Mit: Jessica Chastain, Nikolaj Coster-Waldau, Megan Charpentier, Isabelle Nélisse, Daniel Kash, Javier Botet, Jane Moffat u.a.
Kurzinhalt:
Nach einer Familientragödie werden zwei junge Töchter von ihrem Vater entführt. Dessen Bruder Lucas gibt auch Jahre später die Hoffnung nicht auf, sie wieder zu finden. Dann geschieht das Wunder tatsächlich: Victoria und Lilly werden in einer Hütte im Wald gefunden, völlig verwahrlost und verstört – aber am Leben. Lucas und seine Freundin Annabel adoptieren die beiden daraufhin, doch der Versuch, ein halbwegs normales Familienleben aufzubauen, gestaltet sich aufgrund der Tortur welche die jungen Mädchen hinter sich haben äußerst schwierig. Nur langsam fassen Victoria und Lilly zu ihren neuen Eltern Vertrauen – und behalten auch weiterhin einige doch eher ungewöhnliche Angewohnheiten bei. Zudem sind sie nach wie vor sehr verschlossen und zurückgezogen. Wirklich mysteriös und beunruhigend wird es dann aber, als sie von Mama erzählen, die sie in der Waldhütte umsorgt haben soll. Der sie betreuende Kinderpsychologe hält diese nur für ein Produkt ihrer Fantasie – eine Art und Weise, um mit der Tatsache dass sie in der Hütte so lang allein waren umzugehen. Als die Kinder jedoch berichten, dass Mama sie auch in ihrem neuen Haus nach wie vor besuchen würde, und es zu einigen geheimnisvollen und teils auch tragischen Ereignissen kommt, ist sich Annabel diesbezüglich zunehmend nicht mehr sicher…
Review:Angesichts von Guillermo del Toro als ausführender Produzent und dem wirklich gruseligen Trailer startete "Mama" doch mit einigen Vorschusslorbeeren im Kino – wurde dann aber meinen Erwartungen nur teilweise gerecht. Als größte Stärke des Films empfand ich dabei Jessica Chastain in der Hauptrolle. Diese Frau ist ein echtes Chamäleon. Ich kenne sie mittlerweile aus "Take Shelter", einen kleinen Auftritt bei "Veronica Mars", "The Debt", "The Tree of Life", "The Help", "Lawless", "Zero Dark Thirty" und eben "Mama", und auch wenn ich natürlich von Film zu Film ihr Gesicht erkenne, schlüpft sie jedes Mal derart in die Rolle hinein, dass ich nicht mehr die Schauspielerin sehe, sondern nur die Figur. Jede der von ihr in diesen Filmen gespielten Protagonisten war anders, und auch mit Annabel beweist sie neuerlich ihre große Wandlungsfähigkeit. Sie ist eine jener SchauspielerInnen, die es schafft, wirklich hinter einer Rolle zu verschwinden, und dabei auch wirklich eine phantastische Performance zu zeigen. Ohne sie wäre es "Mama" wohl nicht gelungen, sich aus der Durchschnittlichkeit hervorzuheben.
Grundsätzlich ebenfalls ganz gut gelungen ist die Regie von Andrés Muschietti – wobei mich seine Inszenierung vor allem in ganz bestimmten Szenen besonders überzeugt hat. Jener Moment der mir wohl am längsten in Erinnerung bleiben wird ist die clevere Szene, in der wir sehen, wie die jüngere Tochter, Lilly, mit jemand anderem mit einem Laken spielt. (Achtung, Spoiler!) Wir sehen aber nicht, wer diese Person ist. Zugleich erhaschen wir in der gleichen Einstellung auch einen Blick auf den Rest des Hauses, und sehen z.B., wie Annabel im Hintergrund herumgeht. Automatisch gehen wir natürlich davon aus, dass Lilly mit ihrer Schwester Victoria spielt – und dann spaziert diese plötzlich ebenfalls durchs Haus (Spoiler Ende). Eine ungemein clevere und wirkungsvolle Szene, die mir mit sehr einfachen, schlichten Mitteln eine ordentliche Gänsehaut beschert hat. Generell schafft es er stellenweise, eine nette gruselige Atmosphäre aufzubauen, und setzt auch die Schockeffekte mit Bedacht ein. Von der Stimmung her hat mir "Mama" jedenfalls gut gefallen. Anderes an seiner Inszenierung ist hingegen weniger gelungen. So fand ich den extremen Blaustich der Rückblende zu Beginn des Films doch eher störend – zumal er sich praktisch von einer Szene auf die nächste ohne (mir) erkennbaren Grund aufzulösen scheint. Und, ganz ehrlich: Das mit dem Blitzlicht in völliger Dunkelheit ist mittlerweile innerhalb des Horrorgenres doch schon ziemlich abgedroschen, und bringt mir eher das Augenrollen als das Fürchten bei.
