch wie erwartet "12 Years A Slave" – auch ok. Und bevor ich mich nun meinen ganz persönlichen Tops und Flops des Abends zuwende, lasst uns "American Hustle" noch eine Runde Mitleid spendieren. 10 Nominierungen, 0 Oscars – das ist schon bitter.
Nun geht es aber los mit meinem wie gewohnt schonungslos subjektiven Rückblick auf die 86. Verleihung der Academy Awards!
Flop: Eröffnungs-Monolog
Man kann von Seth MacFarlanes "We saw your boobs"-Song oder dem Auftritt von William Shatner als Captain Kirk denken was man will – aber wenigstens redeten tags darauf alle darüber. Letztendlich ist mir solch ein Eröffnungsmonolog, der sich doch ein bisschen was traut – und dabei riskiert, auf die Nase zu fallen – lieber als der höchst brave Einstieg, den Ellen deGeneres der heurigen Verleihung verpasst hat. Mit Ausnahme des etwas fieseren Liza Minelli-Gags ("Im Auditorium sitzt auch der beste Liza Minelli-Imitator, den ich je gesehen habe. Gut gemacht, Sir!"), dem Kommentar zu Jonah Hills exhibitionistischer Szene in "The Wolf of Wall Street" (eine Art ausgleichende Gerechtigkeit für den letztjährigen "We saw your boobs"-Song?) sowie einem Witz auf Kosten von Jennifer Lawrence, als sie an deren letztjährigen Stolperer erinnerte ("Wenn du heute gewinnst bringen wir den Oscar besser zu dir") war da nichts dabei, dass mir selbst wenige Stunden später noch in Erinnerung sein würde. Generell fehlten die wirklich zündenden Gags, die Brüller, wie sie z.B. Tina Fey und Amy Poehler auch heuer wieder bei den Golden Globes gezeigt haben. Die Oscars stellen den Schlusspunkt der Preisverleihungen in Hollywood dar – da wäre es schön, wenn auch der Eröffnungsmonolog zugleich der Höhepunkt der Saison wäre. Und auch wenn Ellen sich wacker schlug und es keine echten Rohrkrepierer gab, aber – diesem (zugegebenermaßen hohen) Anspruch wurde ihr Eröffnungs-Monolog in meinen Augen nicht gerecht.
Top: Souveräne Moderation
War ihr Monolog noch etwas bemüht und arm an Höhepunkten, kam sie im Verlauf der Verleihung immer besser in Fahrt. Wo andere Moderatoren im weiteren Verlauf des Abends von der Vorstellung der Präsentatoren abgesehen auch schon mal ziemlich in der Versenkung verschwanden, kamen Ellen deGeneres beste Momente erst im weiteren Verlauf des Abends. Egal ob sie Lotterie-Tickets als Trostpreis für den in der Kategorie des besten Nebendarstellers leer ausgegangenen Bradley Cooper verteilte oder nach der Gedenknummer für "Der Zauberer von Oz" im Glinda-Kostüm auf die Bühne (Wie, bin ich zu spät? Ihr wolltet doch auf mich warten"), war sie eine stete, auflockernde Präsenz, die sich im Laufe des Abends immer wieder – und eigentlich auch immer besser – in Szene setzen konnte. Dies führte dann auch zu meinen beiden absoluten Höhepunkten des Abends, denen ich mir etwas später noch in einem separaten Eintrag widmen werde. Generell führte Ellen höchst elegant und absolut souverän durch den Abend. Jedenfalls würde es mich nach dieser Leistung, an der niemand Anstoß nehmen kann, sehr überraschen, wenn es wieder sieben Jahre dauern würde, ehe die Academy sie fragt, ob sie die Oscar-Verleihung moderieren will.
