Kurzinhalt:
5.000 Jahre vor der Schlacht von Yavin, während des großen Hyperraumkriegs, stürzt eines der Raumschiffe aus Naga Shadows Flotte auf einem rückständigen Planeten ab. Vom Rest der Sith abgeschnitten und ohne Möglichkeit, diese zu kontaktieren, übernehmen sie die Herrschaft über den Planeten, und dessen Bewohner des einzigen großen Kontinents, den Keshiri. Sie hoffen, eines Tages, wenn der Kampf gegen die verhassten Jedi gewonnen und die Sith die Galaxis regieren, von ihren Brüdern gefunden zu werden. Doch die inneren Konflikte des Ordens machen auch vor diesem verlorenen Stamm der Sith nicht halt. Und auch die Keshiri sind nicht bereit, sich widerstandlos der Herrschaft der Sith zu ergeben. Über die nächsten Jahrtausende entspannt sich so eine Geschichte von Rebellion, Verrat und Chaos, als die Sith nicht nur versuchen, die Keshiri unter Kontrolle zu halten, sondern auch, ein gemeinsames Ziel zu finden, damit dieser verlorene Stamm der Sith geeint bleibt…
Anmerkung:
Der chronologisch gesehen letzte, "späteste" Star Wars-Roman den ich gelesen habe, ist (derzeit) "Die Abtrünnigen", also der erste Band der "Das Erbe der Jedi-Ritter"-Reihe. Ich hinke demnach über 10 Jahre hinterher. Wie ich im Nachwort zur englischen Ausgabe dieser Kurzgeschichtensammlung lesen konnte, spielt dieser vergessene Stamm der Sith in einer späteren Romanreihe (welche möchte ich allen ebenfalls Unwissenden nicht vorwegnehmen) noch eine große Rolle. Gut möglich, dass der Roman, der quasi als Prequel dazu konzipiert wurde und die Vorgeschichte dieses verlorenen Sith-Stammes erzählt, um einiges interessanter wird, wenn man die betreffenden Romane schon gelesen hat. Ich hingegen kann ihn vorläufig nur als eigenständige Geschichte beurteilen.
Review:
"Der vergessene Stamm der Sith" ist ein überwiegend gelungenes und unterhaltsames Buch. John Jackson Miller schafft einige interessante und – angesichts der Tatsache, dass es sich um Sith handelt – teilweise auch überraschend sympathische Charaktere. Dadurch zeichnet er ein etwas differenzierteres Bild der Anhänger der dunklen Seite der Macht. Ja, natürlich gibt es viele Intrigen, interne Streitereien, und schwingen sich die Sith zu den Herrschern des Planeten auf. Und es gibt durchaus ein paar unter ihnen, die dem gewohnten Bild des von der dunklen Seite der Macht verdorbenen Sith entsprechen. Allerdings gibt es auch deutlich gemäßigtere und vernünftigere Stimmen, mit denen man sich gegen die übliche Schwarz/Weiß-Zeichnung Jedi gut, Sith böse wehrt. Eben darin sehe ich aber gewisser Weise auch wiederum ein Problem. Eines der zentralen Themen von "Star Wars" ist die Gefahr der dunklen Seite, die einen unweigerlich auf einen gefährlichen Pfad der Zerstörung – von anderen und auch von sich selbst – führt. Durch die teilweise erstaunlich freundlichen und gemäßigten Sith, die auch längst nicht alle von Zorn und Hass zerfressen zu sein scheinen, wird dies deutlich aufgeweicht.
