Spoiler-Warnung!
Die nachfolgende Inhaltsangabe sowie das Review beinhalten Spoiler für die bisherigen Romane der "The Fall"-Reihe, und auch die eine oder andere Entwicklung aus "Der Giftbecher" wird thematisiert.
Kurzinhalt:
Nach den Ereignissen bei der Einweihungszeremonie der neuen Deep Space Nine-Station wird die U.S.S. Titan völlig überraschend zur Erde zurückbeordert. William Riker wird zum Admiral befördert, und ohne weitere Erklärungen oder Begründungen in ein Büro im Palais de la Concorde verfrachtet. Dort stößt er in all den Unterlagen schon bald auf die Berichte der Verhaftung von Julian Bashir. Zudem nimmt Captain Picard bezüglich des Attentats auf Präsidentin Bacco mit ihm in Kontakt auf, und deutet an, dass die Tzentzekhi, die von der neuen politischen Führung als Sündenböcke aufgebaut werden, nicht für den Anschlag verantwortlich waren. Als unmittelbar darauf die Verbindung abbricht, ahnt Riker nicht nur, dass er auf jedem Schritt und Tritt beobachtet wird – sondern auch, dass jemand in den höchsten Kreisen der Föderation etwas zu verbergen hat. Zusammen mit seiner Frau Deanna und Commander Christine Vale sucht er daraufhin verbissen nach der Wahrheit. Währenddessen werden Tuvok, Nog und Thomas Riker in eine streng geheime Einsatzgruppe eingeteilt, die den Auftrag erhält, die Attentäter zu ergreifen. Doch als die Mission gelingt, finden sie nicht das – oder diejenigen – vor, die sie eigentlich erwartet hatten…
Review:
Am 22. November 1963 wurde John F. Kennedy in Dallas, Texas niedergestreckt. Ein Trauma, von dem sich Amerika bis zum heutigen Tag nicht ganz erholt hat – wie auch "Der Giftbecher" wieder einmal beweist, der ziemlich genau 50 Jahre später veröffentlicht wurde. Schon bei "Erkenntnisse aus Ruinen" musste man beim Attentat auf Präsidentin Bacco wohl unweigerlich bis zu einem gewissen Grad an JFK zurückdenken. In "Der karminrote Schatten" wurde dann offenbart, dass eine cardassianische Splittergruppe hinter dem Anschlag steckt. Spätestens mit "Der Giftbecher" sind die Parallelen aber unübersehbar geworden, gerade auch, was die zahlreichen Verschwörungstheorien die rund um JFKs Tod herumgeistern betrifft. Denn wie sich hier nun herausstellt, versuchen der interimsmäßige Präsident und sein Assistent nicht nur, die Wahrheit über die cardassianische Beteiligung am Attentat zu verschleiern (und diesen vielmehr dem Typhon Pakt in die Schuhe zu schieben), sondern waren vielleicht sogar selbst darin verwickelt. Eine englische Redewendung besagt ja "Life imitates Art". Hier haben wir aber eher einen Fall von "Art imitates Life". Was grundsätzlich ja nichts Schlechtes sein muss – zumal "Star Trek" bis zu einem gewissen Grad schon immer von politischen Ereignissen der Gegenwart und Vergangenheit beeinflusst wurde; man nehme nur das Ende des Kalten Krieges. Aber dort diente eben dies wenigstens "nur" aus Ausgangspunkt für eine spannende, interessante Story. Hier scheint das Attentat und die damit einhergehende Verschwörung vielmehr die Story zu sein. Das ist mir dann doch etwas zu viel des Guten.
