Mit: Vincent D'Onofrio, Eamon Farren, Evan Bird, Julia Ormond, Conor Leslie, Gina Philips, Jake Weber u.a.
Kurzinhalt:
Ein 9-jähriger Junge geht gemeinsam mit seiner Mutter ins Kino. Danach setzen sie sich in ein Taxi. Doch der Fahrer bringt sie nicht nach Hause, sondern in seine abgelegene Hütte – wo er zuerst die Mutter tötet und ihren Sohn danach ankettet und fortan als Sklaven hält. Fast 10 Jahre lebt "Rabbit" gemeinsam mit dem Monster zusammen. Er säubert das Haus, wischt das Blut der Opfer weg, und entsorgt in weiterer Folge sogar die Leichen. Ohnmächtig folgt er seinem "Herrn", und sieht mit an, wie dieser ein Opfer nach dem anderen nach Hause bringt. Dann verlangt Bob eines Tages auf einmal, dass sein "Ziehsohn" in seine Fußstapfen treten soll…
Review:
"Chained" ist ein sehr kontroverser Film. Dass zeigen die ersten Reaktionen aus Cannes, die seither veröffentlichten Kritiken, die IMDB-Wertung, und auch die Reaktionen beim /slash Filmfestival. Genießt es also bitte mit Vorsicht, wenn ich euch sage, dass ich ihn großartig fand, und er für mich eines der Highlight des diesjährigen Festivals war. Warum auch immer, konnte ich mich auf den Film einlassen, wie es vielen anderen scheinbar nicht möglich war. "Chained" ist ein sehr verstörender Film, der uns – ähnlich wie sein angekettetes Opfer Rabbit – dazu zwingt, hilflos mit anzusehen, wie Bob einen Frau nach der anderen tötet. Bereits der Einstieg ist ungemein hart und erschreckend umgesetzt, mit der Entführung und Ermordung von Rabbits Mutter (Julia Ormond in einem kurzen Gastauftritt). Nachdem seine ersten Fluchtversuche nicht fruchten, scheint sich Rabbit wohl oder übel mit seinem Schicksal abzufinden. Der Gedanke, dass dieses Kind und in weiterer Folge dieser junge Mann Bob dabei helfen muss, seine Opfer zu beseitigen, lässt mir immer noch einen kalten Schauer über den Rücken jagen, wenn ich daran zurückdenke.
Generell gab es bei "Chained" zahlreiche Szene, die mir unter die Haut gegangen sind. Die Morde sind zwar überwiegend nicht besonders explizit dargestellt, und überlassen die Details zumeist (wenn auch nicht immer) der Vorstellungskraft des Zuschauers, dennoch ist es ungemein erschreckend, zu sehen, wie Bob ein Opfer nach dem anderen in sein Haus bringt. Auch das Spannungsverhältnis zwischen Bob und Rabbit wird im Verlauf des Films sehr gut herausgearbeitet. Und nachdem sich Jennifer Lynch lange Zeit darauf konzentriert hat, uns zu verstören, wird es zum Ende hin noch einmal so richtig spannend, als Bob von Rabbit verlangt, selbst seine erste Frau zu töten – zweifelsfrei der spannungstechnische Höhepunkt des Films. Bereits zuvor konnte mir "Chained" ja sehr gut gefallen, aber hier hat er mich dann endgültig in den Bann gezogen und war ich im Film gefangen – wohl auch, da sich uns hier mit dem auserwählten Opfer zum ersten Mal eine Figur präsentierte, mit der man so richtig mitfiebern konnte. Was bei Rabbit angesichts seines bis dahin unterwürfigen Verhaltens sowie der Tatsache, dass er jahrelang Beihilfe zum Mord geleistet hat, doch ein wenig schwer fällt. Neben der sehr ruhigen und kühlen Regie und dem vor allem psychologisch ausgefeilten Drehbuch wissen vor allem die schauspielerischen Leistungen der beiden Hauptdarsteller, zu gefallen. Vincent D'Onofrio ist in "Chained" eine Naturgewalt. Er stürzt sich schonungs- und hemmungslos in die Rolle dieses unvorstellbaren Monsters, und verleiht ihm eine ungeheure Bedrohlichkeit und Präsenz. Eamon Farren ist ebenfalls großartig, und versteht es, uns den inneren Zwiespalt seiner Figur begreiflich zu machen.
Ganz perfekt ist "Chained" allerdings nicht. So hat mich der große Zeitsprung nach rund 15 Minuten doch kurzfristig etwas irritiert, und ich brauchte danach einige Zeit, um wieder in den Film hineinzufinden. Ein etwas flüssigerer Übergang, ev. mit mehreren kurzen Rückblenden, hätte hier Abhilfe schaffen können. Sein größter Schwachpunkt ist jedoch ein völlig überflüssiger und noch dazu unlogischer Twist am Ende. "Chained" war ohne diese Offenbarung schon gut genug, bzw. sogar besser; diesen "Gag" hätte es nun wirklich nicht gebraucht. Zumal es sobald man beginnt genauer darüber nachzudenken ungemein unlogisch, konstruiert und unplausibel erscheint, dass man ihn nicht kannte (genauer will ich aus Spoilergründen nicht eingehen, aber wer den Film gesehen hat, sollte verstehen, was ich mit dieser kryptischen Aussage meine). Letztendlich kostet "Chained" dieser unnötige Twist einen ganzen Wertungspunkt. Davon abgesehen fand ich das Ende, welches durchaus Raum zur Interpretation bietet, aber durchaus gelungen.
Fazit:
"Chained" ist eine großartige Mischung aus Psycho-Drama und Horror-Thriller, und verfügt über zahlreiche verstörend-erschütternde Momente und Szenen. Jennifer Lynch zwingt uns, so wie Rabbit Zeuge von Bobs grauenvollen Morden zu werden, ohne etwas dagegen unternehmen zu können. Vincent D'Onofrio ist in der Rolle des sadistischen Mörders einfach nur großartig, und besticht mit seiner bedrohlichen Präsenz. Auch Eamon Farren zeigt in einer schwierigen Rolle eine anständige Leistung. Die ganz große Spannung mag zwar in den ersten beiden Dritteln noch überwiegend fehlen, doch wenn es dann soweit ist, empfand ich "Chained" aufgrund der langen Vorbereitung umso packender, da ich zu diesem Zeitpunkt wirklich in die Handlung involviert war. Lediglich der recht große Zeitsprung nach knapp 15 Minuten, sowie der entbehrlich-unplausible Twist am Ende trübten meinen Gesamteindruck ein wenig.