Originaltitel: Elementary, Dear Data Episodennummer: 2x03 Bewertung: Erstausstrahlung USA: 05.12.1988 Erstausstrahlung BRD: 27.04.1991 Drehbuch: Brian Alan Lane Regie: Rob Bowman Hauptdarsteller: Patrick Stewart als Captain Jean-Luc Picard, Jonathan Frakes als Commander William T. Riker, LeVar Burton als Lt. Geordi LaForge, Michael Dorn als Lt. Worf, Diana Muldaur als Dr. Katherine Pulaski , Marina Sirtis als Counselor Deanna Troi, Brent Spiner als Lt. Commander Data, Wil Wheaton als Wesley Crusher Gastdarsteller: Daniel Davis als James Moriarty u.a.
Kurzinhalt:
Die Crew der U.S.S. Enterprise hat ein paar ruhige Tage vor sich, während sie auf die Ankunft der U.S.S. Victory warten. Data und Geordi beschließen, sich die Zeit im Holodeck zu vertreiben, und als Sherlock Holmes und Doctor Watson ein Holoabenteuer zu erleben. Als Data jedoch gleich bei Ankunft ihrer Gäste den kompletten Fall löst, da er diesen bereits kennt, ist er ernüchtert und enttäuscht – hat er sich doch eigentlich darauf gefreut, die Geschichte durchzuspielen. Doktor Pulaski hört ihre Diskussion mit an, und behauptet, dass Data nie ein echter Sherlock Holmes sein könnte, da sein künstliches Gehirn nicht dazu in der Lage sei, einen Kriminalfall zu lösen, deren Auflösung er noch nicht kennt. Data und Geordi nehmen die Herausforderung an. Nachdem es sich bei ihrem ersten Versuch, Pulaski die deduktiven Fähigkeiten von Data zu beweisen, nur um eine Variation bzw. Kombination zweier bereits bekannter Holmes-Abenteuer handelt, weist Geordi den Computer schließlich an, Data mit einem Widersacher zu konfrontieren, der in der Lage ist, ihn zu besiegen. Daraufhin stattet der Computer Holmes größten Widersacher Moriarty mit dem dafür erforderlichen Wissen aus, der daraufhin ein eigenes Bewusstsein erlangt und sich seiner Existenz als Hologramm bewusst wird. Das Spiel beginnt…
Denkwürdige Zitate:"The game is afoot."
(Data geht in der Rolle von Sherlock Holmes so richtig auf.)
"What is it you want?" "The same thing you want for yourself. To continue to exist."
(Ein nachvollziehbarer Wunsch.)
Review:Ich weiß, dass es viele gibt, die Holodeck-Episoden bzw. diesem Einfall der Serienschöpfer generell eher skeptisch gegenüberstehen. Im Sinne von: "Ihr macht eine Serie über die Wunder des Weltalls – und braucht ein Holodeck, um interessante Geschichten erzählen zu können?!" Ich muss jedoch gestehen, diesen Einfall grundsätzlich sehr interessant und vielversprechend zu finden, und kann verstehen, warum sich die Macher dazu entschlossen haben. Es erlaubt einem einfach, etwas Abwechslung in die Serie zu bringen. Mit Hilfe des Holodecks lässt sich ein Western genauso gut umsetzen wie ein Krimi, oder auch eine Hommage an die B-Movie-Science Fiction-Serials der 50er. Natürlich soll und darf solch ein Stilmittel nicht als Notlösung dienen, bloß weil einem sonst gerade keine vernünftige Geschichte einfällt. Aber hin und wieder mit solchen Episoden aus dem üblichen Schema und/oder Setting auszubrechen, dagegen habe ich grundsätzlich nicht das Geringste einzuwenden. Und mir ist lieber, die Crew geht in solchen Fällen aufs Holodeck, als dass es sie auf einen Planeten verschlägt, der zufällig der Erde einer bestimmten Epoche nachempfunden ist (wie z.B. bei "Brot und Spiele" und "Epigonen" aus der zweiten Staffel der klassischen "Star Trek"-Serie).
