Mit: Sissy Spacek, Piper Laurie, Amy Irving, Nancy Allen, William Katt, John Travolta, Betty Buckley u.a.
Kurzinhalt:
Carrie ist an ihrer Schule eine Außenseiterin, die von fast allen gehänselt und gemieden wird. Nicht zuletzt ist dafür ihre streng religiöse Mutter verantwortlich, die nicht nur den Eltern ihrer SchulkollegInnen mit ihrer Bekehrungsmission immer wieder zur Last fällt, sondern die vor allem auch ihre Tochter enorm unterdrückt und ihre soziale Entwicklung behindert. Als bei Carrie beim Duschen nach den Sportunterricht die erste Menstruation einsetzt, weiß sie mangels Aufklärung nicht, was mit ihr los ist. Völlig verstört streckt sie ihren Schulkolleginnen hilfesuchend die Hände entgehen – und wird von ihnen ausgelacht. Ein Vorfall, der für diese nicht ohne Folgen bleibt, werden sie doch dazu verdonnert, eine Woche nachzusitzen. Wer sich nicht daran hält, wird vom in einer Woche stattfindenden Abschlussball ausgeschlossen. Sue nimmt sich die Worte ihrer Lehrerin sehr zu Herzen, und wird wegen ihres Verhaltens in der Schule von Schuldgefühlen geplant – weshalb sie ihren Freund Tommy darum bittet, Carrie zum Abschlussball zu begleiten. Ganz anders die eitle Chris. Ihr wird die Teilnahme am Abschlussball verweigert – weshalb sie einen finsteren Plan schmiedet, um sich an Carrie zu rächen und sie vor der gesamten Schule bloßzustellen. Ein gefährliches Spiel mit dem Feuer – denn Carrie verfügt über telekinetische Fähigkeiten, die sich immer dann manifestieren, wenn sie wütend wird…
Review:
"Carrie – Des Satans jüngste Tochter" war nicht nur die erste Verfilmung einer Vorlage von Stephen King (und zählt zu Recht zu den besten), sondern zugleich auch jener Film, mit dem Regisseur Brian De Palma endgültig der Durchbruch gelungen ist. Warum und wieso, zeigt sich vor allem in den späteren Szenen, wo er mit einigen gelungenen und zur damaligen Zeit nicht gerade alltäglichen inszenatorischen Kniffen – wie der sich im Kreis drehenden Kamera während des Tanzes von Tommy und Carrie, die beeindruckende Einstellung mit der blutenden Carrie vor den Flammen, oder auch den "Zoom-Schnitten" – aufwartet, und zudem einige atmosphärisch dichte Momente präsentiert. Sehr interessant und auffällig ist auch, wie De Palma die Schlüsselszene des Films (Stichwort Schweineblut) in Szene setzt. Bis auf das Rinnen des Blutes und dem Schaukeln des Kübels hören wir weder Musik, noch Stimmen, noch sonstige Geräusche. Es sind inszenatorische Kniffe wie dieser, die nicht nur den Film enorm aufwerten, sondern auch aufzeigen, über welches Talent De Palma als Regisseur verfügt (ob er dies im weiteren Verlauf seiner Karriere immer sinnvoll eingesetzt hat, darüber kann man zugegebenermaßen geteilter Meinung sein).
Nichtsdestotrotz muss man auch festhalten, dass sich junge Zuschauer mit ihren modernen Sehgewohnheiten selbst zum Ende hin wohl kaum mehr erschrecken dürften, und den bei "Carrie" vorherrschenden subtilen Grusel möglicherweise als zu subtil, und daher auch den Film als zu wenig erschreckend und harmlos, empfinden werden. So gesehen kann ich dem im nächsten Jahr anstehenden Remake, welches doch von so manchem Horror-Fan vorverurteilt wird, eine gewisse Daseinsberechtigung nicht absprechen. Immerhin hat "Carrie" mittlerweile ja auch schon wieder fast 35 Jahre auf dem Buckel. Nach so langer Zeit darf man sich schon mal an einer neuen Interpretation versuchen. Ob es dieser jedoch gelingen wird, an Brian De Palmas Horror-Klassiker anzuknüpfen, da bin zugegebenermaßen auch ich skeptisch. Denn meines Erachtens ist der Kontrast zwischen der ersten Stunde – wo der Film mehr wie ein ganz gewöhnliches Teenager-Drama wirkt, als ein Horrorfilm – und dem letzten Drittel eben genau das, was "Carrie" so auszeichnet. Erst dadurch, dass zuvor alles so normal und harmlos wirkt, schaffen es die in weiterer Folge stattfindenden Ereignisse, ihre schockierend-verstörende Wirkung zu entfalten. Genau aus diesem Kontrast zwischen dem gewöhnlichen und den übernatürlichen – ein Motiv, das zu den Markenzeichen von Stephen King gehört – bezieht der Film viel von seinem Schrecken. Überhaupt ist die banale, gewöhnliche erste Stunde notwendig, um uns in Carries Kopf schlüpfen und sich uns mit ihr identifizieren zu lassen. Wenn sie schließlich mit Tommy tanzt, bezieht "Carrie" seine Spannung nicht aus einem wahnsinnigen Killer oder einer ähnlichen Bedrohung. Es ist eine stille, fast tragische Spannung – da wir genau wissen, welchen Streich die anderen Schüler planen, und was Carrie in Kürze bevorsteht.
