Kurzinhalt:
Ein paar Jahre nach den Ereignissen auf Isla Nublar sieht sich Ian Malcolm mit dem Verdacht konfrontiert, dass es noch eine zweite Insel geben könnte, auf der die Dinosaurier gezüchtet wurden und auch überlebt haben. Mit Hilfe von Kollegen geht er diesen Gerüchten nach – und ist sich schließlich sicher, in Isla Sorna die besagte Insel gefunden zu haben. Doch Malcolm und seine Kollegen sind nicht die einzigen, die sich für die Gerüchte über eine Insel, auf der ausgestorbene Tierarten leben sollen, interessieren. Auch Dodgson, der vor Jahren Nedry dazu angestiftet hat, für ihn Dinosaurier-Embryos zu stehlen und damit für die sich danach ereignende Katastrophe im Jurassic Park mitverantwortlich war, arbeitet immer noch für die Konkurrenzfirma BioSys, und ist auch nach der Insolvenz von InGen weiterhin daran interessiert, deren technologische und wissenschaftliche Errungenschaften auszuschlachten. Auch er stößt auf Hinweise einer zweiten Insel, und bricht mit einem Team auf, um Dinosaurier-Eier zu stehlen. Auch Malcolm und sein Team sind dorthin unterwegs, nachdem der Kontakt mit dem Paläontologen Richard Levine abgebrochen ist, und man das Schlimmste befürchtet. Dort angekommen nimmt das Grauen neuerlich seinen Lauf…
Review:
Zwar gab es auch bei "Jurassic Park" bereits zwischen Film und Roman zahlreiche Unterschiede – und dort empfand ich es ja als besonders interessant und auch als eine der größten Stärken des Buchs, dieses mit dem Film vergleichen zu können – "Vergessene Welt" hat aber nun mit der von Steven Spielberg inszenierten Fortsetzung nicht mehr wirklich viel gemein. Im Wesentlichen beschränken sich die Parallelen auf Ian Malcolm als Hauptcharakter (der somit auch in der Romanwelt seine Abenteuer in "Jurassic Park" überlebt hat – und das, obwohl auf den letzten Seiten des Buchs noch sein Tod verkündet wurde) sowie auf den Angriff der beiden Tyrannosaurus Rex auf das zweiteilige Wohnmobil. Davon abgesehen erzählt der Roman aber eine fast gänzlich andere Geschichte, was ich sowohl als Fluch wie auch als Segen empfinde. Fluch einerseits, da dadurch eine der für mich interessantesten Aspekte des ersten Romans, nämlich Vergleiche zum Film zu ziehen, diesmal entfällt. Segen andererseits, da man dank Michael Crichton praktisch ein völlig neues, bisher unbekanntes Abenteuer in der "Vergessenen Welt" erlebt.
Insgesamt empfand ich die Fortsetzung im Wesentlichen auf dem Niveau des Vorgängers, wenn auch teilweise mit unterschiedlichen Stärken und Schwächen. So wurde für mich die Tatsache, dass diesmal der Vergleich zum Film faktisch wegfiel, durch einen schnelleren Einstieg und eine generell etwas straffere und dadurch flottere, sowie mehr auf Spannung fokussierte Erzählweise wieder kompensiert. Wie beim Film fand ich es zwar auch hier ein wenig störend, dass wieder Kinder mit von der Partie sein mussten – im Roman sind es derer sogar gleich zwei. Dafür wiederholt Michael Crichton wenigstens nicht den "Fehler" des Vorgängers, in dem Lex einfach nur nervtötend war und generell alle Frauen- oder Mädchen-Klischees bediente. Diesmal ist vielmehr das Mädchen, Kelly, die Kompetentere der beiden. Doch auch Arby nervt Gott sei Dank nicht. Beide Kinder wirken in ihrem Verhalten – das von Begeisterung bis zu panischer Todesangst reicht – stets glaubwürdig, und sind nie auch nur ansatzweise so nervtötend wie Lex im Vorgänger. Hier hat Michael Crichton also definitiv seit "Jurassic Park" dazugelernt.
Auch die wissenschaftlichen Abhandlungen wurden diesmal etwas reduziert und treten gegenüber der Erforschung der Insel und der Spannung ob der Bedrohung durch die Dinosaurier in den Hintergrund, was ich sowohl mit einem lachenden (da unterhaltungssteigernd) als auch einem weinenden (da just diese für mich im Vorgänger hervorstachen und ihn irgendwie von "normalen" Abenteuerromanen unterschied) Auge sehe. Wie für Michael Crichton – in dessen Arbeit sich, gerade auch bei seinen sogenannten "Techno-Thrillern", immer wieder luddistische Tendenzen finden lassen – gewöhnlich nimmt er neuerlich eine eher Wissenschaft- und Technologie-kritische Haltung ein, wobei er gelegentlich auch übers Ziel hinausschießt (wie z.B. bei Ian Malcolms Litanei, dass das Internet und die damit einhergehende Verknüpfung der gesamten Welt eine Stagnation der Menschheitsentwicklung herbeiführen würde). Auch bei der einen oder anderen spannenden Situation übertreibt er es gelegentlich ein wenig, und sprengt die Grenzen der Glaubwürdigkeit. Von diesen Momenten abgesehen empfand ich aber auch "Vergessene Welt" wieder als sehr unterhaltsam.
Fazit:
Wie dem Film kann man auch der Romanfortsetzung "Vergessene Welt" nicht vorwerfen, einfach nur eine schlichte Kopie des Vorgängers abzuliefern. Michael Crichton spinnt hier eine völlig neue, sehr unterschiedlich verlaufende Geschichte, die sich zudem mit etwas anderen Thematiken auseinandersetzt – allen voran dem Aussterben von Arten – als in "Jurassic Park". Im Gegensatz zum Vorgänger, der trotz Unterschiede eindeutig als Vorlage des Films zu erkennen war, gibt es zwischen Roman und Film bei "Vergessene Welt" kaum Überschneidungen. Damit fällt zwar der interessante Vergleich zwischen den beiden weg, dafür erlebt man hier ein praktisch neues, gänzlich unbekanntes Abenteuer, was zweifellos ebenfalls seinen Reiz hat. Wem der Vorgänger teilweise doch etwas zu trocken war, dürfte sich zudem darüber freuen dass in "Vergessene Welt" die spannenden Szenen und/oder die Abenteuer-Elemente definitiv im Vordergrund stehen; wenn auch eine wissenschaftliche Betrachtung neuerlich nicht aufgespart wird, und den Roman für mich aufwertete. Und auch eine ähnlich nervige – und enttäuschend klischeehafte – Figur wie Lex fehlt diesmal weit und breit. Dafür schoss Crichton für meinen Geschmack einerseits bei seiner Technologie-Kritik und andererseits bei einzelnen spannenden Momenten teilweise doch über das Ziel hinaus. Insgesamt ergibt das eine Fortsetzung mit etwas anderen Stärken und Schwächen, die jedoch im Wesentlichen das Niveau des Vorgängers hält.