Kurzinhalt:
Nachdem Spocks Katra gerettet und mittels eines alten Rituals in seinen dank dem Genesis-Effekt wiederbelebten Körper übertragen wurde, warten seine Freunde auf vollständige Genesung. Doch Sarek warnt sie, dass sein Sohn noch nicht über dem Berg sei – erst die nächsten Tage und Wochen werden zeigen, ob sein Katra den Prozess unbeschadet überstanden hat. Kirk und seine Mitverschwörer brechen indes mit dem Bird of Prey zu einer nahegelegenen Sternenbasis auf, wo Jim nicht nur das erste Mal nach dem Tod von David auf dessen Carol Marcus trifft, sondern sich auch einem Tribunal stellen muss, dass über das weitere Schicksal von ihm und seiner Crew entscheiden wird. Doch ehe es soweit kommen kann, wird die Sternenbasis von der I.S.S. Enterprise angegriffen. Denn seitdem der Spiegel-Kirk von dem anderen Universum weiß, hat er nach einem Weg gesucht, den Effekt in größeren Rahmen zu wiederholen, und eine Invasion der Föderation zu starten. Nun ist es ihm gelungen, in unser Universum zu gelangen. Während er die U.S.S. Excelsior stiehlt, übernimmt Captain Kirk mit seiner Crew das Kommando über die zurückgelassene, jedoch technologisch weit unterlegene I.S.S. Enterprise, um sich seinem dunklen Spiegelbild entgegenzustellen…
Review:
Nachdem ich kürzlich wieder einmal "Ein Parallel-Universum" gesehen hatte, bekam ich Lust darauf, mir – im Falle des nächste Woche folgenden "Dunkler Spiegel" erneut, in allen anderen Fällen zum ersten Mal – die literarischen Abenteuer vorzuknüpfen, die im Spiegeluniversum angesiedelt sind. Den Anfang macht "The Mirror Universe Saga". Während es auf dem TV-Schirm bis "Deep Space 9" dauerte, ehe man diesem wieder einen Besuch abgestattet hat, kehrte man in Comic-Form bereits Mitte der 80er in einer 8-teiligen Reihe, die zwischen Dezember 1984 und Juli 1985 unter dem Titel "New Frontiers" erschienen ist, dorthin zurück. 1991 wurden die Ausgaben schließlich als "The Mirror Universe Saga" zusammengefasst und als knapp 200 Seiten starke Graphic Novel neu aufgelegt – eben diese Veröffentlichung liegt auch diesem Review zugrunde. "The Mirror Universe Saga" erzählte eine große, epische Geschichte über das nächste Aufeinandertreffen der Crews beider Universen, welche kurz nach den Ereignissen aus "Auf der Suche nach Mr. Spock" angesiedelt ist.
Was man sich unbedingt bewusst machen muss, ehe man den Comic in die Hand nimmt, ist, dass Autor Mike W. Barr zu diesem Zeitpunkt natürlich noch nicht wissen konnte, was man später im TV mit dem Spiegeluniversum anstellen würde – weshalb die hier erzählte Handlung dem, was wir später in "Deep Space 9" über die Geschichte des Spiegeluniversums erfahren, teils völlig widerspricht. Dies allen wäre für mich noch kein Beinbruch. Wo man jedoch vielleicht doch etwas zu mutig war, ist bei der Weiterzählung der Handlung aus "Auf der Suche nach Mr. Spock", bzw. anders ausgedrückt, den weiteren Ereignissen, die im "normalen" Universum stattfinden. Man erzählt, wie Spock wieder zurückkommt, wie Kirk & Co. aufbrechen um sich den Folgen ihrer Taten zu stellen, usw. – und in praktisch all diesen Punkten widerspricht man dem Kino-Nachfolger "Zurück in die Gegenwart". Anzunehmen, dass die Kinofilme tatsächlich an die Geschichte aus "The Mirror Universe Saga" anknüpfen würden, erscheint mir dann doch etwas zu optimistisch.
Was bedeutet: Entweder war der Autor tatsächlich so illusorisch – oder es war ihm schlicht und ergreifend egal, dass der nächste Kinofilm seiner Geschichte völlig widersprechen und sie somit ins Reich der nicht-kanonisierten Fan-Fiction verbannen würde. Es mag kleinlich erscheinen, aber für mich macht es eben schon einen deutlichen Unterschied, ob ich, wie Diane Duane bei "Dunkler Spiegel", eine Geschichte erzähle, von der ich nicht unbedingt ausgehen kann und muss, dass man dieser in weiterer Folge widersprechen wird (wie dann bei den DS9-Spiegelepisoden geschehen), oder aber mich anschicke, an den offiziellen Kanon anzuknüpfen, teils große Entwicklungen zu präsentieren – wo ich eigentlich fix damit rechnen muss, dass die Drehbuchautoren mir wohl kaum dorthin folgen werden. Ich meine, ganz ehrlich… wenn der nächste Film dort angeknüpft hätte, wo "The Mirror Universe Saga" aufhört, hätten das wohl die wenigsten Trekkies einfach so akzeptieren können. Für mich war jedenfalls diese Ignoranz, die der Autor hier für die weitere Zukunft des Universums zeigt, schon ein wesentlicher Kritikpunkt, der mein Lesevergnügen nicht unwesentlich getrübt hat.
