Mit: James McAvoy, Vincent Cassel, Rosario Dawson, Danny Sapani, Matt Cross, Wahab Sheikh, Mark Poltimore, Tuppence Middleton u.a.
Kurzinhalt:
Kunstauktionator Simon hat einen schweren Tag. Während er ein Gemälde versteigern will, wird das Auktionshaus überfallen. Kurz vor dem rettenden Tresor muss er die Tasche, in der das Gemälde vermeintlich steckt, an einen Dieb aushändigen, der ihn niederschlägt. Als den Dieben bewusst wird, dass sich das Gemälde nicht darin befindet, schnappen sie sich Simon, der jedoch jede Erinnerung an den Vorfall verloren hat. Eine Therapeutin soll mittels Hypnose versuchen, an seine Erinnerungen zu gelangen…
Review:Danny Boyle hat bisher nicht einen schlechten Film abgeliefert, und auch "Trance" ist großartiges Krimi-Thriller-Kino! Leider hat der Film in den USA kaum ein Publikum gefunden, um so mehr erfreut es mich, dass er hier doch noch ins Kino kommt. Ich weiß nicht, ob die britische Komplexität abschreckend wirkte, mich hat sie fasziniert. Boyle webt ein verschlungenes Netz aus Traum, Wirklichkeit und Lust, das einen voll gefangen nimmt. Die Erzählung wird von Minute zu Minute dichter und das Gesamtbild der Geschehnisse fügt sich Memento-artig erst im Finale zusammen. Wir erleben hier jedoch – im Gegensatz zu Memento - nichts in umgekehrter Reihenfolge. Der Haupterzählstrang ist klar sortiert, beginnt mit dem Raub und führt uns immer tiefer in den Kaninchenbau der Erinnerungen & Überzeugungen von Simon – großartig gespielt von James McAvoy ("X-Men: Erste Entscheidung"). Rückblenden unterstützen ihn und geben nicht nur Hinweise, sondern stiften auch Verwirrung im Publikum, das aufgefordert ist, keine Sekunde zu verpassen. Für die 100 Minuten sollte man seinen Verstand mitbringen wollen.
Gleichzeitig wird eine gefährliche aber leidenschaftliche Dreiecksbeziehung zwischen Simon, seiner Therapeutin Elisabeth (Rosario Dawson, "Fire with Fire") und dem Meisterdieb Franck (Vincent Cassel, "Black Swan") aufgespannt, die der kräftezehrenden Jagd nach dem Gemälde einen knisternden Gegenpol bietet. Alle drei Hauptfiguren sind wie Wildkatzen, die umeinander herum schleichen, und man nie weiß, ob sie sich im nächsten Moment angreifen oder zusammentun. Die Loyalitäten fließen hier scheinbar ständig hin und her. Kann Liebe den Wunsch nach Reichtum besiegen? Kann Liebe krank machen? Wie stark kann sich ein Mensch auf einen anderen fixieren? Dies sind nur einige der Fragen die der Film mit sich herumträgt, und gleichsam ruhig und bis kurz vorm Zerreißen mit Spannung erfüllt, zu beleuchten versucht. Es wird wirklich immer krasser, von Bild zu Bild, von Einstellung zu Einstellung, von Dialog zu Dialog, und läuft auf ein actionreiches wie auch erhellendes Finale zu, dass den Zuschauer befriedigt aus dem Kino gehen lässt. Der gemischte Soundtrack aus gleichsam atmosphärischen Songs wie Instrumentalstücken von Rick Smith (Keyboarder der Elektrokombo "Underworld"), der schon auf diversen Soundtracks von Boyles Filmen zu hören war, unterstützt die dichte Atmosphäre zudem unglaublich gut.
Apropos Action: Die hat der Film tatsächlich - aber in wohldosierter Menge, so dass sich ihr nichts unterordnen muss. Es herrscht quasi Gleichgewicht zwischen angespannter Ruhe und Action. Ich habe "Lone Ranger" noch nicht gesehen, der ja ebenfalls heute in den Kinos startet; die Schnittmenge des Publikums beider Filme dürfte sich aber stark in Grenzen halten, sodass jeder genau das im Lichtspielhaus finden sollte, dass gerade zur eigenen Stimmung passt. Wer jede Woche "Tatort" schaut und sich das Budget und die filmische Herangehensweise der BBC wünscht, wird hier durchaus bedient. Sex, Crime und die lustige Welt der Psychologie laden zum Mitfiebern ein. Ich will nicht zu viel verraten, aber man erlebt als Zuschauer eine krasse Wendung; nicht so sehr in der Handlung als vielmehr in der eigenen Loyalität zu den Charakteren auf der Leinwand. Boyle verlangt uns ab, die Identifikation mit einer Figur komplett aufzugeben, und das nimmt einen mit und versetzt einem einen Schlag, der fast zu Amnesie führt. Ganz großartig!
Fazit:
Danny Boyle hat mich auch mit "Trance" wieder nicht enttäuscht. Ich war wohl auch in genau der richtigen Stimmung dafür; empfehlen kann ich ihn jedenfalls allemal. Ihr habt diese Woche also die Wahl zwischen einem vermeintlich unterhaltsamen Westernklamauk mit Johnny Depp, und einem intelligenten Psychothriller, der euch auf die Kante des Kinosessels zieht. The choice is yours.