Mit: Leonardo DiCaprio, Jonah Hill, Margot Robbie, Matthew McConaughey, Kyle Chandler, Rob Reiner, Jon Bernthal, Jon Favreau, Jean Dujardin, Joanna Lumley, Cristin Milioti u.a.
Kurzinhalt:
1987: Jordan Belfort, ein junger Mann Anfang 20, kommt mit dem Traum nach New York, Millionär zu werden. Alsbald findet er sich als Broker an der Wall Street wieder, der jedoch wegen eines Börsencrashs, heute bekannt als der "schwarze Montag", direkt am ersten Tag seinen Job verliert. Ab diesem Zeitpunkt vertickt er in einer heruntergekommenen Bude per Telefon Schrottpapiere an leichtgläubige Menschen und entdeckt dort sein Talent, alles an jeden verkaufen zu können. Schnell gründet er eine eigene Firma, die nach demselben Prinzip arbeitet, und verdient jenseits der Legalität binnen kürzester Zeit Millionen. Hiermit finanziert er sich einen Lebensstil, der dekadenter und geschmackloser kaum sein könnte. Doch nach einiger Zeit kommt ihm das FBI auf die Schliche, und Belfort hat alle Hände voll zu tun, sein auf Sand gebautes Unternehmen vor dem Untergang und sich selbst vor dem Knast zu bewahren…
Review von Christian Siegel:
Für ihre mittlerweile fünfte Zusammenarbeit haben sich Martin Scorsese und Leonardo DiCaprio die Biographie von Jordan Belfort auserwählt, der in den 90ern in der Wall Street als Börsenmakler tätig war, und erzählen von seinem Aufstieg, seiner angesichts des Erfolges dekadenten Lebensweise, sowie seinem nachfolgenden tiefen Fall. Das Ergebnis ist eine interessante Mischung aus Komödie und Drama, die es überwiegend versteht, gut zu unterhalten. Die ersten zwei Stunden sind dabei noch überwiegend amüsant gehalten, mit Belforts rasantem Aufstieg, den nachfolgenden zahlreichen Exzessen, den wilden Firmenpartys, und so weiter. Erst im letzten Drittel schlägt die Stimmung dann zunehmend um, und ich muss gestehen, so unterhaltsam der luftig-lockerere Teil auch gewesen sein mag, mir persönlich haben die dramatischeren, tragischeren Szenen am besten gefallen. Vor allem die Trennung von seiner zweiten Frau stach für mich diesbezüglich hervor – für mich ganz klar der Höhepunkt des Films. Generell konnte mir der Ausgang des Geschehens gut gefallen. Die Szene mit Agent Denham in der U-Bahn lässt sich angenehm vielfältig interpretieren, und Belforts vergleichsweise geringe Strafe – wo der Film ja lediglich die realen Begebenheiten wiederspiegelt – lässt interessante Fragen im Hinblick auf Recht und Gerechtigkeit aufkommen.
Die Gier und die Betrügereien, die uns in "The Wolf of Wall Street" vor Augen geführt werden, sind zu einem Großteil für die Finanzkrise verantwortlich, deren Auswirkungen seit ein paar Jahren vermutlich für jeden von uns – wenn auch sicherlich mehr oder weniger stark – spürbar ist. Nicht zuletzt auch deshalb fand ich den Einblick in diese Welt, mit der mich persönlich – sieht man vom Basiswissen bezüglich Wertpapieren, das ich mir im Studium erworben habe, ab – nichts verbindet, durchaus interessant. Zusätzlich aufgewertet wurde der Film für mich dann – auch wenn er dafür genau genommen nichts kann – durch die eine oder andere Analogie zu mir selbst bestens geläufigen angeblichen Betrugs- und Korruptionsfällen (es gilt natürlich die Unschuldsvermutung). Wenn sich Belfort mit seiner Tante trifft, um sie um ihre Hilfe dabei zu ersuchen, Geld vor den Finanzbehörden zu verstecken, musste ich z.B. unweigerlich an Karl-Heinz Grasser und seine Schwiegermama denken (was jetzt vermutlich eher den österreichischen als den deutschen und/oder allfälligen internationalen Lesern etwas sagen wird). Trotz seiner dekadenten Lebensweise, seinen Betrügereien und seiner Arroganz wurde Belfort aber – vor allem dank Leonardo DiCaprios Charme – nie zu einem Bösewicht, sondern wird vielmehr als klassischer Antiheld dargestellt. Auf der einen Seite kann man sein Verhalten und seine Taten nicht gutheißen, und dennoch wurde er zumindest mir nie wirklich unsympathisch. Eine schwierige Gratwanderung, die dem Film meines Erachtens sehr gut gelungen ist.
