Kurzinhalt:
Jim möchte eine Dokumentation über Bigfoot drehen, und wird dabei von seiner Freundin Kelly begleitet, die für die Kamera zuständig ist. Zuerst interviewt man einige Bewohner von Willow Creek, wo 1967 jenes berühmte Amateurvideo entstanden ist, auf dem angeblich Bigfoot zu sehen ist, wie er einen Bach überquert. Danach begibt man sich in den Wald, um die besagte Stelle aufzusuchen. Jim hofft, Bigfoot ebenfalls auf Kamera einfangen zu können. Während Jim an seine Existenz glaubt oder sie zumindest in Betracht zieht, hält Kelly die Legende für eben genau das – eine Legende. Sie begleitet ihn eigentlich nur, um ich bei seinem Filmprojekt zu unterstützen. Als es dunkel wird, beschließt man das Zelt aufzubauen und die Nacht im Wald zu verbringen. In der Nacht hören die beiden dann plötzlich unheimliche Geräusche…
Review:Ich habe es in einigen Reviews ja schon erwähnt: Ich bin nicht unbedingt der größte Freund des Found Footage-Horrors – aus mehreren Gründen. Einerseits, da sich viele nicht an die Regeln halten. Nehmt "V/H/S 2". Behauptet, es würde sich um found footage handeln, und dann gibt's Filmmusik, Untertitel, usw. Sorry, aber wenn, dann müsst ihr das auch konsequent durchziehen, und das Konzept nicht nur dafür verwenden, an den Kamera-Kosten zu sparen. Andererseits wiederum… hält man sich an diese Regeln, zwingt man sich zugleich inszenatorisch in ein ziemlich enges Korsett, und die Wirkung des Endresultats – z.B. ohne Filmmusik – bleibt für mich oftmals hinter "gewöhnlichen" Filmen zurück. Vor allem aber gewinnt ein Film dadurch, dass er mir vorgaukelt all dies wären "echte" Aufnahmen nicht an Wirkung. Im Gegenteil: Denn während ich mich im Zuge eines Horrorfilms gerne auf übersinnliche Elemente einlasse, glaube ich an so etwas in der Realität nicht. Damit erzielt man demnach letztendlich bei mir oftmals paradoxerweise die gegenteilige Wirkung, also weniger Plausibilität als mehr.
Nichtsdestotrotz gibt es durchaus ein paar gelungene Vertreter des Genres. Zu denen zähle ich auch – trotz des absolut bescheuerten Verhaltens der Studenten, das mir den Film ansatzweise verdorben hat – einen der populärsten found footage-Filme, der zudem ihre Ära in gewisser Weise erst eingeläutet hat: "The Blair Witch Project". Damals war das Ganze halt noch vergleichsweise frisch und innovativ. Viele Filme versuchten dann in seinem Fahrwasser einen ähnlichen Erfolg einzufahren, wobei für mich dann die besagten Kritikpunkte mangels des Novitäten-Charakters zumeist stärker durchschlugen. Auftritt Bobcat Goldthwait, der sich für einen meiner Lieblingsfilme des letztjährigen /slash Filmfestivals ("God Bless America") verantwortlich zeichnet. Er führt das Genre wieder zu den "Blair Witch"-Wurzeln zurück. Einerseits erinnert sein Film von Konzept und Aufbau sehr an diesen (auch hier zieht ein Independent-Filmteam los um eine Doku über ein mysteriöses Phänomen – nämlich Bigfoot – zu drehen), andererseits hält er sich an die dort aufgestellten Regeln, und bleibt dem found footage-Konzept treu. Soll heißen: Keine Filmmusik, und auch sonst keine Anzeichen einer Nachbearbeitung des "gefundenen" Filmmaterials. Zugleich schafft er es, einige Fallen des Genres zu umgehen. So ist "Willow Creek" nicht übertrieben auf amateurhaft getrimmt. Bei vielen Regisseuren von Found Footage-Filmen bekommt man ja oftmals den Eindruck, die halten jeden Hobby-Filmer der nicht auf eine Filmschule gegangen ist für einen völligen, oftmals an Parkinson leidenden Dilettanten – was angesichts der Tatsache, wie sehr sich Profi-Regisseure in den letzten Jahren zunehmend an früher als amateurhaft geltende Stilmittel wie Wackelkamera, Zooms innerhalb einer Einstellung etc. angepasst haben, nicht einer gewissen Ironie entbehrt. "Willow Creek" sieht wirklich so aus, wie auch ich mir einen Amateur-Film vorstelle. Zudem erspart er uns irgendwelche Vollspackos wo wir es eigentlich schon gar nicht mehr erwarten können bis sie endlich abkratzen, sondern macht uns die beiden Hauptprotagonisten wirklich sympathisch – so dass wir später dann auch entsprechend mit ihnen mitfiebern und zugleich dem vermeintlich tragischen Ausgang des Geschehens mit Grauen entgegensehen.
