Mit: Pierre Brice, Harald Leipnitz, Julia Kent, Ernest Borgnine, Sonja Kirchberger, Barry Newman, Wilfried Baasner, Laura Johnson u.a.
Kurzinhalt:
Eine Gruppe von Schatzsuchern hat sich nach Thailand begeben, um dort nach dem sagenumwobenen blauen Diamanten zu suchen. Als man diesen dann tatsächlich findet, begeht einer von ihnen im Affekt einen Mord. Daraufhin werden sie von der Polizei verfolgt, und der Mörder wird festgenommen und zum Tod verurteilt. Den anderen gelingt zwar die Flucht, allerdings müssen sie dabei den blauen Diamanten zurücklassen. Sieben Jahre später wird Pierres Frau Barbara entführt. Als Lösegeld fordern die Entführer den blauen Diamanten. Daraufhin begibt sich Pierre, der den Diamanten vor sieben Jahren versteckt hat, zurück nach Thailand. Doch der blaue Diamant ist verschwunden…
Review:Im Zuge meiner Vorbereitungen für das heurige Advents-Special habe ich mir nochmal angesehen, welche Filme ich in den Vorjahren besprochen habe – und so abwechslungsreich und vielseitig die dort enthaltenen Filme auch waren, stach mir ein ganz besonderer Umstand ins Auge: Bislang war noch kein einziger deutscher Film darunter! Und so beschloss ich, dass es heuer an der Zeit war, diese cineastische Lücke endlich zu schließen. Nun ist die Auswahl an deutschen Abenteuerfilmen allerdings nicht besonders groß. Letztendlich entschied ich mich für einen Film, der zufällig heuer seinen 20. Geburtstag gefeiert hat – ganz heimlich, still und leise, allein im Kämmerlein, da er in der Zwischenzeit fast völlig in Vergessenheit geraten ist. Mit diesem Versäumnis möchte ich aufräumen, und wage mich daher an eine ganz besondere Form der Vergangenheitsbewältigung und Aufarbeitung der deutschen Geschichte. Denn ich finde: So kann es nicht weitergehen! Wir dürfen einfach nicht länger die Augen vor jenen Gräuel verschließen, die RTL Plus vor 20 Jahren auf die Menschheit losgelassen hat. Auch wenn es weh tut, sich diesem Schrecken aus der Vergangenheit zu stellen.
"Der blaue Diamant" hält aktuell auf IMDB bei einer durchschnittlichen Userwertung von unterirdischen 1,7, basierend auf den Bewertungen von immerhin 49 armen Teufeln, die den Film kennen (meine Wertung ist da noch nicht mit eingerechnet). Zum Vergleich: So mancher Film der oftmals zu den schlechtesten aller Zeiten gezählt wird, kann sich über eine vergleichsweise gnädige Wertung freuen, wie z.B. "Plan 9 From Outer Space" (3,8), "The Room" (3,3), "Troll 2" (2,5) oder auch "Battlefield Earth" (2,4). Und diese Wertung ist auch absolut hochverdient. Ich gehöre ja zu jenen Betroffenen, die "Der blaue Diamant" damals bei der TV-Premiere gesehen haben. Da wurde ja seitens RTL damals ein ganz schönes Tamtam veranstaltet, und die Besetzung kann ja immerhin mit so berühmten Namen wie Pierre "Winnetou" Brice, Barry Newman und Ernest Borgnine aufwarten. In den darauffolgenden 20 Jahren hatte ich dankensweiterweise das meiste von diesem Machwerk auch schon wieder vergessen. Ich behaupte nicht, ihn besser in Erinnerung gehabt zu haben, aber ich hatte ihn definitiv anders in Erinnerung. So dachte ich, der ganze Film würde sich um einen Trek auf der Suche nach dem Diamanten drehen, der zwischen den einzelnen Parteien mehrmals den Besitzer wechseln würde. Da habe ich wohl offenbar etwas durcheinandergebracht und ihn in meiner Erinnerung zumindest teilweise mit anderen Filmen verwechselt. Was ich z.B. in der Zwischenzeit völlig verdrängt hatte, ist der hohe Soap-Anteil. In "Der blaue Diamant" wimmelt es nur so vor Romanzen, Intrigen, verdrängten Gefühlen, und was weiß ich nicht alles. Das ganze dringt dabei teils schamlos in die tiefsten Untiefen von Seifenopern vor, angefangen von Personen die von den Toten zurückkehren, Entführungen und Mord(versuch)e aus Liebe, Missverständnisse, klischeehafte Vater-Tochter-Konflikte, unwahrscheinliche Romanzen, und und und.
