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Alexandre Aja: Interview zu Maniac, Piranha und Cobra Space Pirate Drucken E-Mail
"Künstler sollten mit Konventionen brechen!" Kategorie: Interviews - Autor: Martin Wenzel - Datum: Montag, 14 Januar 2013
 
Seit Ende Dezember läuft "Maniac" in den deutschen Kinos. Das Remake des gleichnamigen Kultfilms von 1980 erzählt die Geschichte des Serienkillers Frank (Elijah Wood), der nachts Frauen umbringt, skalpiert und entkleidet. Mit den dabei gesammelten Trophäen schmückt Frank seine Schaufensterpuppen in dem Glauben, ihnen so Leben einhauchen zu können. Alexandre Aja war an dem Film als Produzent und Drehbuchautor beteiligt. Aus diesem Anlass präsentieren wir euch ein exklusives Interview, in dem Aja über seine Arbeit als Filmemacher, aktuelle Projekte und die Möglichkeiten der digitalen Technologie spricht.

Alexandre Aja (rechts) und Elijah Wood (links) bei den Dreharbeiten von MANIAC



fictionBOX: Mit dem Original-"Maniac" von 1980 hast du dir wieder eine sehr blutige Vorlage ausgesucht. Du gehörst zum sogenannten "Splat Pack", dessen Mitglieder (Robert Rodriguez, James Wan, Neil Marshall, Eli Roth u.a.) vor allem für extrem brutale und bizarre Filme bekannt sind. Worum geht es euch dabei? Wollt ihr provozieren und das Horror-Genre aufmischen? Oder steckt etwas anderes dahinter?
Alexandre Aja: Ich denke, die Bezeichnung "Splat Pack" wurde für diejenigen von uns erfunden, die einen Stil entwickelt haben, dem jüngere Generationen vorher noch nie ausgesetzt waren. Ich kann nur für mich selbst sprechen, und meine Filme sind motiviert von Geschichten rund ums Überleben, nicht von grundloser Gewalt. Es muss als erstes immer um Charaktere gehen, mit denen das Publikum mitfühlen kann, bevor man an Provokation oder an die Schockwirkung denkt.

fictionBOX: Was hältst du von der sogenannten "New French Wave", zu der auch dein Film "Haute Tension" gezählt wird? Siehst du in dieser Welle des neuen französischen Horrorkinos noch Potential oder ist das alles eigentlich schon längst wieder abgeflaut?
Alexandre Aja: Ich hab leider viele der aktuellen Filme der New French Wave verpasst, weil ich in den letzten Jahren durch "Maniac", "Piranha 3D" und andere Projekte sehr beschäftigt war. Aber ich freu mich schon drauf, mir z.B. "The Horde" anzuschauen. Ich bin sehr glücklich darüber, dass "Haute Tension" dazu beitragen konnte, diesen neuen Weg für die französische Filmbranche zu ebnen. Ich wünschte mir nur, die französischen Produzenten wären mutiger und würden auch größere Genre-Filme produzieren. Spanien ist da ein positives Vorbild mit Filmen wie "The Orphanage" und anderen.

fictionBOX: "Haute Tension" war für dich der internationale Durchbruch. Bald darauf wurdest du auch von Hollywood entdeckt. Welche Veränderungen haben sich daraus für deine Arbeit als Regisseur, Produzent und Drehbuchautor ergeben? Hattest du dieselben kreativen Freiheiten wie vorher?
Alexandre Aja: Natürlich muss man etwas von seiner kreativen Kontrolle abgeben, wenn man unter der Aufsicht eines amerikanischen Studios arbeitet. Du musst mehrere unterschiedliche und manchmal gegensätzliche Meinungen befriedigen. Aber weil Filmemachen grundsätzlich ein gemeinschaftlicher Prozess ist, sehe ich das eher als Herausforderung für mich.

fictionBOX: In den letzten Jahren hab ich immer wieder davon gelesen, dass du an einem SciFi-Film namens "Cobra: The Space Pirate" arbeitest. Inzwischen ist es etwas still darum geworden. Soll dieses Projekt nach wie vor umgesetzt werden? Manche Fans glauben ja sogar, dass daraus eine große Space Opera im Stil von "Star Wars" werden könnte. 
Alexandre Aja: Ja, das werde ich definitiv noch umsetzen! Es ist eine Mischung aus SciFi, Fantasy, technologischem Futurismus und der Romantik amerikanischer Western. Ich denke, aus dieser Melange unterschiedlicher Stilrichtungen könnte tatsächlich ein großes Franchise entstehen, sowas wie eine Mischung aus "Mr. and Mrs. Smith" und "Pirates of the Caribbean" im Weltall. Schon in meiner Kindheit war ich von "Cobra" regelrecht besessen und es war für mich immer ein Traumprojekt. Glücklicherweise habe ich Buichi Terasawas Segen und Vertrauen, dieses Projekt nah am Original zu entwickeln, aber immer noch modern genug, um eine neue Fanbase auf der ganzen Welt anzusprechen.