Neben Drehbuch und Regie ist dies natürlich in erster Linie den Schauspielern zuzuschreiben. Leonardo DiCaprio zeigt hier eine weitere Oscar-würdige Leistung; seine Performance bestimmte den Film für mich. Jonah Hill war für mich persönlich jetzt nicht ganz die Offenbarung, die ich mir angesichts der Lobeshymnen erwartet hätte; letztendlich empfand ich es als ziemlich typische Rolle für ihn. Dennoch machte er seine Sache grundsätzlich gut. Aus dem restlichen Ensemble stach jedoch für mich vielmehr die mir bislang völlig unbekannte Margot Robbie hervor, die sich im Casting u.a. gegen Blake Lively, Teresa Palmer und Amber Heard durchgesetzt hat. Vor allem in den Streitszenen mit Leonardo DiCaprio – insbesondere der Trennung – spielt sie hervorragend, aber auch in den restlichen Szenen hat mir ihre Performance sehr gut gefallen. Ebenfalls nicht vergessen werden dürfen Kyle Chandler – als aufrechter FBI-Agent, der es auf Jordan Belfort abgesehen hat – und Matthew McConaughey als sein Mentor Mark Hanna, der mit ihrem gemeinsamen Lunch für einen der denkwürdigsten Momente des Films sorgt. Und auch über das Wiedersehen mit "The Artist"-Star Jean Dujardin, der hier einen schweizer Bankier spielt, habe ich mich sehr gefreut. In weiteren kleineren Rollen sind u.a. noch John Bernthal, Jon Favreau und Rob Reiner zu sehen.
Ein weiteres unumstößliches Meisterwerk des Regie-Altmeisters Martin Scorsese wird jedoch in meinen Augen durch die eine oder andere Schwäche verhindert. Vor allem die Laufzeit von drei Stunden erweist sich als Stolperstein, erscheint sie doch für diese Handlung doch etwas zu ausgedehnt. Nach der x-ten Partyszene hätte ich mir den Regisseur gerne zur Brust genommen und ihm gesagt: Ja, ok, Belfort feiert gerne – ich hab's verstanden! Jedenfalls bin ich skeptisch, ob es wirklich notwendig war, Belforts extravagante Partys und Drogenexzesse auch wirklich so ausschweifend (man könnte auch "erschöpfend" sagen) darzustellen. Auch bei der einen oder anderen Szene hätte man meines Erachtens die Schere ansetzen können, ohne wesentliches zu verlieren. Gerade auch die Sequenz rund um die Lemmon 714-Pillen stach mir hier ins Auge. Mit der Zeit war mir das einfach zu viel des Guten, und wurde ich diesen ewig gleichen Drogenexzessen doch etwas müde. Zumal man sich hier teilweise so vorkommt wie der einzig Nüchterne unter Sturzbesoffenen, die alles und jeden zum Brüllen komisch finden, während man selbst dies angesichts des eben noch nicht erhöhten Alkoholspiegels nur bedingt nachvollziehen kann. Auch die eine oder andere spätere Entwicklung – allen voran als er binnen 24 Stunden von Italien in die Schweiz muss, und trotz der Warnung ob eines Sturms die Yacht nimmt, anstatt sich einfach in den Zug oder in ein Auto zu setzen – wirkte auf mich (auch wenn sie sich vielleicht ja tatsächlich genau so zugetragen haben mag) etwas seltsam. Letztendlich sind dies zwar verhältnismäßig kleine Kritikpunkte, die den Unterhaltungswert nur geringfügig trüben – aber halt für mich dann doch den ganz großen Wurf verhindern.