Bereits der Einstieg verheißt ja nichts Gutes. Das extrem billig gemachte Intro stimmt einen bereits ansatzweise darauf ein, was einen in den darauffolgenden 90 Minuten erwartet. Es ist mittlerweile schon wieder einige Tage her, dass ich den Film gesehen habe, und ich beginne mich langsam aber sicher davon zu erholen. Aber selbst mit zunehmenden Abstand fällt es mir schwer zu entscheiden, was beim Intro mehr malträtiert wurde – meine Augen (aufgrund des grauenhaft rückständigen Designs inklusive Billigst-CGI) oder meine Ohren (dank einer Titelmelodie, bei der sich mit die Zehennägel aufstellten, so schrecklich klang das). Dabei beginnt der Schrecken hier doch erst. Was mich als nächstes schockiert hat, ist dass dieser alte Knacker Harald Leipnitz und die höchst ansehnliche Sonja Kirchberger ein Paar sein sollen. Er machte auf mich noch nichtmal einen sonderlich reichen Eindruck – würde er sonst in Thailand nach einem Schatz graben? Ich schwöre, bei ihrer ersten gemeinsamen Szene, wo er meint sie wäre sein Mädchen, dachte ich noch das soll seine Tochter sein. Dementsprechend irritiert war ich, wie innig die gemeinsam im Bett lagen – ehe es mir wie Schuppen vor die Augen fiel. Ich fand jedenfalls allein den Gedanken schon ziemlich grindig.
Kurz darauf gibt es nicht nur den ersten humoristischen Rohrkrepierer, der lediglich meinen Augenmuskeln etwas Training verschaffte (vom Verdrehen) statt des Zwerchfells (nämlich bei "Wer sein Leben liebt, der schiebt"), sondern auch die erste von zahlreichen absolut trashigen Szenen, nämlich nachdem Joe zum Tode verurteilt wurde: Laut schreit er ein hochdramatisches "Neeeeeiiiiiiin!" in die Kamera, die es sich noch dazu nicht nehmen lässt, auf besonders dramatische Art und Weise zu ihm hinzuzoomen. Immerhin war das noch unfreiwillig komisch, so dass ich mich köstlich über diesen Moment amüsiert und laut aufgelacht habe. Das war mir in weiterer Folge leider nur mehr selten möglich, da taten die trashigen und schlechten Szenen dann eher nur mehr weh. Danach machen wir einen Zeitsprung sieben Jahre in die Zukunft, und der immer noch lebendige und mittlerweile ausgebrochene Joe hält es für eine gute Idee, seine frühere Freundin zu entführen. Ja, ne, is klar. In weiterer Folge will ich auf die Handlung gar nicht mehr so genau eingehen. Belassen wir es einfach dabei, dass sich daraufhin ein Plot voller klischeehafter Momente, kitschiger Szenen und haarsträubenden Wendungen entspinnt. Von den Dialogen, die von banal bis peinlich reichen, ganz abgesehen. Ein paar Gustostückerl: "Mein Gott was habe ich getan?!" (deine frühere Freundin entführt und einen Killer beauftragt, ihren jetzigen Mann zu töten, du Psycho), "Liebt er dich auch 3-4 Mal am Tag, so wie ich?!" (ich wusste gar nicht, dass es schon so lang Viagra gibt!) "Fünf Jahre berühmte mich kein Mann…" (was für eine Verschwendung!). "Na ja, eine sehr merkwürdige Geschichte. Man braucht sehr viel Phantasie um das zu glauben." "Oder sehr viel Liebe!" (mir kommt gleich das Abendessen hoch). Großartig auch einer der letzten Dialoge. Sinngemäß: Du hast mich entführt und versucht meinen Mann zu töten – "…aber lass uns Freunde bleiben!" Spätestens jetzt war mir klar: Ich hatte entschieden nicht genug Alkohol zu Hause für diesen Film.
Ich kann nicht behaupten, dass die Schauspieler eine gute Leistung zeigen würden. Sie schwanken allesamt von Szenen zu Szene zwischen unbeholfen bis maximal solide. Andererseits fällt es mir angesichts des Materials dass man ihnen vorgelegt hat schwer, ihnen zu große Vorwürfe zu machen. Vor allem um Ernest Borgnine tut es mir leid. Ich frag mich ja wirklich, was ihn da geritten hat, und kann es mir nur so erklären, dass man ihm das Drehbuch auf Deutsch geschickt hat und er daher nicht wusste, worauf er sich da einlässt. Die Inszenierung ist absolut amateurhaft, die ganze Produktion wirkt ungemein billig, die Musik ist zum Davonrennen… aber das Schlimmste an dem Ganzen ist definitiv das Drehbuch. Komplettiert wird der negative Gesamteindruck dann schließlich von einigen wirklich grauenhaft schlechten bis unfreiwillig komischen Szenen. Ich will euch nicht mehr lange weiterquälen, aber nehmt nur den Showdown. Nicht nur, dass es ziemlich peinlich wirkt, wie sich Pierre Brice und Harald Leipnitz – beide zum Zeitpunkt der Dreharbeiten nicht mehr die jüngsten – im Wasser wälzen. Aber als Joe droht den Wasserfall hinunterzustürzen, muss der arme angeschossene Pierre versuchen ihn zu retten – während Barbara nur blöd daneben steht und ihnen zuschaut. Und das Drehbuch wurde von einer Frau geschrieben, bitte schön! Traurig.
