Mit: Sean Connery, Daniela Bianchi, Robert Shaw, Pedro Armendáriz, Lotte Lenya, Eunice Grayson, Bernard Lee, Lois Maxwell, Desmond Llewelyn u.a.
Kurzinhalt:
Tatiana Romanova, eine Agentin des russischen Geheimdienstes SMERSH, will angeblich überlaufen, da sie sich in James Bond verliebt hat. Als weiteren Anreiz, sich auf den Handel einzulassen und ihr dabei zu helfen, die Seiten zu wechseln, bietet sie dem MI6, quasi als Willkommensgeschenk, das russische Chiffriergerät Lektor an. Im MI6 will man zwar ihre Geschichte nicht so recht glauben, und schließt eine Falle nicht aus, dennoch wird 007 nach Istanbul geschickt, um sich mit der jungen Frau zu treffen, ihre Absichten zu hinterfragen, und die Lektor zu besorgen. Tatiana wiederum meint, mit ihrem angeblichen Verrat den Interessen von SMERSH zu dienen. Was beiden Agenten nicht bewusst ist: Sie sind nur Schachfiguren in einem perfiden, ausgeklügelten Plan der Verbrecherorganisation S.P.E.C.T.R.E.…
Review:
Nachdem "Dr. No" den Grundstein gelegt und vieles von dem eingeführt hat, was seither zum Markenzeichen der "James Bond"-Filme gehört, wird dieser Weg in "Liebesgrüße aus Moskau" konsequent weitergeschritten, und der Formel ein paar weitere wichtige Elemente hinzugefügt. So gibt es hier – nach dem bekannt-kultigen Einstieg mit dem Blick aus dem Lauf einer Waffe heraus – die erste Prä-Credits-Sequenz, die bereits ein kurzes Mini-Abenteuer von James Bond erzählt. Oder, im vorliegenden Fall, vermeintlich erzählt. Denn staunt man zuerst nicht schlecht, als 007 vor unseren Augen scheinbar von einem feindlichen Agenten ermordet wird, stellt sich dies kurz darauf als Testlauf für Grant, grandios und eindrucksvoll dargestellt von Robert Shaw, heraus. Nun bekommen wir die erste typische Titelsequenz der Reihe spendiert, in der man den Titel und die Schauspieler auf die nackte Haut von Bauchtänzerinnen projiziert.
Auch den ersten Titelsong gibt es zu hören – wenn hier auch vorerst noch nur in instrumentaler Form; der Text zu "From Russia with Love" ist dann erst kurz darauf beim Stelldichein zwischen Bond und dem meines Wissens einzigem zurückkehrenden Bond-Girl Sylvia (sofern man Moneypenny nicht dazuzählt) aus dem Radio zu hören, und erklingt erst vor dem Abspann so richtig. Zusammen mit dem Titelsong wird auch jener Zugang zum Soundtrack eingeführt, welcher die Bond-Filme für lange Zeit bestimmen sollte. Den immer wieder auftauchenden musikalischen Stücken, wie natürlich dem Bond-Thema oder auch in "Liebesgrüße aus Moskau" zum ersten Mal verwendeter Musik, wie dem neuen Stück "007", welches sowohl hier als auch später in erster Linie bei den großen Actionszenen und Schießereien zum Einsatz kam, fügt man dann jene Film-spezifische Kompositionen hinzu, welche auf dem Titelsong basieren – und die in gewisser Weise als das Hauptthema des jeweiligen Films fungieren, und vielfältig eingesetzt werden. Ein Zugang, der sehr gut funktioniert, da er neues mit altem bzw. bekanntem kombiniert, und so einerseits jedem Film auch musikalisch eine eindeutige, unverwechselbare Note verleiht, zugleich jedoch die einzelnen Filme der Reihe durch die immer wieder auftauchenden Stücke auch akustisch klar miteinander verknüpft. Dadurch gibt man einerseits jedem Film seine eigene Identität, sorgt jedoch auch für eine gewisse Kontinuität. Apropos: Die wieder auftauchende Sylvia zeigt auch, dass man auch was die Handlung betrifft zu Beginn der Filmreihe noch viel Wert auf Kontinuität gelegt hat, und ansatzweise versuchte, eine fortlaufende Handlung zu erzählen. Dies zeigt sich auch in der darauffolgenden Szene mit S.P.E.C.T.R.E., wo auf das Dahinscheiden von Dr. No Bezug genommen wird. Dort erhaschen wir auch den ersten Blick auf Bonds Erzfeind Blofeld – wenn auch vorerst nur auf seine Hände sowie seine weiße Katze.
