"The Blue Umbrella" & "Monster Uni": Interview mit Saschka Unseld
"Der Film ist eine Liebeserklärung an den Regen."Kategorie: Interviews - Autor: Martin Wenzel - Datum: Samstag, 29 Juni 2013
Mitten im Regen, in einer singenden Stadt, umgeben von gurgelnden Gullis und plätschernden Regenrinnen, finden sich zwei Regenschirme - einer blau, der andere nicht - und verlieben sich stürmisch ineinander... Seit dem 20. Juni 2013 kommen zwei kleine Regenschirme ganz groß raus: "The Blue Umbrella" wird als Vorfilm von Disney/Pixars "Die Monster Uni" gezeigt. Mit seinem Pixar-Debütfilm will der deutsche Regisseur Saschka Unseld neue Maßstäbe setzen: Das erste Mal ist ein fotorealistischer Film in den Pixar Animation Studios entstanden.
"The Blue Umbrella" feierte seine Weltpremiere bei der diesjährigen Berlinale und wir hatten Gelegenheit, mit Saschka Unseld ein Interview zu führen.
fictionBOX: In "The Blue
Umbrella" geht es um einen blauen Regenschirm, der sich in einen roten Regenschirm
verliebt. Ist dir diese Idee gekommen, während du selbst gerade nass geregnet wurdest oder wolltest du einfach nur eine Liebesgeschichte über zwei
unterschätzte Alltagsgegenstände
erzählen?
Saschka Unseld: Das ist fast richtig. Die Idee zu der Geschichte kam mir an einem
regnerischen Tag, an dem ich am Straßenrand einen weggeworfenen
Regenschirm fand. Der Anblick dieses halb kaputten und weggeworfenen
Regenschirms war so herzzerreißend, dass ich mir vornahm, die Geschichte dieses Regenschirms zu erzählen. Für mich ist der Film auch eine Liebeserklärung an den Regen. Und die passendste Geschichte für eine Liebeserklärung ist natürlich eine Liebesgeschichte.
fictionBOX: Als ich eine Szene aus "The Blue Umbrella" sah, dachte ich zuerst, es wären live gefilmte Schirme mit animierten Gesichtern. Schaut man sich vorher monatelang Regen-Videos an, um derart realistische Animationen zu erschaffen?
Unseld: Ja, das stimmt. Es ist sehr wichtig, genau zu beobachten und zu analysieren, was in der Realität passiert. Ein großer Arbeitsaufwand floss vor allem in die
Beleuchtung der Tropfen, um diese nicht nur real, sondern vor allem schön und poetisch aussehen zu lassen.
fictionBOX: Die Idee für "The Blue Umbrella" bei Pixar vorzustellen, war
für dich eins der Highlights deiner Karriere. Wie hast du dich darauf
vorbereitet und was war dir beim Pitchen besonders wichtig?
Unseld: Mir war es sehr wichtig, dass die Emotionen der Geschichte
klar werden. Dafür war es sehr wichtig, dass der Pitch extrem gut
vorbereitet war, so dass keine Ablenkungen durch schlechtes Erzählen der Geschichte passiert. Deshalb habe ich mich zu Hause beim Pitchen auf Video aufgenommen und mir das Video danach angeschaut und überlegt, was
ich besser machen kann. Ich habe dies dann 50mal so gemacht und
dardurch hat sich mein Pitch extrem verbessert.
fictionBOX: Wie haben die Pixar-Chefs John Lasseter, Pete Docter und Ed
Catmull damals auf deine Ideen reagiert? Welche Gedanken haben sie dazu
noch eingebracht?
Unseld: Sie waren alle sehr begeistert von der Geschichte und der Idee. Wir
hatten uns dann hauptsächlich darüber unterhalten, ob wir den Film fotoreal machen wollen und wie dies die Geschichte selbst und die Magie der Geschichte erhöhen würde.
fictionBOX: Waren Filmklassiker wie "Singin' in the Rain" eine Inspiration für "The Blue Umbrella"?
Unseld: Die größte Inspiration für das Aussehen von "The Blue Umbrella" kam
von den Filmen von Wong Kar-Wai. Vor allem seine früheren Filme wie
"Chungking Express".
fictionBOX: "The Blue Umbrella" ist der Vorfilm von "Die Monster-Uni". Darin erleben wir, wie Mike und Sulley sich auf der Uni kennenlernen. Wie sind deine Erinnerungen an die Studentenzeit? Konntest du damals schon einige kreative Projekte
umsetzen?
