Kurzinhalt:
Während sie einen fremden Planeten erkunden, wird das Außenteam der U.S.S. Voyager unter dem Kommando von Chakotay von bisher unbekannten Außerirdischen gefangen genommen, und in ein Kriegsgefangenenlager gesteckt. Die Crew beginnt sofort damit, einen Fluchtplan auszuarbeiten – doch ehe man diesen umsetzen kann, wird es noch ein paar Tage dauern. Um sich die Zeit zu vertreiben und auch die Moral zu heben, beschließt man, an jedem Abend quasi am Lagerfeuer zusammenzukommen. Dort erzählt dann die Crew nacheinander aus ihrem Leben, und wie es sie letztendlich auf die U.S.S. Voyager verschlagen hat…
Review:
Wie die Inhaltsangabe schon verrät, dient "Schicksalspfade" in erster Linie dazu, uns die Hauptfiguren aus der Serie näher vorzustellen, und uns einen Blick auf ihr Leben vor der U.S.S. Voyager werfen zu lassen. Da der Roman von Jeri Taylor geschrieben wurde, eine der ausführenden Produzentinnen der Serie, sind die hier geschilderten Ereignisse zudem als Kanon zu betrachten – wobei ich auch gleich gestehen muss, die Serie schon seit einer Ewigkeit nicht mehr gesehen zu haben und mich nicht mehr so genau daran zu erinnern, a) inwiefern die hier enthaltenen Informationen bereits in der Serie vermittelt wurden, und b) ob man diesen in dem einen oder anderen Punkt in weiterer Folge nicht doch noch widersprochen hat. Jedenfalls fand ich diesen Einblick in die Vergangenheit der Figuren sehr interessant, und auch wenn die einzelnen Geschichten in der Qualität ein wenig schwanken, und nicht alle gleich aufschlussreich und unterhaltsam sind, so sind diese nichtsdestotrotz eindeutig das Herzstück des Romans. Mein persönliches Highlight war dabei der Einblick in Tuvoks Leben und seine Psyche – aber auch die anderen Erzählungen hatten ihre Momente, und boten ein paar faszinierende Einblicke in die jeweilige Person. So fand ich es z.B. interessant, dass Tom Paris ein ähnlicher Shuttle-Unfall auf den Leib geschrieben wurde, für den sich Robert Duncan McNeill in einer anderen Rolle vor der Sternenflottenakademie verantworten musste (siehe TNG-Episode "Ein missglücktes Manöver"). Auch die Schilderung von B'Elannas Kindheit oder auch Neelix tragische Vorgeschichte wussten zu gefallen.
Allerdings: Angesichts der Fülle an Figuren, deren Vorgeschichte hier behandelt wird (Chakotay, Harry Kim, Tom Paris, B'Elanna Torres, Neelix, Tuvok und Kes; wobei der Auftritt von letzterer doch etwas konstruiert wirkt), reicht es für alle von ihnen nur für einen eher kurzen Einblick in ihr bisheriges Leben. Selbst rund 650 Seiten sind letztendlich zu wenig, um der Lebensgeschichte der Figuren gerecht zu werden – vor allem, wenn daneben ja auch noch die Rahmenhandlung auf dem Planeten rund 100 Seiten auffrisst. Eben jene Rahmenhandlung ist dann letztendlich auch mein größter Kritikpunkt an "Schicksalspfade". Sie wirkt nur wie ein notwendiges Übel, ist aber für sich genommen nicht sonderlich spannend und/oder interessant. Ich hätte es vorgezogen, man hätte sich diesen doch etwas gezwungen wirkenden Rahmen erspart, und einfach an Bord der U.S.S. Voyager eine Art Geschichtsabend eingerichtet, um sich die Zeit zu vertreiben. Dann wären auch mehr Seiten für die einzelnen Erzählungen übrig geblieben. Außerdem hätte ich es besser gefunden, wenn man die Rückblenden wirklich als Erzählung der jeweiligen Person geschrieben hätte, inklusive Reflexion, Ich-Perspektive etc. Eine solche Lebensbeichte erlaubt durch den Erzählungscharakter einige literarische Kniffe, die von der Autorin leider nicht ausgeschöpft wurden. Die interessanten Einblicke in die – noch dazu kanonische – Vorgeschichte der Figuren machen diese Schwächen aber überwiegend wieder wett.
Fazit:
"Schicksalspfade" erlaubte es der Autorin und ausführlichen Produzentin der Serie, uns einen Blick auf die Vorgeschichte der Figuren werfen zu lassen, für den in dieser Ausführlichkeit im Rahmen der Serie kein Platz gewesen wäre. Darüber hinaus sind die hier enthaltenen Erzählungen überwiegend kanonisch – etwas, das zum Erscheinungsdatum des Romans in den USA ein absolutes Novum war, und ihn auch 15 Jahre später noch ungemein aufwertet. Die einzelnen Geschichten selbst sind zwar nicht alle gleich interessant, schwanken ein wenig in ihrer Qualität, und leiden auch ein wenig unter der doch sehr überschaubaren Seitenzahl die angesichts der Fülle an Erzählungen für jede der Geschichten übrig bleibt; zudem empfand ich es als vertane Chance, diese nicht aus der Ich-Perspektive erzählen zu lassen. Und die Rahmenhandlung stört eher als dass sie etwas zum Gelingen des Romans beitragen würde, und stellt für mich den größten Kritikpunkt an "Schicksalspfade" dar. Dennoch halte ich den Roman aufgrund der interessanten Einblicke in die Vorgeschichte der Crew letztendlich für einen Pflichtkauf für alle Fans der Serie.
Christian Siegel
Bewertung: 3.5/5 Punkten
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