Mit: Christian Camargo, Embeth Davidtz, Anamaria Marinca, Michael Nyqvist, Daniel Wu, Karolina Wydra, Sharlto Copley, Dan Fogler, Isiah Whitlock Jr. u.a.
Kurzinhalt:
Das Raumschiff "Europa One" bricht mit seiner 6-köpfigen Crew zum Jupitermond Europa auf. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich unter seiner dicken Eisschicht ein gewaltiger Ozean verbirgt, auch wurden ungewöhnliche Wärmequellen entdeckt. Existiert dort vielleicht Leben? Nach fast 2 Jahren Flugzeit und mehreren 100 Millionen Kilometern erreicht das Raumschiff schließlich sein Ziel…
Review:Sind wir alleine? Gibt es Leben im All? Schon viele Filmemacher haben sich mit dieser Grundfrage auseinandergesetzt und so dem Genre die eine oder andere Perle hinzugefügt. Auch Sebastián Corderos "Europa Report" versucht, eine Antwort auf diese Frage zu finden. Das Ergebnis ist ein ungewöhnlicher, faszinierender Film über den menschlichen Pioniergeist und den Aufbruch ins Unbekannte, der für mich ganz klar zu den Filmtipps des Jahres 2013 gehört. Bemerkenswert ist dabei vor allem das Found-Footage-Konzept. Dem Zuschauer wird suggeriert, einen Zusammenschnitt aus den Aufzeichnungen der Überwachungskameras an Bord der Europa One zu betrachten. Das Material wird weiterhin von Wissenschaftlern und Spezialisten kommentiert, so dass der Eindruck entsteht, die Videoaufzeichnungen seien zu einer Dokumentation verarbeitet worden. Das ist zwar nicht revolutionär, aber durchaus erfrischend - nachdem das aktuelle SF-Jahr eher auf bombastisches Spektakel denn auf besinnliches Drama gesetzt hat.
Vor allem auch die Idee, den Zuschauer nicht in Echtzeit durch die Kameras zuschauen zu lassen, sondern das Geschehen eher im Kontext zu schildern, erweist sich als raffiniert, denn daraus entwickelt der Film einen spürbaren Spannungsbogen, der ansonsten nur schwer zu vermitteln gewesen wäre. Auch die zahlreichen Perspektiven inner- und außerhalb des Raumschiffes sorgen für Abwechslung, der authentische Charakter bleibt dabei jederzeit erhalten. Zugleich erlaubt es der Zusammenschnitt, die Hauptfiguren minimal, aber völlig ausreichend zu charakterisieren und die Auswirkungen der knapp zweijährigen Isolation an Bord zu thematisieren, insbesondere nach dem Abbruch des Funkkontaktes zur Erde und dem dramatischen Ableben eines der Crew-Mitglieder. Diese zusätzlichen Akzente machen aus dem "Europa Report" ein sensibles Dokumentardrama. Die Magie des Unbekannten und der Drang, das menschliche Wissen zu erweitern sind allgegenwärtig, und daher ist "Europa Report" einer der ehrlichsten und bodenständigsten Genrebeiträge des Jahres. Was die Ausstattung und die visuellen Effekte angeht, kann ich nur sagen: Chapeau! Das Team um Regisseur Cordero holt wirklich alles Machbare aus dem low budget heraus und erschafft ein glaubwürdiges, stimmiges Design. Die Europa One überzeugt als durchdachte Weiterentwicklung gegenwärtiger Weltraumvehikel, die Aufnahmen im Weltraum und auf dem Jupitermond bemühen sich um bestmöglichen Realitätsbezug. Der dezente, funktionale Soundtrack gibt die Stimmung an Bord und unter der Besatzung hervorragend wieder und erlaubt es dem Zuschauer tatsächlich, das Gesehene zu fühlen. Dem Prinzip "Weniger ist mehr" wird hier voll und ganz Rechnung getragen, was den Authenzitätsanspruch des Films unterstreicht.
Die Handlung kommt insgesamt ohne Umschweife aus und führt konsequent zum Spannungshöhepunkt. Und jetzt kommt das große ABER: Dass der Film zum Schluss sein Mysterium enthüllt und quasi per Holzhammer eine Antwort auf seine eigenen Fragestellungen liefert, schadet ihm mehr, als es ihm nützt. Urplötzlich wird der Zuschauer aus seiner "sense of wonder"-Haltung herausgerissen! Wo der Film fast 90 Minuten lang die Faszination des Unbekannten zum Gegenstand hat, wird auf einmal eine völlig unbefriedigende Auflösung präsentiert, die den Zuschauer ratlos zurücklässt. Ich denke, ein offeneres Ende hätte dem Film gutgetan, auch das sukzessive Dezimieren der Crew kurz vor Schluss wäre verzichtbar gewesen. Indem "Europa Report" hier so manches Klischee bedient, schrammt er haarscharf daran vorbei, sich selbst in Frage zu stellen, wäre da nicht die gelungene Art und Weise, wie die Protagonisten zu Helden werden.
Fazit:
"Europa Report" ist einer der interessantesten SF-Filme des Jahres. Sein ungewöhnliches Setting und sein wissenschaftlicher Anspruch erfrischen ungemein, thematisch würdigt er die großen Entdecker der Geschichte, indem er die menschliche Neugier, den Pioniergeist und den Reiz des Unbekannten in den Vordergrund stellt. Lediglich das zum Teil unbefriedigende Ende bzw. die plumpe Auflösung des Mysteriums verhindern, dass "Europa Report" die Bestwertung erhält.