Kurzinhalt:
Frank hat einen ganz schlechten Tag. Seine verwöhnte Tochter, die er schon seit Wochen nicht gesehen hat, will ihn am Wochenende nicht wie eigentlich vereinbart besuchen kommen. Nach Anschuldigungen bezüglich sexueller Belästigung, nachdem er mit einer Kollegin geflirtet hat, verliert er seinen Job. Und als wäre all das nicht schon genug, erfährt er von seinem Arzt, dass er einen inoperablen Hirntumor hat, und nur mehr wenige Wochen zu leben hat. Als er am darauffolgenden Abend allein zu Hause ist, ist er kurz davor, sich in seiner Verzweiflung das Leben zu nehmen, doch eine Reality-Show über verwöhnte Teenager rettet ihm vorläufig das Leben. Denn Frank ist über die verwöhnte Göre, die sich darüber beschwert, zu ihrem sechzehnten Geburtstag von ihren Eltern das falsche Auto bekommen zu haben, derart erzürnt, dass er beschließt: Wenn er schon sterben wird, dann nimmt er sie mit. Am nächsten Morgen bricht er zur High School auf, und setzt seinen Plan in die Tat um. Die 16-jährige Roxy wird Zeuge des Mordes – und findet das, was er getan hat, einfach nur cool. Doch warum jetzt aufhören? Gibt es nicht noch viele andere Menschen, die ebenfalls den Tod verdienen? Und so begeben sich die beiden auf einen blutigen Amoklauf quer durch die USA…
Review:
"God Bless America" hat mich an "Super" erinnert. Auch dort hat sich ein verlorener, vom Leben enttäuschter Mann namens Frank aufgeschwungen, um brutal gegen jene vorzugehen, die seiner persönlichen Vorstellung von Moral widersprechen – und bekam schließlich tatkräftige Unterstützung einer unangebracht jungen Dame, die mit ihrem jugendlichen Enthusiasmus seinen Rachefeldzug auf bis dahin unbekannte Höhen gehoben hat. Nur dass sich Frank und Roxy nicht in eigens zusammengeschusterte Kostüme schmeißen und sich als Superhelden oder maskierte Rächer betrachten. Vom Konzept her sind beide aber sehr ähnlich: Neben des schwarzen Humors, zeichnet sie vor allem der moralische Zwiespalt aus, den sie bei mir ausgelöst haben – kam ich doch nicht umhin, mit vielen (wenn nicht gar allen) Positionen und Tiraden von Frank zuzustimmen. Dies machte es mir unangenehm leicht, mit Frank zu sympathisieren – wenn es auch natürlich für seine Taten keine Entschuldigung gibt.
Jedenfalls hat es der Film geschafft, mir selbst einen höchst unangenehmen Spiegel vorzuhalten. Natürlich ist "God Bless America" Fiktion, wo man – gerade auch, wenn das Geschehen mit derart viel schwarzem Humor umgesetzt wird, der deutlich macht, dass man den Film nicht zuuuu ernst nehmen sollte – ein derartiges Verhalten eher akzeptieren und entschuldigen kann, als in der Realität. Und doch war ich überrascht, dass Frank und Roxy trotz ihres brutalen und oftmals auch sehr willkürlichen Rachefeldzugs bis zuletzt meine Sympathien nicht verloren haben, und es einen bestimmten Punkt im Film gab, wo ich beiden sogar gewünscht hätte, davonzukommen. Denn es war zumindest für mich erschreckend leicht, mit Frank zu sympathisieren – richtet sich sein Hass doch nicht gegen Ausländer, Homosexuelle und andere Randgruppen, wie es bei der politischen Rechten der Fall ist, sondern eben gegen die Hassprediger, Populisten, und jene, welche die Kranken und Schwachen, die sich nicht wehren können, für ihre eigenen Zwecke (meist: Unterhaltung) missbrauchen. Es gibt unzählige Einblendungen fiktiver (überwiegend Reality-)TV-Shows, welche zwar leicht satirisch überzeichnet sind, aber wohl näher an der Realität dran sind, als uns das allen recht sein kann und sollte. Bob Goldwaith schafft es sehr gut, die Wurzel dessen herauszuarbeiten, was in unserer Gesellschaft – eben nicht nur in den USA, sondern durchaus auch hierzulande – schief läuft. Zumindest ich stimmte mit Frank in der Sache überein – aber natürlich nicht mit seinen Methoden. Eben dies machte den Film für mich ungemein interessant.
Davon abgesehen ist er aber natürlich vor allem eins: Sehr unterhaltsam. Der stete (meist pechschwarze) Humor macht den Film ja in vielerlei Hinsicht erst erträglich, und macht viel von dessen Reiz aus. Auch Joel Murray und Tara Lynne Barr in den Hauptrollen müssen positiv hervorgehoben werden, vollbringen sie doch eine tolle Leistung, und tragen ebenfalls maßgeblich dazu bei, dass ich sie trotz ihrer verabscheuungswürdigen Taten doch auch irgendwie ins Herz geschlossen habe. Das Einzige, was ich "God Bless America" gegenüber kritisieren würde, ist dass der Ton teilweise doch etwas zu predigend wird, und sich manche Aussagen und Vorwürfe von Frank (und in einem geringeren Maße auch Roxy) doch mit der Zeit wiederholen. Zuletzt noch ein Wort der Warnung: Es gibt eine Szene, in der Leute in einem Kinosaal erschossen werden. Für mich persönlich hielten sich – vom Tatort abgesehen – die Überschneidungen zu den realen Ereignissen in Aurora ausreichend in Grenzen, damit diese Szene keinen zu fahlen Beigeschmack hinterlassen hat. Dennoch hielt ich es für wichtig, euch diesbezüglich vorzuwarnen.
Fazit:
"God Bless America" ist ein feines, kleines, pechschwarzhumoriges, bitterböses und wütendes Stück Independent-Kino, in dem Bob Goldwaith seinen Frust an unserer Gesellschaft über seine amoklaufenden Figuren herauslässt, und uns dazu einlädt, gemeinsam mit ihm und seinen Protagonisten Dampf abzulassen. Für mich persönlich bot der Film jedoch mehr als reine Unterhaltung, da er mich als Zuschauer – wie "Super" vor ihm – konstant auf die Probe gestellt hat, was meine Sympathien zu den Hauptfiguren betrifft. Wie weit bin ich bereit, mit ihnen zu gehen, ab wann hört sich der Spaß auf? Der humoristische und satirisch-überzeichnete Ton machte es mir dabei erschreckend leicht, bis zum bitteren, blutigen Ende – zumindest bis zu einem bestimmten Grad – auf ihrer Seite zu stehen. So gesehen ist "God Bless America" nicht einfach nur höchst unterhaltsam (so man dieser Art des Humors etwas abgewinnen kann) und – man verzeihe mir das Wortspiel – ein "Mordsspaß", sondern auch sehr entlarvend, da er dem Zuschauer einen Spiegel vorhält und ihn dazu einlädt, über sich und die eigenen moralischen Grundsätze zu reflektieren.