Kurzinhalt:
Nach dem Tod von Tracy ist James Bond oftmals betrunken, und vermasselt beim MI-6 zwei Missionen. M denkt daher darüber nach, ihn zu entlassen, doch der Psychiater der Abteilung meint, er solle ihm noch eine letzte Chance geben: Einen zwar nicht unbedingt gefährlichen, aber vermeintlich unmöglichen Auftrag, und damit eine Herausforderung, in der sich 007 verbeißen kann. Und so wird James Bond nach Japan geschickt, um sich mit dem dortigen Leiter des Geheimdienstes, Tiger Tanaka, zu treffen. Die Japaner arbeiten eng mit den Amerikanern zusammen, aber der MI-6 erhält kaum Informationen von der dortigen Stelle. Besonders interessiert wäre man am Zugang zu einer Dechiffriermaschine. Über mehrere Wochen hinweg trifft sich Bond mit Tanaka, und gewinnt langsam aber sicher seinen Respekt. Dank einer ersten Information kann auch bereits ein Plan des russischen Geheimdienstes vereitelt werden. Um dem MI-6 vollen Zugang zur Maschine und den daraus resultierenden Informationen zu gewähren, verlangt Tiger Tanaka jedoch eine Gegenleistung: James Bond soll für ihn Doktor Guntram Shatterhand ausschalten, der auf einer abgelegenen Insel eine Burg des Todes erbaut hat, zu der Japaner hinreisen können um auf verschiedenste Arten Selbstmord zu begehen. Als er ein Photo von Shatterhand sieht, erkannt James Bond seinen Erzfeind Ernst Stavro Blofeld wieder…
Review:
Als jemand, der bislang nur die James Bond-Filme kannte (diese dafür in- und auswendig) und die Bücher von Ian Fleming zum ersten Mal liest, war ich schon davon überrascht, wie "Man lebt nur zweimal" an die tragische Wendung am Ende von "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" anknüpft und die Geschichte fortsetzt. Bei den Filmen hat man "Man lebt nur zweimal" ja vor "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" gestellt, was da und dort zu Problemen führte (wie z.B. dass sich Blofeld und Bond nicht zu erkennen scheinen). Außerdem musste man dadurch den Rache-Aspekt herausnehmen – wobei der Film generell mit dem Roman nur mehr am Rande zu tun hatte. Dafür wurde James Bond dann im nachfolgenden "Diamantenfieber" auf Rachefeldzug geschickt. Etwas ähnliches hätte ich mir eigentlich auch bei der Romanvorlage von "Man lebt nur zweimal" erwartet. Stattdessen scheint James Bond nach dem Tod von Tracy in eine tiefe Melancholie verfallen zu sein, und jedweden Antrieb verloren zu haben. Da war er ja zu Beginn von "Im Geheimdienst Ihrer Majestät" deutlich mehr daran interessiert, Blofeld aufzuspüren und ihn zur Strecke zu bringen! Ein bisschen irritiert hat mich dies schon, und ich muss insgesamt sagen, dass ich die Handlung in der "Verfilmung" interessanter und packender fand – denn was die Spannung betrifft, dreht die Romanvorlage erst in den letzten Kapiteln so richtig auf.