Der Idee, uns den Plan der Organisation gleich zu Beginn darzulegen, stehe ich hingegen eher zwiespältig gegenüber. Einerseits kann ich verstehen, warum man sich dazu entschlossen hat. Man wollte dem Zuschauer von vornherein klarmachen, worum es geht, was auf dem Spiel steht, und welchen Plan es seitens 007 zu vereiteln gilt. Insgesamt denke ich aber, dass es besser gewesen wäre, wir hätten davon erst zugleich mit Bond erfahren, nämlich später im Zugabteil, als Grant ihm offenbart, wie man sowohl den MI-6 als auch SMERSH, die russische Geheimorganisation, aufs Glatteis geführt hat. Das hätte die Offenbarung nicht nur dramatischer und interessanter gemacht, da uns diese Informationen ebenfalls noch nicht bekannt gewesen wären (denn so wird nur bekanntes noch einmal vorgekauft, wodurch der einzige Reiz der Szene darin liegt, zu sehen, wie verblüfft Bond ist), sondern auch alles davor hätte meines Erachtens profitiert, da auch wir uns gefragt hätten, was hier eigentlich vor sich geht. Es hätte die Spannung des meines Erachtens ohnehin eher suboptimalen, wenig packenden und etwas zu ausgedehntem Mittelteil in Istanbul deutlich erhöhen können.
Doch spulen wir erst noch ein wenig zurück; denn ehe Bond zu seiner Mission aufbricht, hat eine weitere essentielle Figur ihren ersten Auftritt: Q! (Auch wenn er hier noch nicht als solcher benannt wird). Gemeinsam mit ihm beginnt auch die Tradition der Gadgets, die Bond bei seinen Missionen unterstützen sollen. Das erste davon ist ein Aktenkoffer mit Golddukaten, einem gut versteckten kleinen Messer, sowie einer eingebauten Sprengfalle. Diese kleinen Gadgets sowie die gemeinsamen Szenen mit Q sind für mich ein wichtiger Bestandteil der Reihe, den ich zuletzt doch schmerzlich vermisst habe. Nachdem die Figuren in Stellung gebracht wurden, beginnt nun die eigentliche Handlung des Films. Am besten gefällt mir an "Liebesgrüße aus Moskau", dass der Film wirklich die Spionage in den Mittelpunkt stellt. Es geht um keinen Größenwahnsinnigen, der die Welt erobern will, es gibt niemanden zu retten, oder ähnliches. Die Action fristet erneut eher ein Schattendasein, und macht stattdessen einem ausgeklügelten Spionage-Plot Platz. So sehr ich am Mittelteil in Istanbul auch gleich noch Kritik üben werde, aber… dieser Spionage-Aspekt ist schon etwas, der mir in den jüngeren Bonds, die sich doch überwiegend auf Action konzentrieren, etwas fehlt. Nach den Ereignissen in Istanbul dreht "Liebesgrüße aus Moskau" so richtig auf, als sich 007 und Tatiana in den Orient Express begeben. Vor allem, nachdem sich Grant als verbündeter Agent das Vertrauen von Bond erschlichen hat, nimmt die Spannung zu – und kulminiert schließlich in der mit Abstand besten Szene des Films, nämlich der Konfrontation im Zugabteil. Ein grandios inszenierter, auf engstem Raum stattfindender Kampf, der selbst heute noch in vielerlei Hinsicht als Maßstab gilt.
