Mit: Jessica Biel, Jodelle Ferland, Stephen McHattie, William B. Davis, Samantha Ferris, Colleen Wheeler, Eve Harlow, Jakob Davies u.a.
Kurzinhalt:
Cold Rock ist eine von vielen sterbenden Kleinstädte in den USA. Jobs sind rar; dementsprechend bewegen sich die meisten Bewohner an der Grenze zur Armut. Doch die Bevölkerung des Ortes plagt noch etwas viel Schlimmeres: Denn seit ein paar Jahren verschwinden in regelmäßigen Abständen Kinder. Die Presse gab dem Phänomen den Namen "Tall Man". Eben dieser ist mittlerweile zur Legende in der Kleinstadt geworden, ähnlich wie der Schwarze Mann. Nun schlägt dieser erneut zu. Julia Denning ist zwar eigentlich nur Krankenschwester, hat jedoch nach dem Tod ihres Mannes, der Arzt war, die einzige Praxis der Stadt übernommen. Eines Nachts wacht sie auf, und sieht, wie eine dunkle Gestalt ihren Sohn entführt. Julia nimmt die Verfolgung auf…
Review:
"The Tall Man" ist das Hollywood-Debüt des französischen Regisseurs Pascal Laugier, der vor ein paar Jahren innerhalb der Horrorszene mit dem ultra-brutalen "Martyrs" für einiges an Aufsehen gesorgt hat. "The Tall Man" schlägt hingegen in eine gänzlich andere Kerbe, und bietet vielmehr atmosphärischen Grusel als echten, brutalen Horror. Die Handlung erweist sich dabei als längst nicht so geradlinig, wie es die bewusst kurz gefasste Inhaltsangabe vermuten lässt. Vielmehr wartet "The Tall Man" mit gleich mehreren überraschenden Wendungen auf, die bei mir auch immer die gewünschte Wirkung – sprich, mich zu überraschen – entfalten konnten. Vor allem mit der Auflösung am Ende, was das Schicksal der Kinder betrifft, gibt uns Laugier einiges zum Nachdenken. Mancher mag darin eine bestimmte Aussage hineininterpretieren, die ihm überhaupt nicht schmeckt. Meines Erachtens war es jedoch nicht Laugiers Absicht, zu predigen und eine bestimmte Message zu verbreiten – dafür relativiert er mit der letzten Szene viel zu sehr – sondern vielmehr, den Zuschauer zum Nachdenken anzuregen. Was ihm zumindest bei mir auch absolut gelungen ist.
Doch bevor es soweit ist, gibt es neben zahlreichen Wendungen und Offenbarungen auch noch einiges an Spannung. Das erste große diesbezügliche Highlight ist natürlich die Entführung von David. Nach Julias darauffolgender Rückkehr in die Kleinstadt schafft es Laugier auf bestechende Art und Weise, uns langsam aber sicher das Gefühl zu vermitteln, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugeht, und eine bedrohliche Atmosphäre aufzubauen. Das spannungstechnische Highlight sind dann die Szenen in der alten Fabrik. Danach mag es zwar im Großen und Ganzen mit der bedrohlichen Atmosphäre vorbei sein, zumindest bei mir machte das aber nichts, da ich zu diesem Zeitpunkt bereits viel zu sehr in der Geschichte gefangen war, und allein die Frage, was genau hier vor sich geht, für genug Spannung gesorgt hat. Und gegen Ende hin schafft es Laugier dann noch, für einen derartigen Mystery-Thriller noch ungewöhnlich berührende Töne anzuschlagen. Neben der Inszenierung sind auch die schauspielerischen Leistungen positiv hervorzuheben. Dabei sticht vor allem Jessica Biel aus dem Ensemble heraus. In ihrer bisherigen Karriere hatte sie ja noch kaum Gelegenheit, ihr Talent unter Beweis zu stellen. "The Tall Man" erlaubt ihr aber endlich einmal, in einer überraschend komplexen Rolle zu glänzen. Neben der nach ihren Auftritten in (u.a.) "Silent Hill", "Seed", "Fall 39" und "The Cabin in the Woods" mittlerweile recht Horror-erfahrenen Jodelle Ferland, freute ich mich vor allem auch noch über das Wiedersehen mit "Nite Owl" Stephen McHattie und William B. Davis, aka der Raucher aus "Akte X".
Gänzlich makellos ist Pascal Laugiers Hollywood-Debüt indes nicht. So dreht sich das Twist-Karussell dann vielleicht doch 1x zu oft. Ich denke, eine der Wendung hätte man sich sparen können, ohne etwas Wesentliches zu verlieren. Dann wäre man zum Ende des Films nicht gar so Twist-übersättigt gewesen. Vor allem aber nimmt sich Laugier insgesamt gesehen doch ein wenig zu viel Zeit, um diese Geschichte zu erzählen. Die eine oder andere Szene hätte man sicherlich kürzen – und damit das Erzähltempo merklich erhöhen – können, ohne Wesentliches zu verlieren. Zudem muss festgehalten werden, dass sich die wirklich nervenzerreisende Spannung auf wenige Einzelszenen beschränkt. "The Tall Man" bezieht seine Spannung eher aus der Geschichte und den darin versteckten Twists und Offenbarungen – und möchte zuletzt wohl doch mehr zum Nachdenken anregen als erschrecken. Wer sich einen klassischen Nägelbeißer – oder gar einen ähnlich brutal-verstörenden Film wie "Martyrs" – erwartet, könnte demnach enttäuscht werden. Hier dominiert der subtile Horror. Versteht man es, sich auf ihn einzulassen, sollte es "The Tall Man" aber durchaus gelingen, einem mehrmals einen kalten Schauer über den Rücken zu jagen.
Fazit:
Auf dem ersten Blick mag die Handlung von "The Tall Man" sehr schlicht und bekannt klingen – doch der Schein trügt. Die zahlreichen unerwarteten Haken, welche die Handlung schlägt, waren für mich seine größte Stärke. Allen voran die sich daraus am Ende ergebende offene Frage, die mich zum Nachdenken angeregt und noch länger beschäftigt hat. Von der Geschichte abgesehen – welche spätestens nach der Entführung mein Interesse geweckt und mich bis zuletzt nicht mehr losgelassen hat, da ich unbedingt wissen wollte, was hier genau vor sich geht – bezieht "The Tall Man" seine Spannung in erster Linie aus einigen atmosphärisch dichten Einzelszenen, die überwiegend im Mittelteil des Films zu finden sind. Neben dem wendungs- und einfallsreichen Drehbuch sowie der atmosphärischen Inszenierung von Pascal Laugier erweist sich vor allem noch die schauspielerische Leistung von Jessica Biel als wesentliche Stärke. Wohlgemerkt: "The Tall Man" ist, trotz vereinzelter packender Szenen, kein Nägelbeißer per se, sondern bezieht seine Spannung eher aus dem im Mittelpunkt stehenden Mysterium heraus. Zudem mag er insgesamt gesehen doch einen Hauch zu lang und ausgedehnt geraten sein. Insgesamt bietet "The Tall Man" aber mehr als solide Horror-Unterhaltung, und ist damit für Fans des Genres durchaus empfehlenswert.