Fazit:
Auch die fünfte Zusammenarbeit von Martin Scorsese und Leonardo DiCaprio enttäuscht nicht. "The Wolf of Wall Street" ist eine unterhaltsame Mischung aus Charakterdrama, Party-Komödie und anklagendem Sittenbild. Getragen von einer phänomenalen Performance von Leonardo DiCaprio, der u.a. von Matthew McConaughey, Jonah Hill, Kyle Chandler sowie der vielversprechenden Newcomerin Margot Robbie wertvolle Schützenhilfe erhält, bietet uns der Film am Beispiel von Jordan Belfort einen interessanten Einblick in die Abgründe der Finanzwelt bzw. der Superreichen. Belforts Verderben ist dabei, dass er den Zeitpunkt des "Absprungs" verpasst – ob nun aus Stolz oder weil er den Hals nicht voll genug bekommen kann, liegt in der Interpretation des Zuschauers. Trotz aller amüsanten Momente zuvor – sein nachfolgender Fall war für mich der Höhepunkt des Films, wobei die Trennung von seiner Frau für mich dabei ganz besonders hervorstach. Für mich ganz klar die beste, beeindruckendste und bewegendste Szene des Films. Das einzige, was ich Martin Scorsese vorwerfen muss, ist, dass er – ähnlich wie Jordan Belfort – nicht weiß, wann es genug ist. Die drei Stunden Laufzeit erweisen sich letztendlich als zu viel des Guten, vor allem da man sich nach einer Weile an den Party- und Drogenexzessen doch irgendwie sattgesehen hat. Von diesem Manko abgesehen ist "The Wolf of Wall Street" aber ein weiterer gelungener und empfehlenswerter Eintrag in seine Filmographie.
Wertung:8 von 10 Punkten
Christian Siegel
Review von Marcel Wetzel:
"The Wolf Of Wall Street" beruht mal wieder auf einer wahren Begebenheit. So hat sich Drehbuchschreiber Terrence Winter, verantwortlich für mehrere Episoden von "Sopranos" und Schöpfer der Serie "Boardwalk Empire", die 2008 veröffentlichte Autobiografie von Jordan Belfort unter den Nagel gerissen, die dieser nach seinem 22 Monate dauernden Gefängnisaufenthalt herausgebracht hat. Zur audiovisuellen Unterstützung hat er sich Martin Scorsese als Regisseur ins Boot geholt. Dass Letzterer sich wiederum für Leonardo DiCaprio als Hauptakteur entschieden hat, ließ einen bereits vor Beginn des Films hoffen. Dabei ist die Essenz des Films schnell erzählt. Vorrangig geht es vor allem um geldgierige Egomanen, die über Leichen in Form von Portemonnaies Anderer gehen, um jede Menge Kohle zu machen. Dabei wird einem vor Augen geführt, wie sich solche Menschen entwickeln können, einfach weil sie jede Menge Kohle haben und noch viel mehr machen können. Und so wird in den rund 180 Minuten nicht nur fröhlich beleidigt, rumgehurt, betrogen, gestohlen, bedroht und manipuliert, sondern auch Pillen geschmissen und gekokst, was die Nase aushält.
Die Arbeit als Broker selbst stellt Scorsese, zumindest in der von Jordan Belfort (Leonardo DiCaprio) selbst gegründeten Firma Stratton Oakmont, als eine Art Zoo dar, in der sich die Angestellten wie wilde Tiere benehmen und durch Belforts Motivationsreden, die er wie ein Priester gerne mit einem Mikrofon vor seinen Untergebenen hält, zu Gier und deren aggressive Durchsetzung angestachelt werden. Denn Geld ist schließlich das Einzige, was zählt. Natürlich sollte man einen Film wie diesen vor allem in der heutigen Zeit nicht nur als pure Unterhaltung abtun. Wer jedoch glaubt, dass Scorsese hier ausufernde Gesellschaftskritik durch subtile Untertöne üben wollte, wird wohl enttäuscht werden. Dieser Aspekt ist fast ausschließlich durch pure Überspitzung von Begebenheiten abgedeckt worden. Was der Film aber dennoch geschafft hat, ist, dass man am Ende mit dem Gefühl und der Gewissheit nach Hause geht, dass solcherlei Geschehnisse real sind, sie passieren und wieder passieren werden, und sich lediglich die Namen ändern. Als Stichworte seien hier beispielsweise der "Tequila Suicide" in Verbindung mit der guten alten Ergo Versicherung oder die Lustreisen des VW-Vorstandes genannt (wer nicht weiß wovon ich hier schreibe befragt bei Interesse am besten einfach mal die Suchmaschine der eigenen Präferenz). Als kleine Warnung sei zudem gesagt, dass der Film in Deutschland zu recht eine Freigabe ab 16 Jahren bekommen hat. Zwar spritzt hier im Gegensatz zu anderen Streifen kaum Blut, dafür wird mit allerlei bunten Ausdrücken, nackten Tatsachen und Stimmungsaufhellern um sich geworfen.