Nach der knappen ersten Stunde wünschen wir ihr nichts weiter, als dass sie glücklich ist – doch können im Gegensatz zu ihr diese Momente nicht ungetrübt genießen, da wir schon wissen, dass es nicht von Dauer sein wird, und die Tragik dahinter erkennen. Selbst wenn sie sich dann für diesen Streich auf grausame Art und Weise rächt, können wir dieses Verhalten wenn schon nicht akzeptieren doch zumindest verstehen. Und eben dies ist ganz wichtig, da dies wiederum dazu führt, dass wir selbst am Ende, trotz allem was in der Schule vorgefallen ist, noch Sympathien für sie hegen, und beim finalen "Showdown" auf ihrer Seite sind. Dieser ist dann ebenfalls sehr gut inszeniert, und nicht nur spannend, sondern auch ansatzweise berührend. Generell sind die letzten 30 Minuten definitiv die stärksten und besten des Films – funktionieren aber eben nur deshalb so gut, weil man in der Stunde davor konsequent auf dieses dramatische Finale hingearbeitet und dieses vorbereitet, sowie die Figuren ausreichend vorgestellt hat. Was das betrifft, könnten sich viele moderne Horrorfilme an "Carrie" ein Beispiel nehmen.
Was das Casting betrifft, fällt grundsätzlich die Unart Hollywoods auf, Mitt-Zwanziger als Teenager zu besetzen. Zugegeben, angesichts der Duschszene gleich zu Beginn, die auch nicht mit nackten Tatsachen geizt, war zumindest die Volljährigkeit Pflicht, aber ob die meisten SchauspielerInnen unbedingt fast 10 Jahre älter sein mussten als die Figuren, die verkörpern, sei dahingestellt. Etwas irritierend wirkt es jedenfalls schon, da sie teilweise einfach doch etwas zu alt für ihre Rollen aussehen. Von diesem Manko abgesehen können sie jedoch allesamt überzeugen. Dies gilt insbesondere für Sissy Spacek, die eine grandiose Leistung zeigt. Zuerst ist ihre Carrie ungemein eingeschüchtert und unnahbar. Dann beginnt sie langsam aufzulockern, und ihr Leben so richtig zu genießen. Und zuletzt wird sie zum blutigen Racheengel. All diese – teils sehr widersprüchlichen – Facetten der Figur spielt sie mit bestechender Natürlich- und Glaubwürdigkeit. Amy Irving und Nancy Allen fallen ebenfalls sehr positiv auf, während ihre männlichen Kollegen William Katt und vor allem auch John Travolta doch etwas blass bleiben. Die neben Sissy Spacek bestechendste Leistung kommt aber ganz klar von Piper Laurie aka Carries Mutter. Sie spielt ihre Religionsfanatikerin sehr hingebungsvoll, und ohne Scheu davor, jegliche Sympathien beim Zuschauer zu verspielen. Der letzte nennenswerte Aspekt der Produktion ist dann die Filmmusik von Pino Donaggio. Diese ist zwar grundsätzlich ebenfalls sehr gelungen, in den Telekinese-Szenen fällt jedoch der Einsatz eines "Psycho"-ähnlichen Themas doch etwas deutlich – und unangenehm – auf. So wirkungsvoll es auch sein mag, da man dieses Geräusch seit "Psycho" automatisch mit Grauen und Mord in Verbindung bringt, so ist es doch nicht unbedingt optimal, wenn der Zuschauer in diesen Szenen aufgrund der aufdringlich ähnlichen Musik immer zwangsläufig an einen anderen Film denken muss. Eine eigenständigere Komposition wäre in diesen Szenen jedenfalls wünschenswert gewesen.
Fazit:
Mit "Carrie – Des Satans jüngste Tochter" hat Brian De Palma, basierend auf dem Roman von Stephen King, einen Klassiker des Horror-Genres geschaffen. Beachtlich und vor allem bei der Erstsichung sehr überraschend – da sehr untypisch – ist die gemächliche Herangehensweise des Films an das Grauen. Denn die ersten zwei Drittel sind – bis auf wenige kurze Andeutungen, was Carries Fähigkeiten betrifft – erstaunlich schreck- und horrorfrei. Stattdessen konzentriert man sich ausführlich darauf, die Protagonisten, allen voran natürlich Titelfigur Carrie, vorzustellen, und sie uns sympathisch zu machen. Die fast mehr wie ein gewöhnliches Teenager-Drama wirkende Handlung der ersten Stunde kontrastiert die letzte halbe Stunde, wo dann auch wirklich der Schrecken dominiert, absolut perfekt – und ist maßgeblich für deren schockierend-beängstigende Wirkung verantwortlich. Neben diesem geschickten Aufbau, der jedoch sicherlich nicht jedermanns Geschmack treffen dürfte, erweisen sich vor allem noch die Inszenierung von Brian De Palma sowie die schauspielerischen Leistungen von Sissy Spacek und Piper Laurie als wesentliche Stärken des Films. Aufgrund kleinerer Schwächen muss ich "Carrie" zwar das Prädikat eines absoluten, unantastbaren Meisterwerks absprechen, dennoch zählt er zweifellos zu den gelungensten Stephen King-Adaptionen.