Mit: Jessica Chastain, Kyle Chandler, Jason Clarke, Jennifer Ehle, Harold Perrineau, Jennifer Ehle, Mark Strong, James Gandolfini u.a.
Kurzinhalt:
Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 intensivieren amerikanische Geheimdienste wie der CIA ihre Bemühungen, die Terrororganisation Al-Qaeda zu zerschlagen und ihre Anführer – allen voran Osama Bin Laden – zu ergreifen. Verdächtige werden in geheimen Gefangenenlagern verhört und gefoltert, um Informationen über geplante Terroranschläge und die Strukturen von Al-Qaeda zu erhalten. Auch die junge Agentin Maya, die neu in Islamabad angekommen ist, ist bei einigen dieser Verhöre anwesend. Als sie von einem der Gefangenen einen Hinweis bekommt, sieht sie darin den Schlüssel zur Ergreifung Bin Ladens. In den nächsten 10 Jahren folgt sie dieser Spur unerbittlich und gegen alle – auch interne – Widerstände…
Review:
"Zero Dark Thirty" hat in den USA eine handfeste Kontroverse ausgelöst. In ihrem neuesten Film zeigt Kathryn Bigelow nämlich einige drastische Foltermethoden – und das auf erstaunlich sachliche Art und Weise. Weder verdammt sie diese Methoden, noch legitimiert sie diese. Sie zeigt einfach nur schonungslos, kalt und sachlich auf, was sich in amerikanischen Gefängnislagern, die Terror-Verdächtige inhaftieren, nach dem 11. September zugetragen hat – und überlässt es dem Zuschauer, sich dazu eine Meinung zu bilden. Etwas, womit der eine oder andere wohl überfordert war – anders sind Vorwürfe wie jener, dass Bigelow mit diesem Film Folter rechtfertigen und unterstützen würde, nicht zu erklären (Aufmerksame werden bemerken, dass Maya die entscheidende Information erst bekommt, nachdem man mit der Folter aufgehört hat, und den Verdächtigen endlich wieder wie einen normalen Menschen behandelt). "Zero Dark Thirty" will diesbezüglich keine Antwort geben – sondern viel mehr unangenehme Fragen stellen. Sind solche Verhörmethoden gerechtfertigt, wenn die Möglichkeit besteht, dass man dadurch Informationen zu einem bevorstehenden Terroranschlag erhält, und man damit viele Leben retten könnte?
Natürlich hat sich im letzten Jahrzehnt bereits die Thrillerserie "24" immer wieder kritisch mit dieser Thematik auseinandergesetzt – allerdings war diese schon immer in erster Linie zur Unterhaltung gedacht, und stellte nie einen Anspruch auf Realismus und/oder Plausibilität. "Zero Dark Thirty" vermischt hingegen Fiktion mit realen Ereignissen – daher haben die entsprechenden Szenen eine deutlich größere Wirkung, und eben deshalb traf der Film wohl auch bei manchen einen Nerv, was die teils heftigen Reaktionen erklären dürfte. Jedenfalls fand ich es als eine der größten Stärken des Films, dass sich Bigelow diesem Thema mit Offenheit und Ehrlichkeit widmet, und es ambivalent behandelt. Eine weitere ist die Tatsache, dass der Film zumindest bis zu einem gewissen Grad reale Ereignisse behandelt. Ja, Maya selbst ist eine Erfindung des Films bzw. des Drehbuchautors Mark Boal, und eine Verschmelzung verschiedenster CIA-Agenten, die mit der Jagd auf Bin Laden befasst waren. Manches wird bewusst zugespitzt, und anderes ist offenkundig frei erfunden. Durch die Vermischung dieser fiktiven Elemente mit realen Ereignissen entsteht jedoch ein sehr eigenwilliger und überaus effektiver Mix. Vieles mag Spekulation sein, aber alles in allem wirkt die hier erzählte Geschichte durchaus plausibel und glaubwürdig. Eine weitere wesentliche Stärke des Films ist Jessica Chastain, die in Maya ihre wohl bisher beste Rolle gefunden hat. Viele kritisieren, dass wir von Maya nicht viel erfahren, und man sie – mit einer Ausnahme – nie in ihrer Freizeit sieht. Für mich ist jedoch genau das der Punkt des Films. Maya lebt nur, um Bin Laden zu fangen – die Suche nach ihm ist das, was ihr Leben bestimmt. Alles andere ist sekundär. Zudem schaffte Mark Boal mit ihr eine starke Frauenfigur, die zwar offensichtlich die Foltermethoden verabscheut, und diesen dennoch beiwohnt. Jessica Chastain spielt sie jedenfalls phantastisch, mit viel Energie und Härte – lässt jedoch in bestimmten Momenten auch ihre Gefühle und ihre Verletzlichkeit durchblitzen.
