Originaltitel: Colony Episodennummer: 2x16 Bewertung: Erstausstrahlung USA: 10. Februar 1995 Erstausstrahlung D: 21. Dezember 1995 Drehbuch: Chris Carter & David Duchovny Regie: Nick Marck Hauptdarsteller: David Duchovny als Special Agent Fox Mulder, Gillian Anderson als Special Agent Dana Scully Gastdarsteller: Mitch Pileggi als Assistant Director Walter Skinner, Peter Donat als William Mulder, Brian Thompson als Bounty Hunter, Dana Gladstone als Landon Prince/Gregor, Megan Leitch als Samantha Mulder, Tom Butler als CIA Agent Ambrose Chapel, Tim Henry als Federal Marshal, Andrew Johnston als Agent Weiss, Rebecca Toolan als Mrs. Mulder, Ken Roberts als Motel Proprietor, Michael Rogers als 1st Crewman, Oliver Becker als 2nd Doctor u.a.
Kurzinhalt:
Fox Mulder erhält eine E-Mail mit mehreren Todesanzeigen. Alle wurden innerhalb von wenigen Tagen ausgestellt und betreffen Ärzte, die in Abtreibungskliniken gearbeitet haben – und alle zeigen dasselbe Gesicht. Dass es sich um Drillinge handelt, erscheint eher unwahrscheinlich – es scheint zwischen den Männern keine Verbindung zu geben. Tatsächlich kann Mulder auch kaum Unterlagen über sie finden. Er geht daher davon aus, dass es sich bei ihnen um das Ergebnis eines Klon-Experiments handelt – und nun jemand versucht, die Beweise dafür zu beseitigen. Doch wer steckt dahinter? Bei ihren Nachforschungen treffen sie auf einen CIA-Agenten, der den Fall ebenfalls untersucht. Dieser behauptet, einem russischen Killer auf der Spur zu sein – soll es sich bei den Ärzten doch um russische Spione handeln, die nun aus dem Verkehr gezogen werden sollen. Mulder und Scully sind sich unschlüssig, ob sie seine Geschichte glauben sollen, beschließen aber, vorerst mit ihm zusammenzuarbeiten. Man erfährt, dass es noch weitere Ärzte gibt, die ebenfalls diesem Klon-Experiment entstammen. Diese dürften wohl das nächste Ziel des unbekannten Killers sein. Doch mitten in ihren Ermittlungen kommt es zu einer höchst unerwarteten Wendung, als Mulder wegen einer dringenden privaten Angelegenheit nach Hause gerufen wird: Seine Schwester Samantha ist zurückgekehrt…
Review:
Zuletzt gab es ja doch immer wieder einige Akte X-Folgen, denen es nur sporadisch gelang, mein Interesse zu wecken und/oder Spannung zu erzeugen. Nicht so "Die Kolonie – Teil 1", die es von Beginn an geschafft hat, mich zu packen – und das durchgehend. Hauptverantwortlich dafür ist natürlich das Stilmittel, uns ein späteres Ereignis zuerst zu zeigen, und damit die Frage aufzuwerfen, wie es dazu kam, und was genau passiert ist. Mulders Kommentar zu Beginn, wie man ihn in kritischem Zustand in ein Militärkrankenhaus bringt, Scully zu seiner Rettung eilt und darauf besteht, dass man ihn kalt hält – mit diesem phänomenalen Einstieg gelang es der Episode, von der ersten Sekunde an mein Interesse zu wecken. Damals war dieses Stilmittel ziemlich revolutionär. Heutzutage sehe ich es ja schon deutlich kritischer, und ziehe es insgesamt doch eher vor, eine Handlung chronologisch zu verfolgen, und noch nicht zu wissen, was später passieren wird –was aber vor allem auch daran liegt, wie sehr dieses Stilmittel in den 0er-Jahren in Mode kam. Dort wurde es derart oft verwendet, dass es mich mittlerweile einfach nur mehr nervt. Das ist aber natürlich nichts, dass dieser Episode anzulasten ist, wo dieser Kniff noch ziemlich neu war.
