Mit: Charlotte Rampling, Gabriel Byrne, Hayley Atwell, Eddie Marsan, Jodhi May, Ralph Brown, Max Deacon, Honor Blackman u.a.
Kurzinhalt:
Anna ist eine Frau in ihren 60ern. Sie lebt seit ihrer Scheidung mit ihrer Tochter und Enkelin zusammen in London und versucht auf Speed Datings Männer kennenzulernen, hasst das Prozedere aber eigentlich zutiefst. Eines Abends trifft sie dort jedoch auf Bernie, einen Detective der Londoner Polzei, der gerade einen Mordfall versucht aufzuklären. Dieser sah Anna zum ersten Mal auf seinem Weg zum Tatort und ist seitdem fasziniert, ja fast besessen von ihr…
Review:
Dieser britische Film schwankt zwischen psychologischem Thriller und Einsamkeitsdrama, er ist die Drehbuchadaption des gleichnamigen Romans von Elsa Lewin und das Regiedebüt von Charlotte Ramplings Sohn Barnaby Southcombe. Er versucht sehr krampfhaft, stilsicher zu erscheinen, und wurde größtenteils nachts und in den Stunden des Zwielichts gedreht. Auch wenn er kameratechnisch recht interessant ist, bleiben die Geschichte und ihre Figuren extrem kalt. Das ganze Setting und die ständige Melancholie der Hauptfiguren baut eine fast erdrückende Schwere auf, ohne jemals von einem Krimi-Standpunkt aus interessant zu sein. Anna Welles (Charlotte Rampling, "Dexter") wird am Anfang als Femme Fatale aufgebaut und diverse falsche Fährten rund um den Mordfall gelegt, die dem Zuschauer jedoch von Anfang an unglaubwürdig erscheinen. Die meiste Zeit über beobachtet der Zuschauer Detective Chief Inspector Bernie Reid (Gabriel Byrne, "Vikings") dabei, wie er sich von Anna gefangen nimmt und den Blick für das Offensichtliche verliert - oder zumindest so lange wie möglich verdrängt.
Verdrängung spielt überhaupt die größte Rolle im ganzen Film, und auf ihr baut die große, aber antizipierte Wendung der Geschichte auf. Er verliert auch sehr schnell jeden Anstrich von Krimi. Die sich entwickelnde Beziehung zwischen Bernie und Anna und die aufgetürmten Geheimnisse stürzen "I, Anna" in ein hoffnungslosen Abgrund aus Schwermut. Wer also Verbitterung mit aus dem Kino nehmen will, wird hier ganz sicher nicht enttäuscht. Die beiden Hauptdarsteller sind eigentlich viel zu gut für ihre Rollen und nur ihr Zusammenspiel, ihre Dialoge, zeigen das eigentliche Potential des Films - abseits über-stilisierter Kamerafahrten durch die frühen Morgenstunden und Nahaufnahmen in einsamen, kalten Hotelzimmern. Warum der kürzlich geschiedene Detective sich so plötzlich in diese Frau vernarrt, die er einmal kurz gesehen hat, bleibt insofern unverständlich, da man tatsächlich die meiste Zeit denkt, er folgt ihr, weil sie seine Hauptverdächtige ist. Als er dann jedoch tatsächlich beginnt eine Beziehung zu ihr einzugehen, verliert der Film seine Glaubwürdigkeit und sein Publikum. Ich zumindest bin an diesem Punkt ausgestiegen.
"I, Anna" als Noire-Film zu bezeichnen wäre geschmeichelt, denn auch wenn er filmisch diesen Anstrich besitzt, ist er im Kern etwas ganz anderes. Psychologisch mittelmäßig interessant und dramatisch viel zu übertrieben, macht das alles weder Spaß, noch wird man von einer atmosphärischen Dichte eingefangen. Der Anfang verspricht zu viel, das ultimativ nicht eingelöst werden kann, und viel Zeit geht für überflüssige Seitenschauplätze drauf, die zwar irgendwie mit dem Fall verbunden sind, aber nicht mit der Geschichte. Man muss schon sehr in der Stimmung für diesen Film sein, den man sich jedoch auch irgendwann im Fernsehen zu Gemüte führen kann. Empfehlen kann ich ihn eigentlich nur Fans der beiden Darsteller, aber eben auch nur für Teile des Gesamtwerks. Er hat zumindest die Qualität, dass er einen emotional mitnehmen kann, wenn man sich auf ihn einlässt. Ob man diese Emotionen aber von einem Film in sich auslösen lassen will, steht auf einem anderen Blatt.
Fazit:
Barnaby Southcombe versucht verbissen, zu zeigen was er drauf hat, und wirft an Stilelementen alle modernen Winkel und Lichtverhältnisse in den Film - dem jedoch leider eine kohärente Geschichte fehlt, die auch die beiden hervorragenden Hauptdarsteller nur mäßig mit Leben erfüllen können.