Mit: Oskar Werner, Julie Christie, Cyril Cusack, Anton Driffing u.a.
Kurzinhalt:
In einer dystopischen Zukunft rückt die Feuerwehr nicht mehr aus, um Feuer zu löschen, sondern vielmehr, um es zu legen – genauer gesagt, um Bücher zu verbrennen. Guy Montag ist einer dieser Feuerwehrmänner, der seinem Beruf gewissenhaft – und zugleich ohne Gewissen – nachgeht, und kurz vor einer Beförderung steht. Seine Frau verbringt die meiste Zeit teilnahmslos zu Hause, vor einer Videoleinwand, die belang- und sinnlose Beschäftigung für die Massen bietet. Nach der Bekanntschaft einer lebensfrohen, eigenwilligen jungen Dame aus seiner Nachbarschaft kommen Guy Montag jedoch zunehmend Zweifel an seinem Beruf, und er beginnt, Interesse für jene literarischen Werke zu entwickeln, die er eigentlich vernichten soll…
Review:
Ich erwähne es zwar im Laufe meiner Reviews immer wieder, aber da ich nicht erwarten kann, dass jeder jedes Review von mir liest, und sich noch dazu daran erinnert, sei es auch hier noch einmal erwähnt: Ich habe eine Vorliebe für düstere Zukunftsvisionen. So gesehen spricht mich "Fahrenheit 451" genau an. Was mir an diesem besonders gut gefällt, ist das auf den ersten Blick eigentlich alles eitel Wonne zu sein scheint – vom Umstand der Bücherverbrennungen abgesehen. Die Menschen scheinen glücklich zu sein, man hat nicht das Gefühl, dass sie unterdrückt werden – und genau das ist das perfide daran, und der wahre Geniestreich dieser Dystopie. Denn der Schrecken spielt sich nicht auf der Oberfläche, sondern vielmehr darunter ab. Wissen und Phantasie werden unterdrückt, um die Bevölkerung ungebildet, kleingeistig und gefügig zu halten, und zu verhindern, dass diese auf die Idee kommen, ihre Situation zu hinterfragen und in weiterer Folge vielleicht sogar gegen die Obrigkeit zu rebellieren. "Verräter", die Bücher besitzen, können über eine Art Briefkasten anonym angezeigt werden. Die Bücher werden verbrannt, der Übeltäter wird eingesperrt und "resozialisiert".
Die normale Bevölkerung vegetiert zu Hause vor Videoleinwänden, die unsinniges übertragen, vor sich hin. Sie sind Automaten, die Tabletten einwerfen, die ihnen suggerieren, sie seien glücklich. Die Menschen leben nicht, sie existieren nur – und verdummen zusehends. Eine anspruchslose, geistig degenerierte Herde, die sich leicht gefügig machen und kontrollieren lässt. Für mich ist das eine der erschreckendsten Zukunftsvisionen, die je auf Film (oder auf Papier) gebannt wurden. Und am erschreckendsten daran finde ich, dass sie sich auszugsweise in unserer Gegenwart finden lässt. Schaltet mal das Fernsehgerät unter Tags ein. Es ist unglaublich, was da teilweise für ein Mist gezeigt wird. Manches davon scheint nicht mehr weit von jenen Sendungen entfernt zu sein, mit denen die Masse in "Fahrenheit 451" beschäftigt wird. Generell scheint die Mehrheit solche Unterhaltung vorzuziehen, die sie nicht dazu auffordert, zu viel nachzudenken. Nur dass in der Realität diese "Zensur" nicht vom Staat ausgeht, sondern von der Bevölkerung selbst. Gelesen wird hingegen immer weniger, und das Bildungsniveau scheint stetig nachzulassen. Ein immer größerer Teil der Jugend wird immer leichter manipulierbar, und folgt zusehends jenen, die am lautesten schreien – unabhängig davon, was sie denn schreien, und ob ihr Geschrei überhaupt Sinn ergibt. Und wenn man versucht, ihre Standpunkte zu hinterfragen und sie wachzurütteln – so wie dies Montag im Film versucht – erntet man Unverständnis. Und ich merke gerade: Das hat – von der Tatsache abgesehen, dass er heute immer noch so aktuell und als Warnung so bedeutsam erscheint wie vor 46 Jahren – überhaupt nichts mit dem Film zu tun, und gehört nun wirklich nicht hierher. Sorry, meine Frustration ist mit mir durchgegangen. Zurück zu "Fahrenheit 451":
Was mich neben der perfide subtilen Dystopie besonders anspricht, ist die Ray Bradbury's Roman entstammende Idee, dass Bücher verboten sind, und just von der Feuerwehr verbrannt werden. Auch wenn ich mich in erster Linie auf Reviews zu Filmen und Serien konzentriere, und diese definitiv meine größte Leidenschaft sind, bin ich nichtsdestotrotz seit meiner Kindheit ein absoluter Bücherwurm. Bereits in der Volksschule war ich regelmäßig in der Schulbibliothek, um mir Kinderbücher auszuborgen und in ihnen zu schmökern. In den folgenden 25 Jahren (Mann, kommt man sich alt vor, wenn man so etwas tippt) hat sich an meiner Leidenschaft für das geschriebene Wort nichts geändert. Es vergeht kaum ein Tag, an dem ich nicht lese. Der Gedanke, dass Bücher verboten sein könnten… es ist für mich genauso unvorstellbar, wie ein Verbot von Filmen, oder von Musik. Lesen regt die Phantasie an, vermag es, einen in fremde Welten zu entführen, uns zum Nachdenken anzuregen, uns zu berühren, uns zu lehren und (fortzu)bilden, und unseren Horizont zu erweitern. Der kulturelle Verlust, der mit einem Verbot einhergehen würde, ist für mich ungemein beängstigend.
