Mit: Paul Bettany, Stephen Graham, Mark Strong, Brian Cox, Zoe Tapper, Ben Crompton, Adrian Edmondson, Patrick Hurd-Wood u.a.
Kurzinhalt:
In einer kleinen Küstenstadt in England wird ein junges Mädchen brutal ermordet. Der Fall ruft die verbrüderten Cops Joe und Chrissie Fairburn auf den Plan. Ein Verdächtiger ist schnell gefunden: Der vorbestrafte Sexualstraftäter Jason Buleigh. Aus Mangel an Beweisen wird er jedoch wieder freigelassen. Nach einer durchzechten Nacht beschließen die Brüder, "auf die harte Tour" an ein Geständnis zu gelangen…
Review:Wer "Blood - You Can't Bury the Truth" genießen möchte, sollte sich möglichst keine weitergehenden Infos bezüglich der Handlung einholen. Denn was zunächst als konventioneller Krimi beginnt, entwickelt sich zu einer spannenden Charakterstudie, die die Erwartungshaltung des Zuschauers auf den Kopf stellt. Dieser Effekt tritt zumindest dann ein, wenn man dem Film völlig unwissend begegnet, und aus diesem Grund sei mir verziehen, dass ich die Inhaltsangabe bewusst schwammig formuliert habe und auch im weiteren Verlauf meines Reviews, soweit möglich, keine konkreten Infos gebe. Der Film, der übrigens auf der TV-Serie "Conviction" (2004) basiert, ist eine echte Überraschung. Der brutale Mädchenmord dient lediglich als Aufhänger zu diesem Krimidrama und wird insgesamt eher nebensächlich abgehandelt.
Regisseur Nick Murphy ("The Awakening") konzentriert sich voll und ganz auf das Drama um die Brüder Joe und Chrissie und schildert sehr eindringlich, wie sie an den Ereignissen allmählich zerbrechen. So unterschiedlich ihre Charaktere sind, so unterschiedlich reagieren sie, wodurch Murphy die Möglichkeit erhält, die moralischen Fragen von mehreren Standpunkten aus zu beleuchten, ohne sie schlussendlich beantworten zu müssen. So geht der Film verhältnismäßig distanziert mit den Geschehnissen und Konsequenzen um und lässt dem Zuschauer die Chance, den Fall selber zu beurteilen. Man spürt, dass sich die beiden Hauptdarsteller, Paul Bettany ("Der große Crash - Margin Call") und Stephen Graham ("Boardwalk Empire") intensiv mit ihren Rollen beschäftigen. Überzeugend stellen sie ihre Wandlung und ihren Verfall dar und liefern insgesamt eine beeindruckende Performance ab. Auch die übrigen Rollen sind großartig besetzt, allen voran gefällt Brian Cox (alias Hannibal Lecktor in "Blutmond", 1986) als dementer Ex-Polizeichef und Vater der Fairburn-Brüder.
Die Inszenierung ist zwar schnörkellos, aber für meinen Geschmack zu altbacken. Zeitgemäßes Kino sieht nun mal anders aus, und ich denke, einige optische Reize hätten den Film durchaus aufgewertet. Einzelne Momente hätten durch raffiniertere Bilder und Einstellungen hervorragend atmosphärisch ausgestaltet werden können, doch in dieser Disziplin erweist sich der Film geradezu als einfallslos, und er wagt es nicht, einen eigenen Stil herauszuarbeiten. Der Soundtrack von Daniel Pemberton ist sehr schlicht gehalten und erfüllt seine eigentliche Funktion, nämlich das Gesehene zu akzentuieren, nur mühsam. Die späteren Szenen von Ben Crompton, in denen er quasi geisterhaft an Joes Gewissen appelliert, wirken arg deplatziert. Weder bringen sie die Handlung weiter, noch vermögen sie es, Joes innere Zerrissenheit zutreffend zu bezeichnen. All das ist bedauerlich, denn wenn der Film im Elementarbereich mehr zu bieten hätte, könnte er den Zuschauer noch eher emotional mitreißen und seine Wirkung wesentlich besser entfalten.
Fazit:
"Blood - You Can't Bury the Truth" überrascht durch eine unvorhergesehene Wendung, die aus einem herkömmlichen Krimi eine fesselnde Charakterstudie macht. Das ausgezeichnete Ensemble um Paul Bettany und Stephen Graham lässt über so manches Defizit hinwegsehen, und insgesamt bietet der Film bis zum Schluss solide Unterhaltung. Bleibt zu hoffen, dass Nick Murphy bei zukünftigen Regiearbeiten seine eigene, unverkennbare Handschrift entwickelt. Auf jeden Fall ist "Blood" ein redlicher Eintrag in seiner Filmographie.