Davon abgesehen ist die Geschichte aber eigentlich ganz nett. Zwar finde ich insgesamt, dass die ersten vier Bände – ehe es Kirk & Co. ins Spiegeluniversum verschlägt – besser gelungen sind, spannender, und auch die besseren Momente zu bieten haben, so weiß auch der Rest durchaus zu gefallen. Positiv fällt dabei vor allem auf, dass man nicht einfach eine Geschichte erzählt, die man genauso gut auch auf der Kinoleinwand hätte erzählen können. Die Raumschlacht am Ende erreicht dank der riesigen Flotte eine Dimension, die zur damaligen Zeit, als man noch mit Modellen gearbeitet hat, das Budget gesprengt hätte. Hier nutzt er also die Möglichkeiten von Comics – sowohl was die größere kreative Freiheit als auch die Visualität des Mediums betrifft (im Gegensatz zu einem "schlichten" Roman) – sehr gut aus. Negativ fällt jedoch vor allem gegen Ende hin auf, dass Kirk hier als übercleverer Superheld dargestellt wird, der seinen Gegnern in jeder Situation mindestens einen Schritt voraus ist. Man kann's auch übertreiben. Von der einfallslosen Deus Ex Machina-Lösung, mit der Kirk schließlich die komplette gegnerische Flotte ausschaltet, ganz zu schweigen.
Trotzdem bot diese "Saga" insgesamt durchaus gute Unterhaltung. Besonders interessant fand ich dabei die Einblicke in die Kultur des Imperiums im Spiegeluniversum. Außerdem kommt es hier – nachdem in "Ein Parallel-Universum" ja lediglich ein Austausch stattgefunden hat – zum ersten Mal dazu, dass sich zwei Gegenparts treffen – auch das fand ich sehr faszinierend. Besonders gelungen fand ich auch den Einstieg in die Handlung, mit den Nachwehen aus "Auf der Suche nach Mr. Spock", wie dem Aufeinandertreffen von Carol Markus und James Kirk. Und vor allem die erste Raumschlacht, zwischen der vom guten Kirk kommandierten I.S.S. Enterprise und dem die überlegende U.S.S. Excelsior befehligende Spiegel-Kirk war sehr spannend umgesetzt, und wirklich gut gemacht. Lediglich das Ende hat mir dann – unabhängig davon, dass es "Zurück in die Gegenwart völlig widerspricht – überhaupt nicht gefallen. Hier wirkte Kirk doch etwas eitel und selbstverliebt, dass er sich so zum Helden stilisieren lässt, "nur" um seine Karriere zu retten, und die Sternenflotte quasi zu erpressen. Einen etwas anderen Ablauf der Ereignisse hätte ich hier vorgezogen.
Was den Zeichenstil betrifft, fällt meine Wertung insgesamt zwar eher positiv aus… aber man merkt schon, dass sich im Comic-Bereich in den letzten rund 25 Jahren enorm viel getan hat. Man braucht sich nur eines der Gold Key-Comics oder eben auch die "Mirror Universe Saga" hernehmen und dass mit den in den letzten Jahren veröffentlichten, von David Messina gezeichneten Comics vergleichen. Stilistisch liegen da Welten dazwischen; gerade auch die Farben sind heutzutage viel kräftiger und oftmals mit Airbrush-Effekt versehen. Ich bin nicht der Comic-Experte, und will mich auch nicht als solcher aufspielen, aber ich vermute mal, dass hier der Computer große Auswirkungen hatte, und man – im Gegensatz zu früher – die Illustrationen einscannt und dann am PC coloriert, was künstlerisch mehr Möglichkeiten bietet. So gesehen muss man den Zeichenstil nach jener Zeit bewerten, in der er entstanden ist – wobei auch da auffällt, dass er sich mit den ganz großen (allen voran der Mutter aller Comics, "Watchmen") nicht messen kann, die doch noch etwas mehr Atmosphäre und Stimmung in ihren Bildern vermitteln. Immerhin erkennt man aber meisten, um wen es sich handeln soll. Das ist bei Comics die auf realen Vorbildern basieren auch nicht immer eine Selbstverständlichkeit!
Fazit:
Bitte versteht meine Wertung nicht falsch: Wenn man kein Problem damit hat, eine vom Kanon weitestgehend losgelöste Geschichte zu lesen, dürft ihr gerne noch mal einen Wertungspunkt aufschlagen. Denn bis auf kleinere Kritikpunkte wie die etwas gar übertriebene Kirk'sche Heldenverehrung macht "The Mirror Universe Saga" inhaltlich nicht viel falsch, und bietet zahlreiche gelungene Momente – und vor allem auch faszinierende Einblicke ins Spiegeluniversum. Man kann sogar diskutieren, ob dieser Comic nicht vielleicht sogar eine bessere Fortsetzung von "Auf der Suche nach Mr. Spock" gewesen wäre als "Zurück in die Gegenwart" (auch wenn ich hier angesichts meiner etwas kritischeren Meinung dem 4. Star Trek-Film gegenüber wohl gegen den Strom schwimmen dürfte). "The Mirror Universe Saga" ist spannend, faszinierend, sehr unterhaltsam… und vor allem ungemein episch. Der Comic-Sammelband bietet ein Abenteuer in einer Größe und Dimension, wie man es bis dahin im "Star Trek"-Universum noch nicht gesehen hat (zumindest nicht auf dem TV-Schirm und/oder der Leinwand). Subjektiv sehe ich mich jedoch nichtsdestotrotz dazu gezwungen, Brian W. Barr dafür abzustrafen, dass er eine Geschichte erzählt, bei der er davon ausgesehen musste, dass der nächste "Star Trek"-Film sie ins Reich der dem Kanon widersprechenden alternativen Historien verbannen würde – und damit die "Haltbarkeit" seines Produktes unnötig künstlich verkürzt hat.