Was die Darsteller angeht, hat Martin Scorsese wieder ein goldenes Händchen bewiesen. So überlässt er auch hier die Rolle des Hauptcharakters Leonardo DiCaprio, womit wir dann die inzwischen fünfte Zusammenarbeit der beiden zu vermelden hätten. Dabei spielt DiCaprio seine Rolle dermaßen gut, dass man ihm zusätzlich zu dem ohnehin gerade für "The Wolf Of Wall Street" eingeheimsten Golden Globe für den besten Schauspieler ohne weitere Fragen auch noch den Oscar hinterherwerfen möchte. Die Rolle des Freundes an Belforts Seite ging hier an Jonah Hill ("21 Jump Street", "Das ist das Ende"), den zumindest ich bisher nur als lustiges Kerlchen in kurzweiligen Comedy-Filmen auf dem Schirm hatte und der mich gehörig überrascht hat. Natürlich sorgt er auch in "The Wolf Of Wall Street" für einen gewissen Comedyfaktor, gleichzeitig lässt er aber seine Figur Donnie Azoff dermaßen schleimig rüberkommen, dass man es manchmal einfach nicht mehr erträgt. Schön ist ebenfalls, dass sich auch Matthew McConaughey für eine kleinere Rolle kurz vom Surfbrett lösen konnte und als Mark Hanna Belforts Vorbild in den frühen Tagen seiner Karriere verkörpern darf. Insgesamt eine saubere Besetzung. Allein Kyle Chandler (von 1996 bis 2000 mit "Allein gegen die Zukunft" der Hauptdarsteller der vielleicht besten Serie der Welt), der als FBI-Agent Patrick Denham den Film über versucht Belfort ins Gefängnis zu stecken, wirkt dagegen sehr blass und bleibt dem Publikum als direkter Gegenspieler Belforts so überhaupt nicht im Gedächtnis.
Fazit:
"The Wolf Of Wall Street" ist ein rund dreistündiger Brocken an Film, der trotz seiner Länge nie langweilig wird und dem Raubtierkapitalismus der späten 80er, frühen 90er einen Spiegel vorhält. Auf diese Weise werden die Verfehlungen der Hauptprotagonisten, ausschließlich getrieben von Gier, zwar etwas überspitzt, aber dennoch im Grunde wahr, offengelegt. Auch hat Scorsese bei der Auswahl der Schauspieler durch den Rückgriff auf Altbewährtes wieder ein goldenes Händchen bewiesen und sich für die kreativ bebilderte Darstellung allerlei Orgien für DiCaprio und Jonah Hill entschieden.
Sorry, aber ich konnte in dem Film nichts weiter erkenen als ein zwar solide inszeniertes, aber nichtsdestotrotz lasches Komödchen, dass ewig die gleichen Darstellungen von Dekadenz und Drogenrausch variiert. Und wenn ich bedenke, dass Scorsese das Ganze ursprünglich über 4 Stunden auswalzen wollte, dann werde ich gleich wieder müde. 5/10 Punkte gab ich dem leider nur.
@c-schroed Deine Kritiken auf Sneak-Leipzig sind wirklich lesenswert. Schade nur, dass du mit "Wolf of Wall Street" nicht warm geworden bist. Für mich einer der besten Filme, die Scorsese in den letzten 20 Jahren gemacht hat. Trotz der Überlänge fühlte ich mich nie gelangweilt und die 3 Stunden rasten wie im Rausch an mir vorbei - im wahrsten Sinne des Wortes. Hätten meinetwegen auch 4 Stunden sein können. ;-)
Man muss sich natürlich auf die dekadenten Charaktere einlassen können, um daran Spaß zu haben. Im wahren Leben würde ich mit solchen Gestalten auch nichts zu tun haben wollen, aber im Kino können deren Eskapaden durchaus unterhaltsam sein.
@c-schroed: Mit dem ewigen Auswalzen der immer gleichen Szenen hast du recht, das fiel mir ebenfalls negativ auf. Wirkliche Langweile kam bei mir aber nie auf, was wohl einerseits am trotz der Länge und der Wiederholungen anständigen Erzähltempo und andererseits an den gefälligen Darstellerleistungen liegen dürfte. Ich stimme dir aber zu, dass es nicht geschadet hätte, wenn Scorsese da und dort die Schere angesetzt hätte.