Unseld: Nachdem ich in Hamburg am Kaiser-Friedrich Gymnasium Abitur gemacht habe,
bin ich zum Animationsinsitut der Filmakademie Baden-Württemberg
gegangen. Das schöne an dem Studium dort ist, dass wir im Endeffekt
hauptsächlich unsere eigenen Projekte machen konnten. Das heißt, dass über die viereinhalb Jahre Studium jeder mindestens 4-5 Kurzfilme macht. Das war extrem
hilfreich, um die Erfahrung für das Arbeiten nach dem Studium zu
bekommen.
fictionBOX: Du hast "Die Monster Uni" sicherlich schon gesehen. Was sind
für dich die Highlights des Films?
Unseld: Das schöne an der "Monster Uni" ist, dass die Geschichte vom sich selber finden handelt. Davon wie man denkt, dass man eine bestimmte Sache als Beruf machen will, man aber möglicherweise herausfindet, dass man darin
nicht gut ist. Ich glaube, das ist etwas, womit sich jeder der zur Uni
geht idenitizieren kann.
fictionBOX: Du kommst ursprünglich aus Deutschland, arbeitest nun aber seit 2008 für Pixar. Dort warst du u.a. an "Toy Story 3", "Cars 2" und "Merida" beteiligt. Worin siehst du die Ursache dafür, dass in Deutschland so wenige Animationsfilme dieser Größenordnung produziert
werden?
Unseld: Das Talent gibt es in Deutschland zur Genüge. Aber ich habe es bisher
noch nicht gesehen, dass eine Firma so stark an einen Film glaubt, dass so viel Arbeit, Zeit und Geld in die Geschichte und den Film gesteckt wird, wie das in den USA der Fall ist.
fictionBOX: Kannst du etwas über deine Arbeit an "Toy Story 3", "Cars 2" und "Merida" erzählen? Was waren dabei deine Aufgaben und welche
Herausforderungen sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
Unseld: Ich erinnere mich besonders an die Arbeit an "Toy Story 3". Ich war für die Kameraarbeit von der Sequenz verantwortlich, wo Woody und die
anderen in der Müllverbrennungsanlage sind. Ich habe daran grob zwei Monate lang gearbeitet und mich sozusagen zwei Monate mit der Sequenz
und den Emotionen der Figuren auseinandergesetzt. Damit das Ganze so
intensiv wird wie es im Endeffekt wurde, muss man sich da emotional
reinversetzen und das nimmt einen schon sehr mit. Für den
Zuschauer braucht die Sequenz im Endeffekt nur drei Minuten, für mich
waren das aber zwei Monate.
fictionBOX: Du sagtest in früheren Interviews, dass deine Mutter bei dir den Spaß am Geschichtenerzählen geweckt hat. Kannst du dich an Geschichten aus deiner Kindheit erinnern, die du gern als Animationsfilm realisieren würdest?
Unseld: Mir persönlich sind Bücher wie "Großer-Tiger und Christian", "Die Brüder Löwenherz", "Ronja Räubertochter" und "Momo" sehr ans Herz gewachsen. Aber ob ich diese als Animationsfilme umgesetzt sehen will, da bin ich mir nicht sicher. Das sind ja zwei komplett unterschiedliche Formen der Geschichtenerzählung und oft sind diese nicht einfach so austauschbar.
fictionBOX: Disney hat Ende letzten Jahres Lucasfilm gekauft und will "Star Wars" wieder zurück ins Kino bringen. Hast du als Jugendlicher auch davon geträumt, an solchen großen Blockbustern mitzuarbeiten?
Unseld: An Filmen zu arbeiten, die man als Kind verehrt hat, ist natürlich immer ein Traum und eine große Ehre. Bei mir war das mit "Toy Story" der Fall, den ich damals
im Kino gesehen hatte und der mich dazu inspiriert hatte, Film- und Computer-Animation zu studieren. Als ich dann 2008 bei Pixar anfing, war das natürlich sehr aufregend und eine sehr große Ehre, dass der erste Film an dem ich dann arbeitete, auch wirklich "Toy Story 3" war.
fictionBOX: Was sind die nächsten Projekte, die für dich bei Pixar
anstehen? Und bist du auch noch an kleineren Projekten
beteiligt, wie du sie z.B. mit dem von dir mitgegründeten "Studio So" umgesetzt hast?
Unseld: Ich arbeite gerade dem Pixar-Film "The Good Dinosaur", der nächstes Jahr rauskommt. Für "Studio So" mache ich keine Projekte mehr, aber ich
arbeite immer an kleinen Projekten, die ich alleine in meiner Freizeit
mache.
fictionBOX: Besten Dank für das Interview!
Das Interview führte Martin Wenzel für fictionBOX.de.
Zuguterletzt möchten wir euch noch auf unser "Monster Uni"-Gewinnspiel hinweisen:
Die Teilnahme an der Aktion ist bis einschließlich 12. Juli 2013 möglich.