Davor ist "Man lebt nur zweimal" eine Mischung aus Charakterstudie und Kommentar zur japanischen Kultur – wobei ich über letztere leider nicht genug weiß (schon gar nicht was die damalige Zeit betrifft) um zu beurteilen zu können, wie akkurat Ian Flemings Beschreibung ist, oder inwiefern seine Schilderung auf Klischees, Hörensagen und Vorurteile basiert (immerhin fanden sich auch in der Vergangenheit in seinen Romane schon einige unschöne Vorurteile). Unabhängig davon fand ich den Einblick in die japanische Kultur – oder zumindest, wie Ian Fleming sie beschreibt und sie sich vorstellt – durchaus interessant. Die Streitgespräche zwischen Tiger und James sind zudem teilweise sehr amüsant, und machen die Unterschiede beider Kulturen deutlich. Auch die Beschreibung des Lebens im Fischerdort hat mir gut gefallen. Es war grundsätzlich zwar mal ein tonal und inhaltlich sehr anderer, aber deshalb noch lange nicht schlechter Bond-Roman, mit zahlreichen amüsanten Stellen. So stach für mich z.B. auch die lobenswerte Erwähnung von David Niven hervor, der lustiger- und zufälligerweise nur wenige Jahre später in "Casino Royale" in die Rolle des Geheimagenten schlüpfen sollte. So richtig dreht "Man lebt nur zweimal" dann allerdings erst beim Finale auf, wo sich 007 auf Blofelds Insel schleicht, die Todesfallen umgeht und schließlich ins Schloss eindringt, nur um dort gefangen genommen zu werden.
Die nachfolgende Konfrontation zwischen Blofeld und ihm war packend geschrieben (wenn Blofeld mit seiner Selbstverliebheit und seiner Einbildung, es würde sich bei ihm um ein verkanntes Genie handeln, teilweise etwas übers Ziel hinausschießt, und ich ihn als cleveren Leiter einer Verbrecherorganisation bedrohlicher und überzeugender fand denn als verrückter Wissenschaftler), und vor allem der Showdown war dann sehr spannend umgesetzt. Im vorletzten Kapitel lesen wir dann einen Nachruf von M auf Bond, und eigentlich hatte ich schon erwartet, dass "Man lebt nur zweimal" recht offen enden und die Frage, ob Bond noch lebt oder gestorben ist offen lassen würde. Den Nachruf selbst fand ich jedenfalls wunderbar geschrieben, und es wäre aus meiner Sicht ein herrlicher Schlusspunkt für den Roman gewesen. Leider kommt danach noch ein Kapitel, mit dem ich wenig bis gar nichts anfangen konnte. Zugegeben, Anfang der 60er war die Amnesie einer Figur noch kein gar so bekanntes und abgenutztes Plotkonstrukt, dennoch finde ich so eine Wendung aus Sicht des Autors immer sehr bequem. Generell hat mich das komplette letzte Kapitel nicht wirklich überzeugt. Wenn James Bond nicht sein Gedächtnis verloren sondern vielmehr entschieden hätte, dass er mit seinem früheren Leben fertig ist, und lieber bei Kissy bleiben soll, hätte ich das für ein schönes, rundes, schlüssiges und befriedigendes Ende gehalten. Aber so wie es hier umgesetzt wurde, hinterließ es bei mir leider doch einen eher bitteren Nachgeschmack.
Fazit:
21 Kapiteln lang war "Man lebt nur zweimal" auf dem besten Weg, zu den bisher besten James Bond-Romanen aufschließen zu können – doch alles rund um die Amnesie hat mich leider überhaupt nicht überzeugt, weshalb das letzte Kapitel bei mir doch einen ziemlich bitteren Nachgeschmack hinterließ. Davon abgesehen hat mir aber auch "Man lebt nur zweimal" wieder sehr gut gefallen. Es ist einmal ein ganz anderes, sehr ungewohntes Bond-Abenteuer, bei dem die Spannung erst in den letzten paar Kapiteln in den Vordergrund rückt, und davor einer interessanten Charakterstudie sowie der Betrachtung der japanischen Kultur platz macht. Trotzdem sind bereits die ersten zwei Drittel sehr unterhaltsam, und mit einigen netten Dialogen und interessanten Szenen bestückt. So richtig spannend wird es dann aber erst gegen Ende hin, und die letzte Konfrontation zwischen Bond und Blofeld vermochte dann durchaus, meine in sie gehegten Erwartungen zu erfüllen. Aufgrund des enttäuschenden letzten Kapitels lautet mein Urteil letztendlich aber dennoch: Der Film war besser.
Christian Siegel
Bewertung:
3.5/5 Punkten
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