Auch nach diesem Einstieg gelang es "Kolonie – Teil 1" ein kontantes, hohes Unterhaltungsniveau beizubehalten, und mich förmlich an den Fernsehbildschirm zu fesseln. Eine Wendung, Entwicklung und Offenbarung jagt hier die nächste. So geht es nach dem Intro und dem Zeitsprung zwei Wochen in die Vergangenheit gleich packend und mysteriös weiter, als wir unseren ersten Blick auf den Kopfgeldjäger erhaschen, der mit seinem markanten Aussehen und seiner stoischen Art ebenfalls sofort das Interesse des Zuschauers weckt. Die ein- und ausfahrende Nadel ist auch einmal ein originelles Tötungsinstrument, und bleibt im Gedächtnis haften. Das Blut das aus den Opfern – den Klonen – hervortritt ist grün, säurehaltig und für Menschen hochgradig giftig. Zudem offenbart sich uns kurz darauf, dass der Kopfgeldjäger nicht nur unnachgiebig und skrupellos ist, sondern zudem die Fähigkeit besitzt, sein Aussehen bzw. seine Form zu verändern. Natürlich ist all das nicht unbedingt neu. Mit seiner stoisch-skrupellosen und unnachgiebigen Art – der Verfolger, der niemals aufgibt – erinnert er wohl nicht von ungefähr an den "Terminator". Auch das markante, harte Gesicht, das keinerlei Emotionen erkennen lässt, erinnert ein wenig an Arnold Schwarzenegger. Seine Fähigkeit, eine andere Gestalt anzunehmen, dürfte wiederum vom T-1000 (der von Robert Patrick gespielt wurde – der wiederum kurioserweise in weiterer Folge ja ebenfalls eine Rolle in der Serie übernehmen sollte) inspiriert sein. Und das mit der Säure als Blut weckt wiederum Erinnerungen an "Alien". "Akte X" baut diese einzelnen entlehnten Elemente aber derart geschickt und überzeugend in die eigene Mythologie ein, dass es dennoch nicht negativ auffällt. Allein das ist schon keine kleine Leistung.
Auch abseits des Kopfgeldjägers ist die Handlung sehr spannend, und weiß die Geschichte der Episode – deren Drehbuch übrigens von Chris Carter und David Duchovny geschrieben wurde – zu gefallen. Bereits der angebliche UFO-Absturz in der Arktis weckte gleich mein Interesse. Danach rückt dann das Mysterium rund um die gleich aussehenden Ärzte, die noch dazu alle demselben Beruf nachgehen, in den Mittelpunkt. Bei diesen handelt es sich scheinbar um Klone – doch wer ist für diese verantwortlich, und wonach haben sie in ihren Experimenten geforscht? Als einer der Ärzte beim Anblick des – vermeintlichen – CIA-Agenten aus dem Fenster springt, wissen wir bereits, was hier gespielt wird, und dass es sich um den Kopfgeldjäger handelt – Mulder und Scully wissen zu diesem Zeitpunkt aber natürlich noch nichts von seiner Fähigkeit, was die nachfolgende Verfolgungsjagd ungemein spannend werden lässt. Und als wäre all das nicht schon genug an interessanten Mysterien, Offenbarungen und Wendungen, kommt nach rund zwei Dritteln dann der absolute Knaller: Mulders Schwester Samantha ist zurück!