Nach einer nicht gänzlich überzeugenden Hubschrauber-Attacke (die Idee war ja ganz nett, aber die Ausführung entbehrt nicht einer gewissen unfreiwilligen Komik; so sehr ich in meinem Review zu "James Bond jagt Dr. No" auch die unkonventionellen Mordversuche gelobt haben mag, dass man ihn nicht einfach erschießt, sondern versucht ihn mit dem Hubschrauber zu rammen, wirkt schon etwas… na ja) sowie einer zwar nicht übermäßig packenden, aber dafür mit einer beeindruckenden Explosion endenden Boots-Verfolgungsjagd (die uns einen weiteren unfreiwillig komischen Moment beschert, als Tatiana ihren Finger abschleckt und in die Höhe hält, um die Windrichtung zu bestimmen – im mit Höchstgeschwindigkeit dahinrasenden Boot. Kim Bauer wäre stolz auf sie) wird dann eine weitere 007-Tradition begründet: Nämlich der letzte Mordanschlag, nachdem eigentlich schon alles überstanden zu sein scheint. Im Falle von "Liebesgrüße aus Moskau" bringt uns das die nach dem Kampf im Zugabteil denkwürdigste Szene ein, als Rosa Klebb versucht, Bond mit dem in ihrem Schuh eingebauten vergifteten Messer zu stechen. Kult!
Trotz aller starker Szenen und der spannenden Spionage-Handlung konnte mir "Liebesgrüße aus Moskau" aber insgesamt nicht ganz so gut gefallen wie der Vorgänger. Ein Grund dafür ist sicherlich der bereits angesprochene Aufbau, der uns gegenüber den Figuren einen nicht unwesentlichen Informationsvorsprung einräumt – weshalb zumindest ich nicht ganz so in die Handlung eintauchen konnte wie bei anderen 007-Abenteuern. Ein wesentlicher Schwachpunkt ist für mich auch der Mittelteil in Istanbul. Ich kenne die Romanvorlage (noch) nicht, aber vermute, dass man dieser hier doch etwas zu genau und ausführlich gefolgt ist. Wie heißt es doch so schön: Papier ist geduldig. Film ist jedoch ein anderes Medium, dass andere Mittel erfordert, und auch andere Anforderungen an die Dramaturgie stellt. Viele Szenen in diesem Mittelteil erfüllen keinen narrativen Zweck, und sind nichts weiter als Dekoration. Dies gilt vor allem für den Abstecher bei den Zigeunern (die zudem auf fragwürdige, Vorurteile schürende Art und Weise dargestellt werden). Ja, dieser mag uns die erste größer angelegte Actionszene bieten, und jener Moment, als Grant Bond das Leben rettet, ist definitiv ein Highlight – das sich allerdings auch in einem anderen Rahmen hätte unterbringen lassen können. Vor allem der Ausklang dieser Nebenhandlung, in der man Bond entscheiden lässt, wer die Frau bekommt… grauslich. Insgesamt ist dieser Teil der Handlung völlig entbehrlich und überflüssig. Insgesamt ist der komplette Teil in Istanbul einfach zu ausgedehnt, weshalb bei mir sogar stellenweise Langeweile aufkam – im Gegensatz zum Vorgänger, der durchgängig zu unterhalten verstand.