fictionBOX: "Star Wars" und "Star Trek" hatten zwar auch ihre düsteren Momente, waren aber eher familienfreundlich angelegt. Wie schon gesagt, bist du vor allem für knallharte, blutige Filme bekannt. Wird "Cobra" also sowas wie ein action-geladenes Gorefest im Weltall?
Alexandre Aja: Ich will, dass sich "Cobra" hauptsächlich an ein junges Publikum richtet und dabei weniger auf Horror und Gore setzen. Ich würde mich diesmal lieber auf die Abenteuer- und Action-Elemente konzentrieren. Natürlich darf es trotzdem einen speziellen Humor sowie Ecken und Kanten haben. Aber weil es ein so stilistisch reichhaltiges Projekt ist, möchte ich es auch visuell besonders eindrucksvoll gestalten.

fictionBOX: Kommen wir nun zu deiner letzten Regie-Arbeit: 2010 hast du mit "Piranha 3D" durchgeknallten Horror-Trash im Stil der 80er-Jahre abgeliefert. Inzwischen ist auch die Fortsetzung erschienen, diesmal unter der Regie von John Gulager. Worauf muss sich das Publikum bei den "Piranha"-Filmen gefasst machen?
Alexandre Aja: Auf einen Guilty-Pleasure-Popcorn-Film! Es ist eine Achterbahnfahrt vollgestopft mit Nervenkitzel, Ekelmomenten und wilder Herumfummelei. Stell dir eine Vergnügungsfahrt vor, die sowas wie Freizeitpark-Feeling ins Heimkino bringt. Es gibt jede Menge Gore- und Nacktszenen, die aber mehr komödiantisch und weniger erschreckend präsentiert werden.

fictionBOX: In den "Piranha"-Filmen sind Kult-Schauspieler wie Christopher Lloyd, Ving Rhames und Richard Dreyfuss zu sehen. Wie war es für dich, mit diesen Stars zusammenzuarbeiten?
Alexandre Aja: Diese Schauspieler bringen alle eine weit zurückreichende Kino-Vergangenheit mit, die immer auch irgendwie Einfluss auf die Entstehung des Films hatte. Christopher Lloyd, Richard Dreyfuss und Ving Rhames - um nur einige zu nennen - sind Schauspielikonen. Allein schon ihre Anwesenheit flößte uns großen Respekt im Umgang mit den Referenzen zu ihren früheren Rollen ein. Dadurch wird die satirische Qualität unseres Films noch verstärkt. Richard war bei den Dreharbeiten zu "Piranha 3D" sehr humorvoll und nutzte jede Gelegenheit, um sich über sich selbst lustig zu machen. Er hat die Intention seiner Rolle im Film verstanden - der Monsterhai aus "Der Weiße Hai" hat es nicht geschafft, ihn fertigzumachen, also bekommen nun unsere winzigen Piranhas die Chance dazu! Der Tag, an dem wir mit Christopher Lloyd gedreht haben, war einer der intensivsten Tage, die wir hatten, weil wir 24 Stunden rund um die Uhr arbeiten mussten, ohne auch nur eine Verschnaufpause. Er ist jedoch die ganze Zeit über perfekt in seiner Rolle geblieben und ich gab ihm alle Freiheiten, so over-the-top wie nur möglich zu sein, was letztlich zu einer der bemerkenswertesten Szenen des Films führte.

fictionBOX: Stars wie Christopher Lloyd und Richard Dreyfuss waren vor allem in den 1970ern und 80ern populär. Die Originalvorlage zu "Maniac" stammt ebenfalls aus den frühen 80ern. Kannst du dich mit dieser Film-Ära besser identifizieren? Was ist für dich der Unterschied zwischen älteren und moderneren Filmen?
Alexandre Aja: Mit "Piranha 3D" wollte ich die Filme feiern, die mich in meiner Jugend beeinflusst haben und eine Hommage an die B-Movies der 80er Jahre erschaffen, mit der Technologie von heute. Das "Piranha"-Franchise hat immer jede Menge Sex, Blut und Spaß geliefert. Ich wollte das wiederbeleben und das Franchise mit einem neuen Twist zurückbringen. Die Filme der 70er und 80er waren interessant, weil sie oftmals ganz unterschiedliche Genres wie Comedy und Horror miteinander vermischt haben. Sie waren sehr selbstironisch, humorvoll, satirisch und trotzdem angsteinflößend. Die Studios empfanden es jedoch oftmals als schwierig, sowas zu vermarkten, also starben solche Filme langsam aus. Und stattdessen verschrieben sich viele Filmemacher lieber formelhaften Stories mit einer sehr monotonen Grundstimmung. Ich denke nicht unbedingt, dass die Filme damals besser waren, aber ich denke, sie hatten ein größeres Spektrum an Geschichten und Stilmitteln, und genau dieses reichhaltige cineastische Erlebnis würde ich gern einfangen.