Es ist übrigens kein Zufall, dass ich mich ein paar Sätze zuvor auf eine englische Redewendung bezog; denn damit sind wir schon beim nächsten Kritikpunkt, den ich gegenüber "Der Giftbecher", genauer gesagt James Swallows Schreibstil, vorzubringen habe. Er füllt die Dialoge nämlich mit zahlreichen solchen Redewendungen; was grundsätzlich kein Problem wäre, wenn diese nicht oftmals von Außerirdischen kommen würden, weshalb die betreffenden Ausdrücke immer mit einem Kommentar à la "wie die Menschen zu sagen pflegen" oder "Die Menschen haben eine Redewendung…" begleitet werden. Mit der Zeit wurde ich dessen höchst überdrüssig. Ich meine, wenn das ein paar Mal vorkommt, ok. Aber teilweise hatte ich bei "Der Giftbecher" den Eindruck, Swallow bringt das alle paar Seiten an. Ich behaupte zwar nicht, dass ich jetzt schon reich wäre und mich zur Ruhe setzen könnte wenn ich für jede entsprechende Textstelle einen Euro hätte. Aber die Kosten für die komplette "The Fall"-Reihe hätte ich vermutlich schon drin. Wenn sich Swallow doch wenigstens neben diesen ganzen menschlichen Redewendungen auch ein paar außerirdische einfallen ließe. Aber auf Dauer wirkt es einfach nur verkrampft, konstruiert und unglaubwürdig, dass diese Außerirdischen ständig unsere Redewendungen zitieren (und kein einziges Mal eine eigene anbringen).
Mein letzter Kritikpunkt ist dann die Vorhersehbarkeit der Handlung. Einerseits aufgrund den dramaturgischen Erfordernissen dieser Erzählung als fünfteilige Reihe (die von vornherein klar macht, dass es Riker & Co. nicht gelingen wird, handfeste Beweise in die Finger zu bekommen; sonst bliebe für sie ja im letzten Teil nichts mehr zu tun. Dies macht jedoch einzelne Momente sehr absehbar, und verhindert eine Schockwirkung bestimmter Ereignisse und Wendungen) als auch des Romans an sich (um ein Beispiel zu nennen: Natürlich muss es für die Handlung von Bedeutung sein, dass Riker mit der U.S.S. Titan in den klingonischen Raum fliegt; weil ansonsten wäre sein Handlungsstrang bis zu einem gewissen Grad für die Katz gewesen. Bedeutet aber auch, dass er mit der Titan natürlich genau dann ankommt, wenn alles verloren scheint). Die Wirkung einzelner Momente bzw. auch die Spannung leiden darunter teilweise leider erheblich. Trotz dieser Kritikpunkte fand ich "Der Giftbecher" aber insgesamt nicht schlecht. Von den Redewendungen abgesehen gefiel mir Andrew Swallows Schreibstil recht gut. Die Figuren sind gut getroffen, die Handlung entwickelt sich zügig weiter, es gibt ein paar gute Momente und Höhepunkte, die Dialoge bieten ebenfalls das eine oder andere Schmankerl, und trotz aller zuvor genannten Kritikpunkte wurde "Der Giftbecher" wenigstens nie langweilig. Aber wirklich begeistert hat er mich halt – aus den angegebenen Gründen – leider auch nicht.
Fazit:
Die "The Fall"-Reihe ist, wie sich mit "Der Giftbecher" nun endgültig offenbart, der "lebende" Beweis dafür, dass dass die Amerikaner das durch den Tod John F. Kennedy's entstandene Trauma selbst fünfzig Jahre später noch nicht überwunden haben. Zumindest für mich war die Inspirationsquelle - nicht zuletzt aufgrund der großen Verschwörung im Hintergrund – jedenfalls allzu offensichtlich. Weiters hatte ich mich bei "Der Giftbecher" an der zu häufigen Verwendung menschlicher Redensarten – überwiegend durch Außerirdische – sowie der Vorhersehbarkeit der Handlung gestört. Dafür entwickelte sich die Handlung aber soweit wenigstens zügig und flüssig weiter, so dass keine Langeweile aufkam. Generell war der Roman abseits des zu exzessiven Einsatz von Redewendungen gut geschrieben, mit einigen gelungenen Momenten und Dialogen. Auch die Figuren hat Andrew Swallow überwiegend gut getroffen. Insgesamt also ein weiterer eher durchschnittlicher Roman für die "The Fall"-Reihe, der somit nur mehr der abschließende Teil bleibt, um mich doch nochmal so richtig zu begeistern.
Bewertung: 2.5/5 Punkten
Christian Siegel
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