Kurzinhalt:
Nach seiner Amnesie verbringt James Bond ein knappes Jahr in Japan, ehe er nach Moskau aufbricht. Kurze Zeit später klopft er beim MI-6 in London an die Tür. Dieser hat 007 in der Zwischenzeit für tot erklärt und ist daher sehr skeptisch. Schließlich gelingt es ihm aber, sie von seiner Identität zu überzeugen. Als James Bond dann allerdings einen Mordanschlag auf seinen Boss M unternimmt, wird klar, dass der Geheimagent in Russland einer Gehirnwäsche unterzogen wurde. In einem "Resort" wird 007 wieder geheilt, und auf eine letzte, alles entscheidende Mission gesetzt: Er soll den Attentäter Francisco Scaramanga, der wegen seiner Schießkünste gefürchtet wird, ausschalten. Gelingt ihm dies, bleibt er weiterhin beim MI-6 angestellt; scheitert er und stirbt bei dem Versuch, so würde er sich damit zumindest ehrenvoll und mit intakter Würde aus dem Dienst des Secret Service verabschieden…
Review:
"Der Mann mit dem goldenen Colt" war der letzte "James Bond"-Roman, der von Ian Fleming geschrieben wurde. Zwar gelang es ihm grundsätzlich, das Buch vor seinem Tod fertig zu stellen, jedoch kam er nicht mehr dazu, den Erstentwurf noch weiter zu verfeinern und da und dort noch ein wenig auszuarbeiten. Das Ergebnis ist ein Roman, dem man an der einen oder anderen Stelle leider doch anmerkt, dass der Autor nicht mehr ganz auf der Höhe seines Schaffens war, und wo noch ein oder zwei Überarbeitungen – die leider nicht mehr erfolgen konnten – dem Endprodukt gut getan hätten. So ist die Erzählung nicht nur von der Seitenzahl her, sondern auch inhaltlich eher dünn. Scaramanga ist, trotz einiger netter Verknüpfungen zum organisierten Verbrechen, doch ein eher uninteressanter Feind, dem es leider (im Gegensatz zu z.B. Goldfinger) auch in seinen Interaktionen mit 007 nicht so recht gelingt, zur Geltung zu kommen. Letztendlich hat man teilweise das Gefühl, dass Bond hier nicht gegen einen "Superbösewicht", sondern eher gegen einen etwas größenwahnsinnigen Handlanger antritt. Auch die Nebenfiguren müssen teilweise leider den Vergleich mit früheren Kreationen scheuen. Vor allem die Bordellleiterin May kam bei mir irgendwie überhaupt nicht zur Geltung. Dafür wurde wenigstens Mary Goodnight endlich mal aufgewertet – dennoch konnte auch sie sich nicht mit den besten Sidekicks und/oder Bond-Girls messen.
Sehr kritisch sehe ich auch den Einstieg rund um den gehirngewaschenen 007. Ich verstehe schon, das Ian Fleming seine Leser mit dem Attentat überraschen wollte, und uns deshalb seine Zeit bei den Sowjets nicht zeigen konnte, dennoch kam das irgendwie völlig aus dem Nichts. Viel schwerer wiegt aber, dass es zudem auch nirgends so richtig hinführt. Bond wird wieder umprogrammiert (genau wie bei der ursprünglichen Gehirnwäsche sind wir bei dieser Prozedur nicht dabei) und auf Scaramanga angesetzt. Letztendlich wäre der Roman in keinster Weise anders verlaufen, wenn man sich sein Attentat auf M geschenkt hätte. Narrativ und dramaturgisch erweist es sich somit leider als gänzlich überflüssig. Immerhin… nachdem man 007 nach Jamaika geschickt hat und der Geheimagent Scaramangas Spur aufnimmt, dreht auch "Der Mann mit dem goldenen Colt" endlich langsam auf. Dabei konnten mir neuerlich vor allein die Einblicke in Bonds Gedankenwelt sehr gut gefallen; während die Lokalitäten und Personen leider im Vergleich mit dem Bond-Gesamtkunstwerk etwas hinter dem Durchschnitt zurückbleiben. Positiv fand ich aber den Auftritt von Felix Leiter; ich finde es schön, dass bei Bonds Abschiedsvorstellung (zumindest chronologisch betrachtet, und wenn man nur die Ian Fleming-Romane heranzieht) sein Alter Freund ihm die Aufwartung macht. Es gibt vereinzelte Spannungsspitzen, und nach einem etwas konfusen Showdown auf dem Zug konnte mich dann vor allem das letzte "Duell" zwischen Bond und Scaramanga begeistern. Fast wünschte ich, Ian Fleming hätte sich das letzte Kapitel gespart (oder 007 seine Kündigung schicken lassen, der sich daraufhin mit Mary Goodnight zurückgezogen hätte) und das weitere Schicksal des Geheimagenten offen gelassen. Dafür beschert er seiner Figur aber wenigstens einen versöhnlichen, ruhmreichen Abschied.
Fazit:
"Der Mann mit dem goldenen Colt" ist nur bedingt ein würdiger Abschied des Geheimagenten – zumindest, was die Romane von Ian Fleming betrifft. Scaramanga ist als Feind nicht interessant genug; noch schlimmer erwischt es sogar die Nebenfiguren, die im Vergleich zu früheren Protagonisten teils nur sehr skizzenhaft ausgearbeitet sind und kaum Eindruck bei mir hinterließen. Skeptisch sehe ich auch den Einstieg rund um die Gehirnwäsche, sowie das allerletzte Kapitel; ein etwas offeneres Ende hätte ich vorgezogen. Trotz dieser Mankos waren die Interaktionen zwischen Bond und Scaramanga teilweise ganz nett, die Einblicke in die Gedankenwelt von 007 neuerlich gelungen, und nach der netten (wenn auch etwas konfusen) Konfrontation auf dem Zug konnte mich der Showdown dann restlos begeistern. Insgesamt leider kein Highlight – weshalb sich James Bond bedauerlicherweise nicht mit einem Knall verabschiedet – aber dennoch gute, solide Agenten-Unterhaltung.
Christian Siegel
Bewertung:
3/5 Punkten
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