Kurzinhalt
Nachdem er in Smallville aufgewachsen ist, lässt Clark Kent das Leben in der Kleinstadt hinter sich, und macht sich mit dem Zug nach Metropolis auf. Dort möchte er sich einen Job suchen und – trotz seiner außergewöhnlichen Fähigkeiten – ein möglichst normales Leben führen. Anfangs gelingt ihm dies auch noch sehr gut. Doch dann fällt eine Flotte mächtiger außerirdischer Schiffe über die Erde her. Deren Anführer, Tyrell, fordert Superman auf, sich zu erkennen zu geben und sich ihm zu stellen. Tut er dies nicht, wird die Erde bzw. die Menschheit den Preis dafür zahlen…
Review:
Als ich letztes Jahr an den großen Feierlichkeiten zum 20. Jubiläum von "Babylon 5" bei der Phoenix ComiCon teilnahm, beschloss ich unter anderem, dass es – neben eines weiteren Reruns meiner Lieblingsserie – Zeit war, mir auch mal JMS andere Arbeiten, allen voran auch im Comic-Bereich (wo er vor Jahrzehnten erste Erfolge gefeiert und genau genommen seine ersten Schritte als Künstler gemacht hat). Bevor ich mich auf seine großen, epischen Eigenentwicklungen wie "The Twelve", "Midnight Nation", "Rising Stars" oder auch seine ganz neuen Veröffentlichungen "Sidekick", "The Adventures of Apocalypse Al" oder "Ten Grand" stürze, wollte ich mir zuerst ansehen, wie seine Neuinterpretation einer bekannten Comicreihe aussieht – immerhin hat er eine lange Tradition wenn es darum geht, mit altbekannten und beliebten Figuren bzw. Universen zu spielen, egal ob "Thor", "Watchmen", oder "Spider-Man" (wobei er 2007 mit dem höchst umstrittenen Zyklus "One More Day" für großen Wirbel innerhalb der Fangemeinde gesorgt hat). Da ich mir letztes Jahr vor "Man of Steel" erst wieder alle Superman-Filme angeschaut habe – und bislang noch keine Comics des stählernen Mannes gelesen hatte – fiel meine Wahl letztendlich auf "Superman: Earth One". Dieser hat mich zwar recht gut unterhalten – aber von JMS hätte ich irgendwie doch etwas mehr erwartet.
Was mir an "Earth One" (Volume 1) am besten gefallen konnte, waren die Illustrationen von Shane Davis, die Tuschezeichnungen von Sandra Hope sowie die Farben von Barbara Ciado. Optisch ist "Earth One" einfach nur eine Wucht. Nun sei daran erinnert: Ich bin nicht der größte Comic-Leser und habe diese Kunstform erst in den letzten Jahren langsam für mich entdeckt. Mittlerweile habe ich aber doch schon ein paar gelesen, und traue mich so zumindest mal zu behaupten, dass die künstlerische Gestaltung von "Earth One" über dem Durchschnitt anzusiedeln ist. Jedenfalls trafen die Bilder voll und ganz meinen Geschmack. Sehr dynamisch, mit abwechslungsreicher Anordnung der Panels, kräftigen Farben, detaillierten Zeichnungen, usw. Sehr positiv fand ich auch so optische Tricks, wie z.B. die Unschärfe bei schnellen Bewegungen. In Comics wird oftmals alles in einem Bild gestochen scharf gezeichnet, wie eine reine Momentaufnahme. Hier achtete man aber darauf, eher den Eindruck einer (gemalten) Photographie zu erwecken, bei der ganz schnelle Bewegungen verwaschen. Einen guten Eindruck dieses Effektes liefert gleich die zweite Seite, mit den Tauben (wo es übrigens auch eine nette Hommage an Richard Donner gibt, heißt eine der beiden Straßen die sich dort kreuzen doch "Donner Pl."). Nur eine der Kleinigkeiten und optischen Spielereien, die für mich hervorstachen. Visuell fand ich "Earth One" jedenfalls absolut großartig.