Als Mulder auf seinen Vater zugeht und ihn fragt "Who's mum talking to?", und dieser darauf mit "Your sister" antwortet, bekam ich selbst beim erneuten Sehen noch eine Gänsehaut. Damit beschert uns "Akte X" pünktlich zur 40. Folge den ersten magischen Moment der Serie. Das Wiedersehen ist auch durchaus berührend, und weiß somit auch emotional zu begeistern. An dieser Stelle passt einfach alles, angefangen vom Drehbuch über die schauspielerischen Leistung bis hin zur Inszenierung von Nick Marck und der Musik von Mark Snow. Samanthas Geschichte ist dann ebenfalls sehr faszinierend. Was diese Szenen – und damit auch die Episode an sich – unter anderem auch so auszeichnet, ist das Gefühl, dass wir hier zum ersten Mal definitive Antworten erhalten, anstatt nur von einer Frage zur nächsten zu hetzen. Dies vermittelt auch den Eindruck, dass sich der Handlungsbogen zum ersten Mal so richtig weiterbewegt, und einen großen Sprung nach vorne macht. Eben dies trägt das seine dazu bei, dass alle Szenen rund um Samanthas Rückkehr derart zu begeistern vermögen. Jedenfalls ist es letztendlich – trotz aller Stärken und tollen Szenen zuvor und danach – vor allem auch diese Wendung, die für mich hauptverantwortlich dafür ist, dass die Episode ein innerhalb der Serie bislang unerreichtes Qualitätsniveau erreicht. Was danach kommt, ist allerdings auch nicht zu verachten. Die Fähigkeit des Kopfgeldjägers, sein Aussehen zu verändern, macht u.a. auch die Szene mit Scully im Bus ungemein spannend, wo ihr Blick von einem Fahrgast zum nächsten wandert. Die Szene mit den vier Ärzten (wenn auch deutlich ist, dass hier zwei Aufnahmen der Zwillinge zusammengesteckt wurden) weiß dann ebenfalls zu gefallen, wie auch der tragische Ausgang dieser Rettungsmission, als der Kopfgeldjäger doch alle vier erwischt.
Und dann ist da natürlich noch der Cliffhanger. Moment, lasst mich das anders formulieren: Und dann ist da natürlich noch der Cliffhanger. Wie scheinbar Mulder durch die Tür tritt, Scully den Hörer abnimmt, und dort dann Mulders Stimme hört (und sich ihr Besucher somit als der gefährliche Kopfgeldjäger offenbart) – einfach nur der Hammer! Sicherlich mit Abstand der bislang beste Cliffhanger der Serie – und ganz ehrlich, soweit ich mich erinnern kann, kam selbst danach an dieser Szene kaum mehr einer heran. Das war in Konzeption und Ausführung einfach nur perfekt. Zugegeben, "perfekt" ist ein Prädikat dass man "Die Kolonie – Teil 1" in seiner Gesamtheit nicht unbedingt verleihen kann. Insbesondere die Art und Weise, wie sich Mulder und Scully ständig verpassen – und dann auch noch der Hotelangestellte darauf vergisst, Scully die Nachricht von Mulder auszurichten – wirkt schon etwas konstruiert und unglaubwürdig. Und überhaupt: Verwenden die beiden nicht sonst immer Mobiltelefone? Wer unbedingt krampfhaft ein Härchen in der Suppe entdecken will, wird somit zweifellos auch bei "Die Kolonie – Teil 1" fündig. Will ich aber nicht! Dafür ist alles andere an dieser Folge einfach zu grandios.
Fazit:
"Die Kolonie – Teil 1" ist die erste absolut großartige Folge der Serie. Sofern man den inneren Vulkanier zu Hause lässt, stimmt hier einfach alles. Der damals noch durchaus innovative inszenatorische Kniff zu Beginn sorgt dafür, dass sofort das Interesse des Zuschauers geweckt wird. Auch die weitere Geschichte rund um den außerirdischen Kopfgeldjäger, die Klone etc. ist sehr spannend, interessant und wendungsreich. Der absolute Höhepunkt ist aber natürlich die Rückkehr von Mulders Schwester Samantha, die "Akte X" auch den ersten Gänsehautmoment der Serie bescherte. Komplettiert wird der begeisternde Gesamteindruck von einem unglaublich genial ausgedachten und umgesetzten Cliffhanger, nach dem man die nächste Episode schon gar nicht mehr erwarten kann. Das Prädikat "perfekt" wäre vielleicht angesichts kleinerer, letztendlich jedoch vernachlässigbarer Kritikpunkte etwas zu viel des Guten, aber auf "grandios" können wir uns einigen.