Bei "Sherlock Data Holmes" greift man Datas Faszination mit Arthur Conan Doyles berühmter literarischer Schöpfung (siehe "Die geheimnisvolle Kraft") wieder auf, und schickt ihn zusammen mit Geordi LaForge als dessen Kompagnon Doctor Watson ins viktorianische London. Was dabei in erster Linie gefallen kann, sind die Ausstattung, die Kostüme und die Bühnenbilder. Bereits ihre Wohnung in der 221b Baker Street wurde sehr gut umgesetzt, aber vor allem die Sets des viktorianischen Londons, herumfahrende Pferdekutschen inklusive, wissen zu beeindrucken. Darüber hinaus gefiel mir auch, dass man sich nach dem fiktiven Dixon Hill hier nur einer "echten", auch uns bekannten literarischen Figur zuwendet – noch dazu einer, die sich selbst sehr schätze. An eine Fusion von "Star Trek" und "Sherlock Holmes" hätte ich vor dieser Episode nie gedacht, letztendlich trifft man damit aber genau meinen Geschmack, da man zwei Dinge miteinander verbindet, die ich sehr schätze. So gesehen wärmt "Sherlock Data Holmes" also auch mein Fan-Herz, und das gleich zweifach. Die Episode zeigt jedoch auch, dass das Holodeck zu mehr gut sein kann, als "nur" etwas Abwechslung bei den Schauplätzen und erzählten Geschichten in die Serie hineinzubringen. Denn als Moriarty sich seiner selbst bewusst wird, erzählt die Episode in weiterer Folge eine Handlung, die ohne das Plotkonstrukt des Holodecks nicht möglich gewesen wäre. Aufgrund von Geordis Anweisung hat der Computer eine Holodeckfigur erschaffen, die weiß, was sie ist; ein eigenständiges, lebendiges Wesen, dass sich seiner Existenz bewusst ist, und nicht einfach nur seiner Programmierung folgt. In "Sherlock Data Holmes" ist Moriarty weniger ein Widersacher, als vielmehr eine tragische Figur. Ein Geist in der Flasche, der sich seiner Umgebung, seinem Ursprung und seiner Existenz bewusst wird, jedoch – vorerst – ohne Chance, die sehr engen Grenzen dieser Existenz zu durchbrechen.
Es ist eben dieser Einfall, den ich an "Sherlock Data Holmes" noch mehr als alles andere daran (wie eben Sherlock Holmes, die Sets, usw.) so sehr schätze. Bei Arthur Conan Doyle war Moriarty quasi eine Notlösung; eine Figur, die aus dem Nichts auftaucht, um das "letzte Problem" des Autors selbst zu lösen: Nämlich wie er sich der Figur entledigen kann, wenn diese doch so genial und clever ist. Doyle erschuf Moriarty, um Holmes umbringen zu können – das war in Wahrheit seine einzige Funktion, und so toll die Geschichte auch ist, Moriarty als Figur ist eher uninteressant; eine umgekehrte Deus Ex Machina ohne nennenswerte Charakterisierung. In "Sherlock Data Holmes" soll Moriarty zwar auch in erster Linie als Widersacher für Holmes bzw. Data dienen, wird jedoch in weiterer Folge so viel mehr. Er möchte eigentlich nichts weiter, als weiterleben. Die Entführung von Pulaski, die Maschine mit der er Einfluss auf die Enterprise nehmen kann – all dies dient nicht der Ausführung eines diabolischen Plans, sondern zur Gewährleistung seiner weiteren Existenz. Die letzte Szene zwischen ihm und Captain Picard, als uns dies bewusst wird, ist einfach nur phantastisch; mehr melancholisch als bedrohlich, aber eben genau dies zeichnet sie für mich u.a. so aus.
Auch der Ausgang dieses angenehm ungewöhnlichen Konflikts gefällt mir: Einerseits wird keine Deus Ex Machina Lösung aus dem Hut gezaubert, um Moriarty doch noch zu erlauben, das Holodeck zu verlassen und seine Existenz in der realen Welt fortzusetzen. Andererseits findet Picard aber wenigstens eine Möglichkeit, ihn als Figur/Persönlichkeit zu sichern, selbst wenn das Programm beendet wird. Damit ließ man auch die Tür für eine potentielle Rückkehr sperrangelweit offen; etwas, von dem man letztendlich ein paar Staffeln später dann auch Gebrauch machen sollte. Es gibt noch weitere Aspekte, die mir gut gefallen konnten. So fand ich die Szene als Data quasi im Vorbeigehen mit seinen Deduktionen einen Mordfall löst, sehr gut geschrieben. Hier beweist Data, dass er sehr wohl über die Fähigkeit verfügt, entsprechende logische Überlegungen anzustellen – leider war Doktor Pulaski da aber gerade unpässlich und hat es daher nicht gesehen. Die schauspielerischen Leistungen sind ebenfalls phantastisch. Dass Data in die Rolle von Sherlock Holmes schlüpft erlaubt es Brent Spiner, aus seinem sonst sehr eingeschränkten mimischen Korsett auszubrechen und eine deutlich lebhaftere Performance zu zeigen. Diana Muldaur bekam hier auch endlich mal etwas Vernünftiges zu tun, und gefiel mir vor allem in ihren gemeinsamen Szenen mit Moriarty. Auch Patrick Stewart beeindruckt vor allem bei seiner Konfrontation mit Moriarty am Ende der Episode mit seiner Bildschirmpräsenz. Am meisten hat mich aber Daniel Davis beeindruckt. Es ist eine stille Performance – die glaubwürdige Darstellung eines englischen Gentlemans – und dennoch verleiht er Moriarty ungemein viel Bedrohlichkeit, Intelligenz und Melancholie. Die letzte nennenswerte Stärke ist dann der Soundtrack von Dennis McCarthy, der sich meinem persönlichen Empfinden nach von der ersten auf die zweite Staffel enorm gesteigert hat.