Inhaltlich ist mein Eindruck leider schon etwas zwiespältiger. Die erste Hälfte hat mir ja noch sehr gut gefallen. Wie Clark Kent nach Metropolis kommt und versucht, ein normales Leben zu führen. Er möchte nicht Superman sein, nicht diese Kräfte und die damit einhergehende Verantwortung haben. Statt sich zum großen Helden hochzustilisieren und als Retter der Menschheit aufzutreten, möchte er dieser lieber aus kleinerer Ebene helfen. Wie z.B. als Mitarbeiter eines Forschungsprojekts für eine neue, saubere Energie. Oder als Journalist, der Korruption etc. aufdeckt. Er möchte einfach nur ein normales Leben führen. Dann jedoch überschlagen sich die Ereignisse, und er wird durch eine außerirdische Invasion dazu gezwungen, Farbe zu bekennen. Sich erkennen zu geben, den Traum eines normalen Lebens hinter sich zu lassen, und seine Bestimmung zu akzeptieren. Und genau das war der Punkt, wo der Comic wenn auch nicht unbedingt in sich zusammenfiel doch einiges am zuvor aufgebauten Kredit verspielt hat. Anstatt sich näher damit auseinanderzusetzen, wie es ihm mit dieser Entscheidung geht, was ihn diese kostet, verlässt JMS hier zunehmend den charakterorientierten Pfad der ersten Seiten zugunsten eines Actionspektakels. Seite über Seite sehen wir, wie Metropolis in Schutt und Asche gelegt wird und Superman sich mit einem unscheinbaren, wenig beeindruckenden Bösewicht misst – aber die Emotionen dahinter gehen ihm Spektakel irgendwie völlig unter. Und eben das fand ich enorm schade.
In dieser Hinsicht erinnert "Earth One" übrigens ein bisschen an Man of Steel, dem es ähnlich erging. Sehr gelungener, auf die Figuren konzentrierter Einstieg, der dann in ein doch recht seelenloses Action-Spektakel übergeht. Auch sonst fand ich es interessant, die eine oder andere Parallele zwischen dieser Comic-Neuinterpretation und der filmischen Neuinterpretation herauszulesen. Am offensichtlichsten ist natürlich die Art und Weise, wie Superman letztendlich dazu gezwungen wird, sich zu Erkennen zu geben. In beiden ist hierfür eine außerirdische Macht verantwortlich, welche die Erde bzw. die Menschheit quasi als Geisel nimmt. Zugleich zeigen beide Zugänge in Clark Kent jemanden, der nur höchst widerstrebend zum Helden wird (Einzig seine Motivation hierfür entscheidet sich in beiden Interpretationen eklatant: Während der "Earth One"-Superman vergleichsweise egoistisch wirkt, da er ein eigenes, ruhiges Leben führen will, folgte der "Man of Steel"-Superman damit dem Wunsch seines Vaters). Auch davon abgesehen findet sich die eine oder andere Ähnlichkeit, die andeutet, dass sich David Goyer (der "Earth One" auf der Rückseite lobt) für den Reboot da und dort von JMS inspirieren ließ. Eben diese Parallelen haben "Earth One" für mich –als größerer Film- als Comic-Fan – schon nochmal einen eigenen, ganz besonderen Reiz beschert. Trotzdem wünschte ich, JMS hätte in der zweiten Hälfte einen weniger bombastischen und auf Spektakel ausgerichteten Ansatz verfolgt. Und auch die Andeutung einer größeren Verschwörung im Hintergrund rund um die Zerstörung Kryptons hat mich nicht wirklich überzeugt. Davon abgesehen fand ich "Earth One" aber durchaus unterhaltsam – und eben vor allem auch hübsch anzusehen.
Fazit:
Optisch ist diese Neuinterpretation der "Superman"-Saga einfach nur eine Wucht. Ungemein bildgewaltig, mit detaillierten Zeichnungen, kräftigen Farben, netten optischen Spielereien und dynamischen Bildern zählt "Earth One" zu den schönsten Comics, die ich bislang gelesen habe. Inhaltlich zeigt sich hingegen ein etwas zwiespältiges Bild: Während ich den Einstieg, der sich auf Clark Kent, seine Vorgeschichte und seine ersten Erlebnisse in Metropolis konzentriert, sehr gelungen fand, verlässt JMS in der zweiten Hälfte den sehr figurenbezogenen Charakter seiner Erzählung, und die Geschichte geht – interessanterweise ganz ähnlich wie zuletzt bei "Man of Steel" – zunehmend in Bombast und Spektakel unter, dass mich vergleichsweise wenig begeistern konnte. Tyrell ist zudem eine unscheinbarer, klischeehafter Bösewicht. Und auch mit den Andeutungen einer größeren Verschwörung rund um die Zerstörung Kryptons konnte mich JMS nicht ködern; fand ich dies doch eher bemüht als sonst etwas. Immerhin finden sich in den Dialogen einige Schmankerl, und vor allem die Rückblenden auf Kents Vergangenheit fand ich Klasse. Aber der zweiten Hälfte des Comics hätten etwas mehr Herz und Seele gut getan.
Bewertung:
3/5 Punkten
Christian Siegel
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