Flop: Stehaufmanderln (und -weiberln)
Das bestimmte Auftritte oder Auszeichnungen mit Standing Ovations quittiert werden, ist ja schon seit ich die Verleihung verfolge gang und gebe. Ich fand allerdings, heuer hat es die Stars im Auditorium etwas zu oft aus ihren Sitzen gerissen. Wenn man praktisch für jeden Sieger bzw. für jeden Performer aufsteht, verliert es als Geste doch irgendwie an Wirkung. Das ist halt die Krux an der Sache: Wenn man mal damit beginnt, will man den anderen Siegern ja nicht das Gefühl geben, weniger wert bzw. weniger geschätzt zu sein. Und so kommt es dann zu einer Verleihung, wo die Stars und Sternchen als Stehaufmanderln (und –weiberln) agieren. Mit der Zeit war es mir aber doch zu viel, was zur Folge hat, dass es nicht mehr ehrlich wirkt, und mir eher den Eindruck einer reflexartigen Reaktion vermittelte. Mittlerweile hat man es ja geschafft, dem Auditorium zu vermitteln, während des In Memoriam-Clips nicht mehr zu klatschen, damit diese nicht zu einem posthumen Beliebtheitswettbewerb verkommen. Vielleicht schafft man es ja auch, ihnen das ständige Aufstehen wieder auszureden…
Top: Eine durch und durch professionelle Veranstaltung
In den letzten Jahren gab es immer wieder den einen oder anderen Grund zur Beanstandung, was den Ablauf der Academy Awards betrifft. Egal ob nun das aufdringliche Orchester, die schnell wieder abgeschafften Drive-In-Oscars, oder auch immer wieder auftretende Tonprobleme. Sieht man von einem Moment ab, wo die Kamera kurz nicht wusste wo sie hinsollte, gab es heuer aber keine Pannen. Auch was die Dankesreden betrifft war man längst nicht so streng wie in den Vorjahren. Das Orchester kam nur zwei Mal zum Einsatz, einmal noch sehr subtil ehe die Gewinnerin ihre Dankesrede auch schon abschloss, und nur ein einziges Mal störend, als im Falle jener Kategorien wo sich eine oder mehr Personen den Preis teilten auch der zweite Gewinner noch kurz ein paar Dankesworte anbringen wollte, aber vom Orchester übertönt wurde (was ich jedoch eher der schon recht langen Dankesrede seines Vorredners zuschreiben würde; zumal der Trend in solchen Fällen heuer ohnehin dazu ging, einen Redner auszuwählen, der sich gleich für alle Gewinner bedankt). Eine gute Idee um Zeit zu sparen war es auch, die Nominierten in den technischen Kategorien in einer "Wechsel-Loge" direkt neben der Bühne zu platzieren, so dass diese nicht weit bis zur Bühne hatten. Ich weiß jetzt nicht genau, ob die Verleihung von vornherein 3-1/2 Stunden lang geplant war, oder man doch eine halbe Stunde überzogen hat. Aber wenn ersteres, hat man praktisch auf die Sekunde genau getroffen. Und falls letzteres, so war es mir definitiv lieber, sich etwas mehr Zeit zu gönnen, als durch die Gala zu hetzen und/oder die Gewinner – für die das wohl einer der Höhepunkte ihrer Karriere ist – abzuschneiden. Was die Organisation, die Inszenierung und den Ablauf betrifft, war die heurige Verleihung jedenfalls die beste, sie ich seit einer langen Zeit gesehen habe.
Flop: Überflüssige Montagen
Wenn es jedoch einen Punkt gibt, wo man was die Länge der Gala betrifft noch etwas hätte herausholen können, dann waren das die wieder einmal überflüssigen Montagen. Zwar war jene über die "Helden" prima geschnitten und zusammengestellt, aber selbst das ändert nichts daran, dass es genau genommen sehr überflüssig war. Wenn man ganz bestimmte Filme oder Genres feiert, gut ok, aber so machte es einen sehr beliebigen Eindruck. Zwar waren es eh nur drei dieser Montagen, und keine davon war sonderlich lang, so dass es jetzt nicht übertrieben negativ aufgefallen wäre oder gar die Verleihung groß aufgehalten hätte. Dennoch ist das ein Punkt, den man sich entweder hätte sparen oder wenigstens was die behandelten Themen betrifft etwas sinnvoller aufbauen und zusammenstellen hätte können.
Top: Drei bestimmte Dankesreden
Im Großen und Ganzen waren die meisten Dankesreden heuer wieder wenig begeisternd. Die ganz großen Emotionen haben überwiegend gefehlt, und vieles wirkte auch ein wenig einstudiert. Gerade auch Matthew McConaugheys Dankesrede, die zwischenzeitlich in eine Predigt abzugleiten drohte, hat mich doch etwas irritiert. Allerdings gab es drei löbliche, rühmliche Ausnahmen. Gleich der erste Gewinner, Jared Leto, überzeugte mit einer abwechslungsreichen Rede, die auch vor ernsteren Themen nicht halt machte, und wirklich vom Herzen zu kommen schien. Die beiden Gewinner für den besten Song, Robert Lopez und Kristen Anderson-Lopez (für "Let it Go") überzeugten mit einer zwar abgelesenen, aber wunderbar auflockernden und gut aufgelegten Dankesrede in Reimform (Highlight, an John Lasseter gerichtet: "Happy Oscars to you, let's make Frozen 2!"). Die emotionalste Rede kam jedoch von Lupita Nyong'o, die – obwohl sie eigentlich als Favoritin galt – ihr Glück scheinbar gar nicht fassen konnte, und die mit Abstand berührendste, warmherzigste und charmanteste Dankesrede des Abends ablieferte.
Flop: Präsentatoren
Mit drei rühmlichen Ausnahmen – Bill Murray, der vor der Verleihung für Beste Kamera seinem kürzlich verstorbenen Freund Harold Ramis gedachte, einem gut gelaunten Jim Carrey der einen Witz über LSD riss, sowie einem ebenso gut aufgelegten Jamie Foxx – waren die Präsentatoren heuer leider wenig aufregend. Sorgten diese in der Vergangenheit immer wieder mal auch abseits des Moderators für den einen oder anderen gelungenen Gag, ging es heuer doch eher trocken zu. Zwar insgesamt sehr professionell – sieht man mal vom doch eher peinlichen Auftritt von John Travolta ab, der sich India Menzels Namen, die vorzustellen er überhaupt erst auf die Bühne kam, nicht gemerkt hat (und scheinbar auch nicht ablesen konnte) – fehlte es mir ein bisschen an den knalligen, in Erinnerung bleibenden Präsentatoren, die den Abend humoristisch durch ein paar nette Gags noch zusätzlich aufwerten. Zwar waren sie alle sehr professionell – im nächsten Jahr darf es aber wieder etwas lebhafter und lustiger sein.