Die letzte große Krux ist dann schließlich die im Zentrum stehende Liebesgeschichte zwischen Bond und Tatiana. Dadurch, dass diese von beiden Seiten als Farce beginnt, gibt es für uns keinen Grund, emotional in sie zu investieren. Bond ist nur an der Lektor interessiert, und Tatiana führt ebenfalls nur die Befehle von Klebb aus. Offensichtlich änderte sich das Ganze im Verlauf der Handlung. Aus gespielten wurden – scheinbar von beiden Seiten – echte Gefühle. Und schließlich entschied sich Tatiana tatsächlich, überzulaufen. Nur… leider lässt man den Zuschauer an diesem Entscheidungsprozess bzw. an dieser Entwicklung nicht teilhaben. Erst am Ende, als sich Tatiana dazu entschließt, Klebb zu erschießen und damit Bond das Leben zu retten, wissen wir, wofür sie sich entschieden hat – und selbst dann wissen wir nicht warum. War sie das Leben als Agentin von SMERSH leid? Ist sie etwa Bond dann doch noch mit Haut und Haar verfallen? Hatte sie schon die ganze Zeit über vor, wirklich überzulaufen, oder hat sie sich erst in diesem Moment dazu entschlossen? Alles wesentliche Fragen, auf die man uns eine Antwort verweigert.
Fazit:
Trotz einer besseren, ausgeklügelteren Handlung gelingt es "Liebesgrüße aus Moskau" nicht ganz, an den ersten Bond-Film anzuknüpfen. Die Hauptgründe hierfür sind der zu ausgedehnte Mittelteil, der doch einen Hauch von Langeweile verströmt, sowie die im Zentrum stehende Liebesgeschichte zwischen Bond und Tatiana, die für mich einfach nicht so recht funktioniert hat. Da man mir nicht vermitteln konnte, ab wann aus der gespielten Zuneigung schließlich echte Zuneigung zueinander wurde, war es mir leider nicht möglich, mit beiden so richtig mitzufiebern, und fehlte es mir bei dieser Romanze zudem an Glaubwürdig- und Nachvollziehbarkeit. Als größte Stärke von "Liebesgrüße aus Moskau" empfand ich die im Mittelpunkt stehende Spionage-Handlung im Allgemeinen sowie der Teilabschnitt im Orient Express im Besonderen. Auch, dass im zweiten Bond-Film ein paar weitere wesentliche Elemente der 007-Filme ihren ersten Auftritt haben, wie Q und/oder die Gadgets, fällt positiv auf. Und wie schon beim Vorgänger gibt es zahlreiche Szenen, die dem Bond-Fan in bester Erinnerung bleiben werden, wie der Kampf im Zugabteil, oder Rosa Klebb und ihr spitzer Schuh. Insgesamt liegen die Stärken von "Liebesgrüße aus Moskau" aber eher in einzelnen Elementen und Momenten, als im Gesamtpaket.
Aber genau der Kampf im Zug hat auch gleichzeitig eine der übelsten Bond-Klischees hevorgebracht. Denn das soll ja nicht das einzige mal bleiben, wo Bond erstmal der ganze Plan vorgebrabbelt wird, anstatt ihn einfach abzuknallen, man Bond irgendeine Gelegenheit zur Ablenkung gibt und es anschließend zum Kampf mit leichtem Sieg für Bond kommt.
Na ja, also genau gekommen kam dieses Plotkonstrukt das erste Mal bei Dr. No vor. In "Liebesgrüße aus Moskau" fiel es mir insofern nicht negativ aus, als a) es sich Bond in erster Linie selbst zusammenreimt und b) Grant seine Waffe auf ihn richtet. Da war nun wirklich nicht damit zu rechnen, dass 007 das überlebt (im Gegensatz zu so manch anderen komplizierten Todesfallen). Und als leicht würde ich seinen Sieg auch nicht unbedingt bezeichnen .
Natürlich. aber dann wäre an dieser Stelle nicht nur der Film, sondern die komplette Bond-Reihe aus gewesen :D. Er ist halt ein Gentleman und wollte Bond noch einen letzten Wunsch erfüllen...
Also ich kann diesem Review nur zustimmen. Ein guter Film mit ein paar Längen. Stellenweise ist der Film doch sehr langatmig. Aber es gibt halt wieder so kultige Szenen, die das fast vergessen machen. Die Schlägerei im Zug, der Schluß in Venedig.