Auch die Handlung ist leider nicht unbedingt ein Reißer. Zwar durchaus brauchbar, aber wirklich originelle Ideen sucht man hier vergeblich, während sich im Gegensatz doch das eine oder andere Klischee eingeschlichen hat. Immerhin sind die Figuren – allen voran Annabel – gut ausgearbeitet; das kann man ja leider nicht von jedem Horrorfilm behaupten. Besonders gut gefällt mir dabei, wie effizient man dabei vorgeht, uns die Figuren vorzustellen. Am Beispiel von Anabel: Ihre erleichterte Reaktion auf den (negativen) Schwangerschaftstest zu Beginn macht uns gleich deutlich, dass sie sich eigentlich überhaupt nicht bereit dafür fühlt, Mutter zu sein. Und nur kurz darauf sieht sie sich in eben dieser Rolle wieder – sogar noch mit weniger Chancen, sich darauf vorzubereiten, als sich ihr bei eine Schwangerschaft bieten würde, und noch dazu mit zwei (aufgrund ihrer traumatischen Erfahrung) "Problemkindern". Besonders wenn sie aufgrund eines tragischen Vorfalls mit den Kindern dann ganz allein im Haus ist, vermag man – nicht nur wegen Mamas bedrohlicher Präsenz – ihre Anspannung nachzuvollziehen.
Auch abseits von Jessica Chastain wissen die schauspielerischen Leistungen durchaus zu gefallen, wobei vor allem die beiden jungen Mädchen, Megan Charpentier und Isabelle Nélisse, positiv auffallen, die sich mit ihrer Darstellung von Victoria und Lilly in die Riege der gelungenen Leistungen von KinderdarstellerInnen der letzten Jahre einreihen. Und Nicolaj-Coster Waldau bekommt zwar in seiner Rolle als Lucas nur verhältnismäßig wenig zu tun, kann dafür aber vor allem als dessen durchdrehender Zwillingsbruder gleich zu Beginn des Films begeistern. Leider aber fällt der Film mit zunehmender Laufzeit meines Erachtens auch zunehmend in sich zusammen. "Mama" funktioniert meines Erachtens am besten, solange die titelspendende Mama ein dunkler Schemen im Hintergrund ist, eine bedrohliche Präsenz die sich uns nie wirklich offenbart und auf die wir nur kurze Blicke erhaschen. An diesen Stellen ist "Mama" in meinen Augen am Effektivsten. Doch je mehr wir von ihr zu Gesicht bekommen und je tiefer man in ihre Vergangenheit eintaucht, desto mehr verlor die Figur an Wirkung und an Schrecken. Eine Entwicklung, die dann schließlich in einem für mich ungemein enttäuschenden Finale kulminiert, das den bis dahin vorherrschenden wohligen Grusel endgültig zugunsten eines typischen, gewöhnlichen Horror-Showdowns aufgibt. Zumal wir dort Mama so deutlich zu Gesicht bekommen wie nie zuvor, und sie dadurch für mich praktisch den letzten Rest an Schrecken verlor. Und so ist es dann leider auch in erster Linie das Finale, das "Mama" auf lediglich solides Niveau herunterzieht.
Fazit:"Mama" ist ein solider, guter Horrorfilm, der vor allem mit einer weiteren phantastischen Leistung von Jessica Chastain besticht, die hier zum wiederholten Mal ihre große Wandlungsfähigkeit unter Beweis stellt. Davon abgesehen sind es vor allem einzelne Szenen, in denen es Regisseur Andrés Muschietti – oftmals mit ganz schlichten, aber sehr cleveren und effektiven Mitteln – gelingt, für eine dichte Atmosphäre zu sorgen und die Spannungsschraube anzuziehen. Die Leistungen der anderen DarstellerInnen, allen voran der beiden Kinder, wissen ebenfalls zu gefallen. Handlungstechnisch sieht das ganze leider schon nicht mehr ganz so rosig aus, dort bietet "Mama" nämlich überwiegend Durchschnittskost ohne große Überraschungen. Mein größter Kritikpunkt ist aber das Ende, wo mir die Titelfigur zu sehr ins Zentrum gerückt wurde und dadurch an Schrecken verlor, und man uns zudem einen doch sehr gewöhnlichen, typisch Showdown offeriert. Insgesamt bietet "Mama" also zwar durchaus gelungene Genrekost, das erhoffte Horror-Highlight ist aber leider ausgeblieben.