Originaltitel: Jose Chung's 'From Outer Space' Episodennummer: 3x20 Bewertung: Erstausstrahlung USA: 12. April 1996 Erstausstrahlung D: 13. Februar 1997 Drehbuch: Darin Morgan Regie: Rob Bowman Hauptdarsteller: David Duchovny als Special Agent Fox Mulder, Gillian Anderson als Special Agent Dana Scully, Mitch Pileggi als Assistant Director Walter Skinner Gastdarsteller: Charles Nelson Reilly als Jose Chung, Jesse Ventura als 1st Man in Black, Terry Arrowsmith als Air Force Man, Allan Zinyk als Blaine, Sarah Sawatsky als Chrissy, Andrew Turner als CIA Man, Larry Musser als Detective Manners, Alex Diakun als Dr. Fingers, Mina Mina als Dr. Hand, Jason Gaffney als Harold, Michael Dobson als Lt. Schaeffer, William Lucking als Roky Crikenson, Jaap Broeker als Yappi u.a.
Kurzinhalt:
Der Autor Jose Chung besucht Dana Scully im FBI-Büro, um sie zu ihren Erfahrungen mit Aliens, UFOs und angeblichen Entführungen durch Außerirdische zu befragen. Scully beginnt daraufhin, ihm von ihrem letzten großen Fall zu berichten, in dem zwei junge Teenager angeblich von Außerirdischen entführt wurden. Ihre beiden Geschichten widersprachen sich jedoch in wesentlichen Punkten, und auch zwei Hypnose-Sitzungen mit einem der beiden Opfer brachte zwei völlig konträre Stories zum Vorschein. Dennoch verfolgt Mulder den Fall mit seiner üblichen Verbissenheit. Die Berichte anderer Augenzeugen lassen den Fall dann jedoch immer absurder erscheinen…
Review:
"Andere Wahrheiten" ist zweifellos eine köstliche, sehr amüsante Episode; und bisher mit Abstand jene Folge, die am meisten/stärksten auf Humor setzt, und sich in erster Linie als Parodie versteht. Selbst "Krieg der Koprophagen" (ebenfalls von Darin Morgan geschrieben) war hier vergleichsweise ernst. Letztendlich denke ich aber, dass man bei "Andere Wahrheiten" teilweise doch etwas übers Ziel hinausschießt, und der Serie zumindest ansatzweise schadet. Die bisherigen lustigen Episoden haben sich ja immer auf "Monster der Woche"-Phänomene bezogen. Hier behandelt man aber die zentrale Thematik der Serie, nämlich Aliens, UFO-Entführungen etc. Das Ergebnis ist teilweise zum Brüllen komisch, gar keine Frage; allerdings: Um die Mythologie der Serie nicht zu "beschädigen", muss man "Andere Wahrheiten" leider ignorieren. Nicht nur wären sonst auf einem Schlag die Entführungen durch graue Aliens gelöst, mit dem rot beleuchteten Monster-Alien hätten wir auf einmal auch noch ein gänzlich neues Alien-Volk. Das Ergebnis ist eine Folge, die zwar wunderbar unterhält, die man aber letztendlich ignorieren und/oder als Fan-Fiction bzw. Fan-Parodie abtun muss, um die größere Mythologie der Serie nicht zu schädigen; was sie etwas überflüssig erscheinen lässt.
Sieht man über diesen Kritikpunkt hinweg, lässt sich mit "Andere Wahrheiten" aber ungemein viel Spaß haben. Das beginnt schon mit der unerwarteten, lustigen Wendung zu Beginn, als die vermeintlichen Alien-Entführer selbst von Aliens entführt werden. Es ist nur der erste von vielen amüsanten Momenten und lustigen Einfällen. Das Zigaretten rauchende Alien war ebenso phantastisch wie die ausge*bleeb*ten Schimpfworte und die zahlreichen parodistischen Anspielungen auf andere Serien und Filme, wie die Men in Black (wenn auch die Auflösung deren Identität für mich hinter den Erwartungen zurückblieb; vor allem mit dem nur in den USA bekannten Game Show-Host Alex Trebek fängt man hierzulande herzlich wenig an) oder auch das zu einem Berg geformte Kartoffelpüree ("Unheimliche Begegnung der dritten Art" lässt grüßen). Auch das Alien-Autopsie-Video (mit "billiger", "Akte X"-artiger Musik) wird hier neuerlich aufgegriffen, und auch der Yappi (aus "Der Hellseher") hat dort einen weiteren Auftritt. Oftmals sind es auch nur ganz kleine Momente, wie z.B. wenn der Kerl zu seiner Freundin sagt "Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas geschieht", und keine 5 Sekunden wird sie von den Aliens geschnappt. Auch der Aufbau der Episode gefällt mir sehr gut, mit der Erzählung durch Scully, welche dabei natürlich immer wieder ihre Skepsis anklingen lässt, und dem Notizen nehmenden Autor, der daraus ein Buch machen will. Wunderbar finde ich auch die Anspielung auf den – zufälligerweise erst vor wenigen Tagen verstorbenen – Effekt-Künstler Ray Harryhausen, dem mit dem "roten" Alien zu Beginn Tribut gezollt wird. Und auch die phantastische, abwechslungsreiche und teilweise überraschend gefühlvolle Musik von Mark Snow muss hier neuerlich positiv hervorgehoben werden.
Wunderbar ist auch der Autor Jose Chung getroffen; vor allem die Darstellung von Charles Nelson Reilly finde ich phantastisch. Er verleiht der Figur eine gewisse "Ausgeticktheit" (keine Ahnung, wie ich es besser beschreiben könnte). Und auch unter den auf "Akte X" abzielenden parodistischen Elementen finden sich viele Schmankerln, wie z.B. Scullys "I guess this doesn't have the sense of closure you want" am Ende der Episode. Und als wäre das nicht schon genug, liefert uns Jose Chungs in seinem Abschlussmonolog (auch dies erinnert an die Monologe, die sonst am Ende der Folgt oft von Mulder und Scully gehalten werden, um die Ereignisse der Episode noch einmal zu rekapitulieren) dann genau jenen "sense of closure", dessen Fehlen Scully zuvor noch beklagt hat; ist "Andere Wahrheiten" doch eine der abgeschlossensten Episoden der Serie. Wunderbar auch der letzte Satz, der die humoristischen Töne der Folge hinter sich lässt, und die Episode auf schon fast tiefsinnige Art und Weise abschließt: "For although we may not be alone in the universe, in our own separate ways, on this planet, we are all alone."
Fazit:
"Andere Wahrheiten" ist zweifellos eine ungemein amüsante Episode mit zahlreichen gelungenen Gags, witzigen Einfällen und humoristischen (und parodistischen) Anspielungen sowohl auf die Serie als auch auf zahlreiche andere Werke des "Science Fiction"-Genres. Bei jenen Episoden, die in erster Linie auf Humor setzen, ziehe ich aber dennoch "Krieg der Koprophagen" leicht vor. Die war zwar nicht unbedingt lustiger, fügte sich aber meines Erachtens besser ins "Gesamtkunstwerk Akte X" ein – während sich "Andere Wahrheiten" auf die Mythologie bezieht, sich mit dieser aber nicht in Einklang bringen lassen will. Von diesem Kritikpunkt abgesehen war die Episode aber absolut köstlich, und mit vielen wunderbaren, unvergesslichen Szenen gespickt.