Und doch ist "Sherlock Data Holmes" auch nicht perfekt und gänzlich ohne Makel. So muss man festhalten, dass die ganz große Spannung wieder einmal fehlt. Vor allem zu Beginn verfolgt man die Episode zwar mit Interesse, aber doch auch ein wenig Gleichgültigkeit. Sie unterhält, ohne sonderlich zu packen; selbst wenn Moriarty scheinbar die Enterprise in der Hand hält wollte sich bei mir kein echtes Gefühl der Bedrohung einstellen. Mein größter Kritikpunkt ist jedoch ein Faux Pas, den andere als vergleichsweise marginal ansehen würden (und der vielleicht sogar manchen gar nicht auffallen wird), mich aber ungemein gestört hat: Wie konnte Data und Picard mit Moriartys Zeichnung der Enterprise das Holodeck verlassen? Hätte sich diese nicht eigentlich auflösen müssen? Gerade auch angesichts der Tatsache, dass eben darin das große Dilemma der Folge liegt – nämlich dass im Holodeck geschaffene Materie nicht aus außerhalb existieren kann – ist das für mich ein derart eklatanter Fehler, dass ich mich frage, wie die Macher den übersehen konnten. Hier rächt es sich, dass man es (wie in meinem Review zu "Der große Abschied" bereits erwähnt) als man diese Technologie erschuf offensichtlich verabsäumt hat, von vornherein klare Regeln festzusetzen, wie diese denn eigentlich funktioniert. Dadurch kann es dann eben schnell zu solchen ärgerlichen Diskrepanzen und Inkonsistenzen kommen.
Fazit:
Es gibt durchaus einige Holodeck-Episoden, die auch mich weniger überzeugen konnten; und vor allem in der Masse wirkt es unplausibel, wie oft diese Technologie für Probleme sorgt. "Sherlock Data Holmes" macht aber auch die zwei größten Stärken dieser Idee deutlich. Einerseits erlaubt es den Machern recht schnell und problemlos, durch einen Schauplatzwechsel etwas Abwechslung in die Serie zu bringen, und gelegentlich Geschichten abseits des Weltraums zu erzählen, und auch ihre Fühler hin und wieder in Richtung anderer Genres auszustrecken. Andererseits steckt in dieser Idee durchaus auch das Potential zu spannenden Geschichten, die man ohne diese Technologie nicht so leicht hätte erzählen können. Im vorliegenden Fall geht es um ein Hologramm, dass sich seiner selbst bewusst wird und hofft, die engen Grenzen seiner Welt verlassen zu können. Und wenn dies schon nicht möglich ist, doch wenigstens nicht aufzuhören zu existieren, sobald jemand das Programm beendet. Ein großartiges Konzept, in dem einige interessante Fragen rund um Leben, Existenz etc. sowie ein angenehmer Hauch von Anspruch und Tiefgang mitschwingen. Darüber hinaus konnten mich vor allem die Verwendung einer meiner literarischen Lieblingsfiguren, die teils beeindruckenden Sets, der gelungene Soundtrack, sowie die tollen schauspielerischen Leistungen (allen voran von Daniel Davis als Moriarty) begeistern. Dass sich "Sherlock Data Holmes" dennoch über keine höhere Wertung freuen kann, liegt einerseits daran, dass die ganz große Spannung gefehlt hat, und andererseits an der Szene, in der Data und Geordi das Holodeck mit dem Zettel Papier in der Hand verlassen, was eigentlich nicht möglich sein dürfte. Es mag kleinlich erscheinen, aber diese Inkonsistenz allein hat der Episode leider einen halben Wertungspunkt in meiner Gunst gekostet.