Auch wenn "Fahrenheit 451" das apokalyptische Ende der Romanvorlage ausspart, gibt es zahlreiche grandiose Momente; die meisten davon aus dem Roman übernommen, einige auch der Phantasie der Drehbuchautoren entstammend. Der dramaturgische Höhe- und Wendepunkt ist wohl, als die ältere Dame sich und ihre Bücher selbst anzündet. Phantastisch inszeniert, und sehr nahegehend. Auch davon und danach gibt es zahlreiche grandiose Momente, die in Erinnerung bleiben. Generell ist Truffauts Inszenierung sehr gelungen, wobei vor allem die eine oder andere längere Einstellung (wie gleich zu Beginn, beim Gespräch zwischen Guy und Clarisse auf ihrem Weg nach Hause) hervorstechen. Wo wir grad dabei sind: Eine wesentliche Stärke ist auch die wunderbar dargestellte Beziehung zwischen Guy und Clarisse. Letztere wird von der unvergleichlichen, charmanten Julie Christie dargestellt, die in "Fahrenheit 451" in einer Doppelrolle brilliert, und zugleich auch Guys distanzierte Frau Linda darstellt. Dadurch wird die Tatsache, wie die eine quasi das Spiegelbild der anderen ist, auch optisch noch einmal deutlich hervorgestrichen – wobei es nie irritierend wirkt, da Christie dank der anderen Frisur gänzlich anders aussieht, und man maximal vermuten würde, man hätte ihre Schwester in der anderen Rolle gecastet; dass sie es selbst ist, darauf wäre zumindest ich bei der Erstsichtung jedenfalls nie gekommen. Eine phantastische Leistung! Oskar Werner gefällt mir in der Hauptrolle ebenfalls sehr gut. Er lässt den Konflikt der Figur überwiegend im inneren stattfinden, und uns dennoch an diesem teilhaben. Bei den Sets etc. fällt auf, dass man bewusst in der Gegenwart geblieben ist, statt zu futuristisch zu werden; lediglich die Schwebebahn sticht hervor, für die man auf eine damals tatsächlich existente Teststrecke zurückgreifen konnte. Sicherlich einer der "Hingucker" des Films. Last but not least müssen auch noch die Filmmusik von Bernard Herrmann hervorgehoben werden, sowie das wundervolle, stilvoll inszenierte Ende, welches den Film perfekt (und hoffnungsfroh) abschließt.
Fazit:
Auch wenn "Fahrenheit 451" dem Vergleich mit dem Klassenprimus unter den Dystopien, "1984", nicht ganz standhält, halte ich ihn insgesamt für unterbewertet. Die hier vorgestellte Zukunftsvision ist ungemein erschreckend – verdankt diesen jedoch in erster Linie ihrer perfiden Subtilität. Die Welt selbst scheint immer noch in Ordnung zu sein – es sind vielmehr die Menschen, die zunehmend degenerieren, und sich von einem totalitären Regime unterdrücken lassen. Feuerwehrmänner wie Guy Montag führen die Befehle ihrer Vorgesetzten aus, ohne die Rechtmäßigkeit ihres Handelns bzw. ihre Rolle im System zu hinterfragen. Erst durch eine lebhafte junge Frau beginnt Guy, aufzuwachen, und Zweifel an seinem Beruf zu entwickeln. Die sich daraus entspinnende Handlung ist stets packend und faszinierend, und überzeugt mit gelungenen schauspielerischen Leistungen und einer stilvollen, ruhigen Inszenierung, welche den Schrecken des Films vermittelt, ohne dabei in Melodramatik zu verfallen. Wie die besten Dystopien ist "Fahrenheit 451" eine erschreckende Warnung, die wachrütteln und aufrühren will – was ihm zumindest bei mir auch immer wieder auf bestechende Art und Weise gelingt.
Volle Zustimmung! Fahrenheit 451 ist ein toller Film, aber leider war es nicht möglich ein wichtiges Element der literarischen Vorlage auf die Leinwand zu bringen, nämlich die Rückkopplung. Beim Lesen des Buches erfährt man als Leser, dass das, was man gerade selbst tut, also das Lesen, in dieser fiktiven Welt verboten ist und reflektiert über die Notwendigkeit der eigenen Freiheit und dem Bedürfnis diese Freiheit zu erhalten (war zumindest bei mir so). Diese Rückkopplung hätte man nur dann im Film haben können, wenn man das verbotene Medium verändert hätte und anstatt einer Geschichte über das Verbot der Literatur, einen Film über das Verbot von Filmen gemacht hätte. Soweit mein unbedeutender Senf zu diesen Film.
mit der Rückkopplung hast du recht. Aber um die auf die Leinwand zu übertragen, hätte es wie du schon richtig schreibst um Filme (Videokassetten?) gehen müssen, was sich mit der Literaturverehrenden und eher Fernseh-kritischen Message des Films nicht hätte vereinbaren lassen IMHO. Außerdem dienen Bücher doch noch mehr zur Wissensvermittlung als Filme, und eben das spielt in \"Fahrenheit 451\" ja auch eine große Rolle, die zunehmende Verdummung der Gesellschaft, Aber stimmt schon, das war im Roman definitiv ein zusätzlicher Reiz (da man sich quasi in Freitags Rolle befand) über den der Film nicht verfügt hat.