Es gibt noch ein paar andere erwähnenswerte Kritikpunkte. So gibt es die eine oder andere dilettantisch geschriebene und inszenierte Szene, wie z.B. als Pierre sich selbst einen Brief von Hans vorliest. Wer macht das bitte schön, wenn er ganz allein im Hotelzimmer sitzt? Das war natürlich nur dazu da, damit der Zuschauer den Inhalt des Briefs erfährt. Man hätte das aber doch zumindest mit einem Voice Over-Kommentar elegant lösen können, oder? Die Figuren sind leider überwiegend eindimensional, uninteressant und oftmals auch sehr klischeehaft. Zudem gibt es viel zu viele von ihnen. Dadurch muss der Film die Aufmerksamkeit auf zu viele Protagonisten verteilen, und wirkt dadurch sehr unfokussiert. Die Handlungen und Gedanken vieler Personen ergeben nicht wirklich Sinn. So sieht Pierre Barbara zusammen mit Joe – denn natürlich erwischt er sie ganz Seifenopfern-mäßig genau just in dem Moment, wo sie ihm in den Armen liegt (aber nur weil er ihr erzählt hat, das Pierre noch am Leben sei) – und stürzt sich sogleich in eine Liebesnacht mit Wendy. Das muss ja wirklich Liebe sein, wenn er so schnell aufgibt und sich auf die nächstbeste stürzt der er zwischen die Beine fällt. Und natürlich ist auch der Plot der das ganze ins Rollen bringt absolut bescheuert. Die ehemalige Freundin entführen, nicht etwa mit dem Ziel den Diamanten herauszupressen, sondern vielmehr tatsächlich sie zurückzugewinnen! Sicher doch! Toll fand ich in dieser Hinsicht auch Joes Aussage "Sie muss erst Pierre vergessen." He, die hat fünf Jahre lang die in ihrem Fall bestimmt ständig eintrudelnden Avancen von Männern abgelehnt, weil sie um dich getrauert hat. Wie lange willst du die eigentlich bei dir festhalten? Last but not least darf auch die Romanze zwischen Susan und Birnbaum (?) nicht unerwähnt bleiben, die sich viel zu schnell und auch sehr unplausibel entwickelt hat. Bei weitem nicht das größte Problem des Films, aber es gehört doch erwähnt.
Ist der Film völlig frei von positiven Aspekten? Nun, überwiegend schon. Es gibt zwar ein paar Kleinigkeiten, aber die kommen einfach gegen so viel geballten filmischen Schrott nicht an. So freue ich mich als Wiener natürlich über jeden Auftritt meiner Heimatstadt in einer Filmproduktion – ja selbst bei so grottenschlechten Machwerken wie "Der blaue Diamant". Auch wenn er leider nicht wirklich was zu tun bekam und er für diese Produktion viel viel viel viel viel zu gut war, habe ich mich doch über den Auftritt von Ernest Borgnine gefreut, der einfach immer eine sehr charmante Präsenz ist (oder mittlerweile ja leider war). Sonja Kirchberger wird zwar nie als eine der besten Schauspielerinnen aller Zeiten in die Filmgeschichte eingehen, war aber wenigstens hübsch anzuschauen (vor allem im Badeanzug… aber holla!). Und zumindest ein ansatzweise netter Gag hat es in den Film geschafft. Denn Ernest Borgnines Erwiderung auf Pierre Brice's Kommentar "Es geht um Leben und Tod!" ("Noch einen Schritt weiter, und es geht nur mehr um Tod!") konnte mir dann doch tatsächlich ein sanftes Schmunzeln entlocken. Zu mehr Lob kann ich mich aber beim besten Willen nicht durchringen.
Fazit:
Eigenproduzierte TV-Filme von deutschen Sendern sorgen aufgrund ihrer oftmals unterirdischen Qualität ja nicht selten für hämisches Grinsen beim Publikum. Bei "Der blaue Diamant" dürfte aber wohl selbst den hartgesottensten Cineasten das Lachen vergehen – fällt dieser armselige Versuch eines Abenteuerfilms doch die meiste Zeit über nicht einmal unter die Kategorie "so schlecht, dass er schon wieder gut ist". Lediglich vereinzelte trashige Szenen vermochten mich unfreiwillig zu unterhalten. Der Rest war einfach nur eine Qual, angefangen von der billigen Produktionsqualität über die amateurhafte Inszenierung bis hin zu den maximal bemühten schauspielerischen Leistungen. Das größte Problem des Films ist jedoch ganz klar das Drehbuch, das vor soapigen Szenen, hanebüchenen Entwicklungen und peinlichen Dialogen nur so strotzt. Von der ersten Szene bis zur letzten ist "Der blaue Diamant" ein filmisches Debakel, das wirklich nur den hartgesottensten Trash-Masochisten empfohlen werden kann.