Bereits die ersten gut 1-1/2 Stunden des Films sind gelungen, und überzeugen immer wieder mit spannenden und/oder nahegehenden Momenten. Der Höhepunkt des Films ist für mich aber ganz klar die Mission, um Osama Bin Laden zu stellen. Obwohl uns der Ausgang bekannt ist, schafft es Kathryn Bigelow an dieser Stelle, eine enorme, fast erdrückende Spannung zu erzeugen. Es ist vor allem dieser Teil des Films, der teilweise an "Tödliches Kommando" erinnert, und wo es ihr gelingt, eine ähnlich dichte Stimmung aufzubauen. Zudem spart sie auch in diesem Teil des Films nicht mit so manchen drastischen Szenen. Insgesamt ist dieser Einsatz für mich jedenfalls das Herzstück des Films. Doch auch dessen Nachspiel fand ich großartig, allen voran Mayas Reaktion, als sie Bin Ladens Leiche identifiziert. Und vom irritierenden "blinzle und du verpasst es"-Gastauftritt von Mark Valley abgesehen finde ich auch die letzte Szene des Films einfach nur grandios. In der Tatsache, dass Maya keine Antwort auf seine Frage gibt, steckt noch einmal alles, dass wir über die Figur wissen müssen. Es ist ein ungemein effektiver Moment, der "Zero Dark Thirty" mit einem weiteren Höhepunkt ausklingen lässt.
Trotz dieser Stärken bin ich der Ansicht, dass es Kathryn Bigelow mit ihrem neuesten Film nicht ganz gelingt, an "Tödliches Kommando" anzuknüpfen. So stellt "Zero Dark Thirty" zwischendurch stellenweise die Geduld des Zuschauers doch etwas auf die Probe. Eine etwas straffere Erzählweise hätte jedenfalls meines Erachtens gut getan. Auch ist der Film derart auf Maya (kon)zentriert, dass alle Figuren um sie herum praktisch zu Statisten verkommen. Lediglich Jason Clarke als Chef-Folterer vermochte auf mich Eindruck zu machen, alle anderen fielen mir weniger wegen ihren Rollen auf, als dass ich unweigerlich daran denken musste, woher ich sie kenne (Der Papa aus "Super 8", Michael der Verräter aus "Lost", der junge Owen Lars aus "Star Wars – Episode II: Angriff der Klonkrieger", der Dauerbösewicht aus zig Filmen des letzten Jahrzehnts [Mark Strong], und sogar Tony Soprano!). Ein Effekt, der gerade auch bei einem so auf Realismus getrimmten Film wie "Zero Dark Thirty", der spekulativ über wahre Ereignisse erzählen will, fehl am Platz wirkte und mich immer wieder aus der Geschichte riss (ähnlich erging es mir damals z.B. auch beim Gastauftritt von David "Sledge Hammer" Rasche bei "Flug 93" – dort war es aber wenigstens nur ein bekanntes Gesicht). Insgesamt hätte ich es jedenfalls vorgezogen, wenn Bigelow bis auf Chastain auf überwiegend unbekannte, unverbrauchte und vor allem auch unvorbelastete Gesichter gesetzt hätte – zumal "Zero Dark Thirty" nichts dazu tat, ihre Figuren besser vorzustellen und dadurch die Erinnerung an ihre frühere Rollen zu verdrängen. Mein letzter Kritikpunkt ist dann ein extrem vorhersehbares Ereignis ca. in der Mitte des Films, mit dem man zwar Maya eine nachvollziehbare Motivation für ihre Besessenheit geben mag, Osama Bin Laden zu fassen, dabei jedoch aufgrund ihres fahrlässigen, naiv wirkenden Verhaltens den involvierten Figuren keinen Gefallen tut, und ihr Ansehen beim Zuschauer rückwirkend schädigt. Möglicherweise hat es sich ja wirklich so zugetragen, keine Ahnung. Mir kam es jedenfalls so wie es umgesetzt wurde etwas übertrieben und wenig nachvollziehbar vor.
Fazit:
"Zero Dark Thirty" mischt auf spannende, interessante und effektive Art und Weise Doku-Drama mit einem fiktionalen Thriller. Dabei stechen vor allem drei große Stärken hervor: Jessica Chastain in der Titelrolle, der sachliche Umgang mit dem Thema Folter – der den Zuschauer dazu anregt, sich Gedanken darüber zu machen, statt einfach nur eine vorgegebene Message zu predigen – sowie die ungemein packende Sequenz des Angriffs auf Osama Bin Ladens Versteck. Als Schwächen sind mir in erster Linie die eine oder andere Länge zwischendurch, ein etwas gar naives Verhalten etwa zur Mitte des Films, sowie die vielen bekannten Gesichter negativ aufgefallen. Vor allem letzteres war dem Pseudo-Doku-Charakter des Films in meinen Augen nicht zuträglich, und drückte auf die Authentizität, die Kathryn Bigelow ansonsten trotz offensichtlicher fiktiver Elemente erfolgreich zu vermitteln vermochte. Insgesamt nicht ganz das Highlight, dass ich mir erhofft hatte, aber dennoch zweifellos ein sehr gelungener und stellenweise ungemein packender Film, der auf interessante Art und Weise die (möglichen, fiktiven) komplexen Hintergründe einer simplen Schlagzeile vermittelt.