Mit: John Hawkes, Helen Hunt, William H. Macy, Moon Bloodgood, Annika Marks, Adam Arkin, Rhea Perlman, W. Earl Brown, Robin Weigert
Kurzinhalt: Journalist und Katholik Mark O'Brien ist seit seinem 6. Lebensjahr an Kinderlähmung erkrankt. Somit blieben ihm viele Ereignisse, die ein gesunder Mensch im Laufe seines Lebens erfahren darf, verwehrt, auch die Liebe. Dennoch hat Mark nie aufgegeben und hat sich zu einem ansehnlichen Dichter und Denker etabliert. Als ihm eines Tages ein Redakteur eine Story zum Thema Sex und Behinderung anbietet, beschließt Mark auch seine Sexualität zu erkunden, dazu gehört auch Sex mit einer tollen Frau. Da er jedoch keine Hoffnung mehr daran verschwenden möchte, die Eine kennenzulernen, mit der er dieses Abenteuer bestreiten kann, verabredet er sich mit einer Ersatzfrau, eine Mischung aus Therapeutin und Prostituierte. Während Letztere den Kunden von sich abhängig machen möchte, ist das Ziel der Ersatzfrau das Sexleben des Patienten so aufzuräumen, dass nach Abschluss der Therapie dieser gesund ins Leben entlassen werden kann. Und eben diese Therapie ist zentraler Gegenstand des Films.
Review: Ben Lewins neuer Film "The Sessions" basiert auf einen Zeitungsartikel mit dem Titel "On Seeing A Sex Surrogate", geschrieben vom echten Mark O'Brien. "The Sessions" ist ein fantastischer Film, der auf leise, humorvolle und charmante, aber auch religiöse Weise das Leben eines Menschen porträtiert, dem aufgrund seiner Krankheit einige große Steine in den Weg gelegt wurden. So muss er z.B. die längste Zeit des Tages in einer sogenannten eisernen Lunge verbringen. Doch trotz dieser Umstände, oder vielleicht gerade wegen dieser Umstände, möchte Mark O'Brien noch einige wichtige Dinge erledigen, dazu gehört auch der Sex. Und so wird der Zuschauer Zeuge von den wenigen Sextherapiestunden mit der Ersatzfrau Cheryl Cohen-Greene.
Vielleicht mag man nun denken, dass es sich bei "The Sessions" um einen Hollywood-Sexfilm handelt, doch dem ist nicht so. Aber wie kann ein Film eigentlich voller Nackt- und Sexszenen sich nur marginal mit Sex beschäftigen? Ganz einfach, "The Sessions" ist ein kein billiger Schund, sondern enthüllt ganz offen die emotionalen und sexuellen Bedürfnisse behinderter Menschen. Man schaut nicht einfach nur einem guten, netten Mann zu wie er versucht das erste Mal Sex zu haben, wie in "Jungfrau (40), männlich, sucht…", sondern man sieht einen Menschen, der zum ersten Mal wagt ein Gefühl für die Liebe und die Zweisamkeit zu finden trotz der schweren Bürde, die ihm das Leben aufgetragen hat. Mark O'Brien wird von John Hawkes gespielt. Hawkes verdient für seine grandiose schauspielerische Leistung nichts als Lob - zu schade, dass er dafür nicht mal für den Oscar nominiert wurde. Hawkes wirkt absolut glaubwürdig, sodass man tatsächlich meinen könnte, er würde an Kinderlähmung erkrankt sein. Aber auch Helen Hunt hat als Cheryl Cohen-Greene ebenfalls einen fantastischen Job gemacht. Die doch recht privaten Szenen, in denen sich beide näher kommen, wirken sehr persönlich, sodass der Zuschauer sich hier und da ein bisschen aufdringlich fühlt.
Ein wichtiger Halt während dieser Entdeckungsreise ist Marks Glaube und damit verbunden sein Freund Pater Brendan, gespielt von William H. Macy, mit dem er über alles reden kann. Doch wie kann man die Kirche und Sex ohne größeres Aufsehen zu erregen unter einen Hut bringen? Während Marks Beichte gibt Pater Brendan die Antwort: "Es überrascht mich, wie oft bei Sexualität von Gott die Rede ist. Ich habe mir sagen lassen, sogar bei Nichtgläubigen ist der gebräuchlichste Ausdruck bei sexueller Ekstase 'Oh Gott'." Er lacht und schaut anschließend kleinlaut zum Altar. Mit solchen wunderbaren Ein- und Zugeständnissen wird Mark O'Brien, der eigentlich ein sehr frommer Mann ist, nicht als Sünder dargestellt wird, sondern er findet bei Pater Brendan stets das Verständnis, die Gnade und Barmherzigkeit, die er ersucht hat. Die Blu-ray zum Film wird diesem gerecht. Neben den zwar wenigen aber dafür schönen Extras, wie die obligatorischen entfallenen Szenen und Szenen hinter den Kulissen, kann die glasklare Bild- und Tonqualität dieses Manko ausbessern. Trotz des ernsten Themas wirkt "The Sessions" recht farbenroh und durch die verwendete Filmmusik alles andere als traurig.
Fazit: "The Sessions" ist ein ungewöhnlicher, aber auch fantastischer Film mit einer großartigen Besetzung und ist jedem, der seit Langem wieder mal einen guten (ruhigen) Geschichte sehen möchte, zu empfehlen.