fictionBOX: Kurz vor der Veröffentlichung von "Piranha 3D" sagte James Cameron ("Avatar", "Terminator"), der Film sei ein Beispiel dafür, wie man mit der 3D-Technologie nicht umgehen sollte. Was hältst du von seiner Meinung und wie stark war dein Einfluss bei der Arbeit an den digitalen Effekten?
Alexandre Aja: Klar, wenn man 3D nur für Effekthascherei benutzt, kann es das Kinoerlebnis des Publikums einschränken und man schöpft die damit verfügbaren Möglichkeiten nicht voll aus. Ich hatte mir "Piranha" immer als dreidimensionalen Film vorgestellt, von den ersten Entwürfen bis hin zum ersten Drehtag. Wer meint, diese Idee wäre erst nachträglich entstanden, irrt sich. Das Studio hat mich dabei nicht beeinflusst, es war von Anfang an meine Entscheidung. Das Grundkonzept eines B-Movies ist auf Effekthascherei und Exploitation ausgelegt. Also warum sollten wir nicht das beste derzeit verfügbare Werkzeug benutzen, um genau diese Elemente herauszukitzeln und das Filmvergnügen damit noch zu verstärken? 3D ist eine relativ junge Technologie und wie bei jeder anderen Kunstform sollte es den Filmemachern erlaubt sein, es in all seinen Extremen auszutesten. Wo wären wir denn heute, wenn Monet nicht die klaren Linien der Zeichenkunst durchbrochen und mit seinem Pinsel wild herumexperimentiert hätte? Alle Künstler sollten Wagnisse eingehen und mit Konventionen brechen, um etwas Neues erschaffen zu können! Meine Beteiligung am 3D-Prozess war sehr direkt. Ich habe Monate an Arbeit mit unserem Technikanbieter investiert und ihm ständig detailiertes Feedback zu allen Bildstörungen geschickt, die mir auffielen. Ich gab für jeden Frame Anweisungen, welche Einstellungen noch mehr herausgestellt werden sollten, und habe mich dabei intensiv mit Fragen wie Extreme Negative Parallax vs. Positive Parallax beschäftigt. Und während das Endresultat überwiegend positiv ankam, wollte ich es eigentlich sogar noch extremer haben. Leider war unser Budget und unsere Zeit zu begrenzt, um es so umzusetzen.

fictionBOX: Würdest du eigentlich mehr praktische als digitale Effekte verwenden, wenn sie inzwischen nicht zu teuer und aufwendig wären? Das "Maniac"-Orginal von 1980 ist ja gerade wegen der herausragenden praktischen Effekte von Tom Savini zum Kultklassiker geworden.
Alexandre Aja: Ich bevorzuge es, eine Mischung aus praktischen und digitalen Effekten zu verwenden. Praktische Effekte lassen die Modelle und Prosthetics, die in den Rohaufnahmen verwendet werden, authentischer wirken. Aber um sie innovativ zu gestalten, kann der Einsatz zusätzlicher Technologie hilfreich sein. Digitale Technologie erlaubt eine größere Flexibilität und Bewegungsfreiheit sowie nahtlosere Übergänge und vielfältigere Editing-Möglichkeiten. Es erlaubt außerdem, ein komplett neues animiertes Objekt in einer photorealistischen Art zu erschaffen, wie nur CGI sie möglich macht. Zum Beispiel hatten wir damals einige praktisch hergestellte Piranha-Modelle verwendet, aber erst durch die digitale Nachbearbeitung konnten wir ihre Bewegungen und ihre Atmung einigermaßen realistisch darstellen.

fictionBOX: Alexandre, vielen Dank für das aufschlussreiche Interview und viel Erfolg mit "Maniac"!
Alexandre Aja: Herzlichen Dank und viele Grüße nach Deutschland!

Das Interview führte Martin Wenzel für fictionBOX.de.

Zuguterletzt möchten wir euch noch auf unser "Maniac"-Gewinnspiel hinweisen:

Zum Gewinnspiel

Die Teilnahme an der Aktion ist bis einschließlich 14. Juni 2013 möglich.


Weiterführende Links:
ManiacDerFilm.de
"Maniac"-Review
Aja bei IMDB
Cameron über "Piranha 3D"

Bildquelle: Pressematerial (c) Ascot Elite Filmverleih GmbH




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