Top: Musikalische Einlagen
Im letzten Jahr gab es völlig unpassende Musical-Nummern, die mich doch sehr gestört haben und sehr unpassend schienen. Heuer hat man das großartige, abwechslungsreiche Feld an Nominierten für den besten Song genutzt, um damit die Verleihung musikalisch aufzuwerten. Vom stimmungsvollen (wenn auch meinen Musikgeschmack nicht ganz treffenden) "Happy" – bei dem Pharrell Williams auch kurz von der Bühne runterging und u.a. Lupita Nyong'o, Amy Adams und Meryl Streep zum mittanzen animieren konnte – über den herrlich reduzierten, stimmungsvollen "Moon Song", die schwungvolle Popnummer "Ordinary Love" von U2, bis hin zur kraftvollen Ballade "Let It Go", gesunden von Idina Menzel, sorgten die Nummern für gelungene musikalische Auflockerung und Stimmung. Einzig ob der Auftritt von Bette Midler unbedingt notwendig war, darüber kann man geteilter Meinung sein. Die für mich beste und hervorstechendste musikalische Performance kam jedoch von Pink, die sich im "Wizard of Oz"-Tribute bei "Somewhere Over The Rainbow" ihre Seele aus dem Leib sang, und wieder einmal ihre bestechenden gesanglichen Qualitäten unter Beweis stellte. Für mich ganz klar der musikalische Höhepunkt des Abends!
Flop: Keine Überraschungen, kaum Höhepunkte
Zwar können die Veranstalter absolut nichts dafür, aber… Überraschungen verleihen einer Oscar-Verleihung die richtige Würze, und eben das hat heuer wieder einmal gefehlt. Wie schon im letzten Jahr, wo zumindest mich aber wenigstens noch Christoph Waltz zweiter Oscar überraschen konnte, gab es heuer im Prinzip nur Favoritensiege. Das ist zwar gut für mein Ergebnis bei der Oscar-Prognose (wo ich wie ich schon gehofft hatte wie im Vorjahr wieder auf 19 von 24 Richtige kam), sorgt aber auch für den etwas höhepunktlosen Eindruck, denn die Verleihung bei mir hinterlassen hat. Zwar war alles sehr routiniert abgespult, aber der wirklich denkwürdigen, großartigen Momente waren es doch eher wenige. Und gerade auch Überraschungen beim Oscar-Gewinner waren in den Vorjahren immer dafür gut, etwas Schwung, Adrenalin und Aufregung in die Verleihung zu bringen. Das fehlte diesmal.
Top: Social Media & Pizza
Immerhin… ganz mussten wir dann doch nicht auf denkwürdige Momente verzichten. In den letzten Jahren hat die Academy zunehmend versucht, moderner und hipper zu werden, und auch keinen so abgehobenen Eindruck mehr zu vermitteln, um auch jüngere Zuschauer wieder zunehmend anzusprechen. Bislang ist dies aber noch nie so unverkrampft und natürlich gelungen wie heuer. Der "Selfie" von Ellen mit den Stars brach binnen weniger Minute alle Twitter-Rekorde (und ließ den Kurznachrichtendienst sogar kurzfristig zusammenbrechen), und steht mittlerweile bei über zweieinhalb Millionen Retweets. Generell ist Twitter, obwohl eh schon länger bekannt, jetzt wohl endgültig auch bei einem breiten Publikum angekommen. Auch Internet-Trends fanden rund um die Veranstaltung Einzug, wobei vor allem der die ernst dreinschauende Popgruppe U2 photobombende Benedict Cumberbatch wohl jetzt schon legendär ist (Klick). Der beste Moment – und auch Ellen deGeneres Sternstunde an diesem Abend – war aber, als sie für die hungrigen Stars und Sternchen im Auditorium drei Pizzen bestellt hat, und diese dann auch vor laufenden Kameras – im Übrigen tatsächlich von einem ganz normalen Pizzaboten – geliefert wurden. Besser kann man die Tatsache, dass auch die Stars nur Menschen sind, gar nicht verdeutlichen. Letztendlich waren es jedenfalls diese beiden Momente, nämlich der Selfie und die Pizzalieferung (und die Trinkgeld einsammelnde Ellen), die mir von einer doch etwas höhepunktarmen 86. Oscar-Verleihung am längsten und stärksten in Erinnerung bleiben wären.
Was waren eure Höhe- und Tiefpunkte der diesjährigen Verleihung, bzw. was sagt ihr generell zu den heurigen Gewinnern? Sagt uns eure Meinung in den Kommentaren oder in unserer Partner-Community SpacePub!