"Der vergessene Stamm der Sith" besteht aus neun einzelnen Kurzgeschichten. Die ersten acht davon nehmen (in der englischen Ausgabe) jeweils rund 30 Seiten ein, der abschließende Teil ist dann mit rund 120 Seiten in etwa vier Mal so lang. Dies bedeutet, dass den einzelnen zeitlichen Epochen jeweils ein unterschiedlicher Umfang gewidmet ist. Die ersten vier Geschichten widmen sich dem Absturz und den Jahren danach, inklusive des ersten großen inneren Konflikts. Der aus zwei Geschichten bestehende Mittelteil ist in etwa tausend Jahre später angesiedelt, erweist sich jedoch als eher kurzes Intermezzo, dass eine überwiegend unabhängige Geschichte erzählt, und daher vergleichsweise unbedeutend wirkt. Den größten Teil des Romans nehmen dann die letzten drei Geschichten ein, die sich zuerst mit einer interessanten Entdeckung beschäftigen, ehe sich die Sith schließlich im letzten Teil dazu aufschwingen, gemeinsam in den Kampf zu ziehen. Dieser Teil der Geschichte, der etwa 2000 Jahre nach dem Einstieg angesiedelt ist, baut dann wieder deutlich auf dem auf, was zuvor kam, und greift einige vorherige Entwicklungen auf, bzw. beantwortet ein paar der noch offenen Fragen.
Aus dieser rund 2000 Jahre umspannenden Struktur der Geschichte(n) ergibt sich jedoch zugleich eines der wesentlichen Probleme des Romans: Er wirkt doch etwas zerfahren. Vor allem der bereits angesprochene Mittelteil, der gerade mal 60 Seiten ausmacht und kaum in Verbindung mit den Geschichten 1000 Jahre zuvor bzw. danach steht, fällt deutlich ab, da er einfach nicht genug Zeit bzw. Platz hat, um uns die Figuren näher zu bringen und in die Geschichte eintauchen zu lassen. Dies ist aber durchaus ein Kritikpunkt, den der Roman generell plagt – mal mehr, mal weniger. Kaum hat man sich im Figurendschungel zurechtgefunden, weiß, wer wer ist, und wer zu wem und/oder wofür steht, ist die Geschichte auch schon wieder vorbei. Generell bleibt den einzelnen Kurzgeschichten – mit Ausnahme der letzten – aufgrund der geringen Seitenzahl oftmals zu wenig Platz, um wirklich in die Tiefe zu gehen. Nichtsdestotrotz hat diese Herangehensweise natürlich auch einen wesentlichen Vorteil: Statt sich nur auf einen kurzen Zeitausschnitt konzentrieren zu können, wie es bei "Star Wars"-Romanen und –Comics üblicherweise der Fall ist, umspannt "Der vergessene Stamm der Sith" mehrere Jahrtausende, und erzählt so eine epische Geschichte über den Aufstieg eines Imperiums. Insgesamt kann der Roman jedenfalls durchaus überzeugen und gefallen.
Fazit:
Die Struktur des Romans – als Sammlung von neun Kurzgeschichten – erweist sich sowohl als Fluch wie auch als Segen. Einerseits sind die einzelnen Geschichten teilweise etwas kurz, und wirkt die Erzählung durch die teils großen Zeitsprünge etwas abgehackt. Kaum hat man sich im Figurendschungel zurechtgefunden, finden wir uns auch schon in einer neuen Epoche wieder. Vor allem der kurze Mittelteil, der kaum über Verknüpfungen zu den Ereignissen rund 1000 Jahre zuvor und danach verfügt, leider darunter, und fällt qualitativ im Vergleich zum Rest deutlich ab. Dafür erzählt "Der vergessene Stamm der Sith" aber eine epische Geschichte, die mehrere Jahrtausende umspannt, und zudem einen interessanten Einblick in die Kultur und Lebensweise der Sith bietet – wenn mir diese teilweise auch fast schon wieder etwas zu "normal" dargestellt wurden. Jedenfalls: Wer sich für die Vergangenheit der weit weit entfernten Galaxis und/oder die Vorgeschichte dieses vergessenen Stamms der Sith – dem später noch einmal eine größere Rolle zukommen wird – interessiert, dem kann dieser Sammelband durchaus empfohlen werden.