Dies bedeutet allerdings auch, dass sich der Kinobesucher/DVD-Ausleiher auf einen doch eher gemächlichen Einstieg gefasst machen sollte. Ich habe nicht mitgestoppt, würde aber vermuten, die erste 3/4-Stunde ist in erster Linie von düsterer Vorahnung und der Vorstellung der Figuren geprägt, weist für sich genommen aber noch keine furchterregenden Momente auf. Dafür sind diese wenn sie später dann kommen umso wirkungsvoller. Erinnert ihr euch noch an die Zelt-Szene aus "Blair Witch"? So was Ähnliches gibt's hier auch, nur meines Erachtens 10x effektiver. Eine grandiose Szene ohne Schnitt (klarerweise), die über mehrere Minuten hinweg eine unglaublich angsteinflößende Atmosphäre aufbaut. Damit sind wir zugleich leider auch schon beim größten Manko des Films: Denn alles was danach kommt kann sich mit diesem Höhepunkt nicht mehr messen. Zumal sich Goldthwait hier dann leider auch das eine oder andere zweckmäßige, ebenfalls an "Blair Witch" erinnernde Klischee (wie das Verlaufen, inklusive am gleichen Baum nochmal vorbeikommen) nicht verkneift. Auch das Ende weckte etwas zu starke Erinnerungen an andere Filme des Genres, wirkte daher wenig originell, und verlor für mich dadurch doch ein wenig an Wirkung. Trotz dieses Mankos zeigt Bobcat Goldthwait allerdings mit "Willow Creek" auf, wozu found footage-Filme fähig wären, wenn sich die jeweiligen Regisseure auch wirklich an die damit einhergehenden Spielregeln halten würden.
Fazit:
Mit "Willow Creek" führt Bobcat Goldthwait das zuletzt doch etwas aus dem Ruder gelaufene "Found Footage"-Genre wieder zu seinen "Blair Witch Project"-Wurzeln zurück. So zeigt er uns auch wirklich unbearbeitetes Filmmaterial (ohne Filmmusik, Untertitel u.ä.) und hält dadurch die Illusion von echtem, gefundenem Material aufrecht. Zudem umschifft er gekonnt einige Fallen des Genres, wie das oftmals dilettantische Aussehen der Amateurvideos, oder auch die allzu oft eher nervigen Protagonisten. Stattdessen werden einem Jim und Kelly dank eines gemächlichen, überwiegend noch amüsanten Einstiegs der uns die beiden ausführlich vorstellt richtig sympathisch, und lässt uns eine Bindung zu ihnen aufbauen. So richtig spannend wird es demnach erst, wenn sich die beiden in den Wald begeben – dann schafft es Goldthwait aber auch wirklich, eine ungemein dichte Atmosphäre aufzubauen, was dann schließlich in einer der angsteinflößendsten Szenen kulminiert, die ich bislang im heurigen Kinojahr gesehen habe. Leider kann alles was danach kommt an diesen spannungstechnischen Höhepunkt nicht einmal mehr ansatzweise anknüpfen. Schade – ohne dieses Manko der letzten paar Minuten hätte "Willow Creek" in meiner Gunst sogar das Vorbild "The Blair Witch Project" überholen und wertungstechnisch an "God Bless America" anknüpfen können. Ein Pflichttermin für alle Fans dieses Horror-Subgenres ist "Willow Creek" meines Erachtens aber dennoch – zumindest, sofern man sich auf den etwas langsamen, gemächlichen und ruhigen Einstieg einlassen kann.